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Bericht

Name des Laufes:27. Stadtwerke Leipzig Marathon
mehr zum Lauf: VID77
Datum des Laufes:13.4.2003 (Sun)
Ort:Leipzig
Plz:D0
Homepage:http://www.leipzigmarathon.de/
Strecken:MA
Beschaffenheit:Asphalt
Profil:flach
Wetter:Sonnenschein, 15 Grad, etwas Wind
Teilnehmer:450 MA, 900 HM, 550 10k
Name des Berichtenden:Gernot Poerner
(Autor-LID zuordnen: Login und [Edit])

Bericht vom 2.5.2003 (Fri)
Mein 1.Marathon

Lauftraining seit ca. 1,5 jahren, seit ca. einem
dreiviertel Jahr laufe ich auch mal mehr als 5km
Alter: 26
Groesse: 1,92
Gewicht: 79 kg

Leipzig Marathon am 13.04.2003

Nun war es also so weit. Hatte ich mir doch selbst einen Marathon
"verpasst", wenn auch nicht ganz aus freien Stuecken. Nachdem ein
Kumpel meinte, dass er dieses Jahr in Leipzig die Marathonstrecke
absolvieren wollte, dachte ich mir - was er kann, kann ich auch.
Gesagt getan, nachdem ich mein Vorhaben bereits rumerzaehlt und
mich angemeldet hatte, ueberlegte es sich mein Kumpel doch noch
anders und beschraenkte sich auf den Halbmarathon ( was
urspruenglich auch mein Plan gewesen war). Aber da ich ja kein
Weichei bin ;-), blieb ich bei meiner Entscheidung.

In der Vorbereitung hatte ich leider einen Rueckschlag durch 2 Wochen
krankheitsbedingten Trainingsausfalls gehabt und aus diversen Gruenden
war es mir leider nicht gelungen, wenigstens einen
Lauf laenger als 20 km zu absolvieren.

Trotzdem war ich ueberhaupt nicht aufgeregt, ganz im Gegensatz z.B. zu
Triathlon-Wettkaempfen.
Obwohl ich ueberall das Gegenteil gelesen hatte, war ich mir sicher,
dass ein Marathon so schwer nicht sein kann. Kurz gesagt: Mir fehlte
der noetige Respekt ;-)

Am Morgen des grossen Tages machte ich mich nach zwei Bananen und einer
Apfelschorle auf den Weg in die City. Das Wetter war blendend, nach
2 Wochen Regen und Kaelte waren heute 15 Grad und Sonne angesagt. So
frueh am Morgen war es jedoch noch etwas frisch und die Wahl einer langen
Laufhose (Tschibo Hausmarke) und kurzes Radtrikot (v.a. wg der
praktischen Tasche) + Basecap erwies sich als genau richtig.

Beim Warten auf den Start, der fuer die Knapp 550 Marathon-Teilnehmer
punkt 10 erfolgen sollte, dachte ich nochmal ueber meine Planung nach.
Alles ander als eine Zeit unter 4 h waere eine Enttaeuschung. Laut des
"Marco- Marathon" Zielzeitenrechners sollte, basierend auf meiner 10km
Zeit, selbst eine Zeit unter 3:30h erreichbar sein. Und dabei war ich
noch sehr konservativ bei der Eingabe meiner Daten gewesen.

Die Renneinteilung sah demnach so aus, dass ich am Anfang den Puls
moeglichst unter 155 halten sollte, nach 5 km auf 162 und dann, wenn
ich warm waere auf meinen Rennpuls von 170 gehen sollte. Die KM-Zeiten
wollte ich mir nicht merken und einfach nach Puls laufen.

Nachdem der Startschuss erfolgt war, versuchte ich auch so gut es
ging, im Bereich von max. 155 zu bleiben Das erwies sich als relativ
schwierig, aber ich blieb hart, joggte langsam vor mich hin und
widerstand dem Drang, einfach alles und jeden in meiner Reichweite zu
ueberholen. Innerlich dachte ich natuerlich "wartet nur, meine Zeit
kommt noch...ich krieg euch alle nochmal ein"

Bei Km 3 gab es das erste Mal was zu trinken und ich nahm einen
Schluck, obwohl ich eigentlich noch nicht mal warmgelaufen war. Ich
hatte keine wie auch immer gearteten Zipperlein, alles lief perfekt
und ich dachte die ganze Zeit ueber meinen gloriosen Endspurt und den
Zieleinlauf nach und dass ja alles viel besser lief als gedacht.

Bei der naechsten Verpflegung nahm ich prophylaktisch ein Stueckchen
Banane mit, nicht dass ich es noetig gehabt haette, aber man weiss ja
nie...

Inzwischen hatte ich meinen Puls und dementsprechend auch mein Tempo
hochgeschraubt und war die ganze Zeit am Ueberholen. Ich war richtig
euphorisch und dachte - Mann bin ich gut drauf.... Das muss das Runners
High gewesen sein, von dem ich schon gehoert hatte ;-)

Die 10 km - Marke passierte ich bei ca. 49 Min, angesichts der
langsamen ersten km eine ordentliche Zeit. Und es lief weiterhin super.


Bei km 20 fing ich jedoch an, mir Sorgen zu machen, ob ich nicht rein
vom Gefuehl her irgendwie langsamer geworden waere. Die Sorge war
teilweise begruendet - Halbmarathon in 1:42, aber immernoch eine gute Zeit,
genau im Plan fuer ca. 3:30. Voraussgesetzt, die zweite RUnde waere
genauso schnell ...

Einige km zuvor hatte sich ein Mitlaeufer an meine Fersen geheftet und
folgte mir seitdem unaufhoerlich. In unserem Schlepptau waren auch
weitere Laeufer, die allerdings nach und nach begannen, uns langsam davon
zu ziehen. Dabei war unter anderem ein Brasilianer, dessen eigenartiger
Laufstil so aussah, als ob er jeden Moment umfallen wuerde.

Bei km 25 sprach ich meinen letzten verbliebenen Verfolger an und wir
kamen ins Gespraech. Es stellte sich heraus dass er auch Triathlet ist
und dies ebenfalls sein erster Marathon. Wir tauschten Erfahrungen aus
und stellten gemeinsam fest, dass es nun langsam "interessant" zu werden
schien. Inzwischen erwischte ich mich immer haeufiger bei dem Gedanken
an die naechste Verpflegungsstelle, und die Beine wurden langsam schwer.
Mein Puls hatte sich nun deutlich nach unten bewegt, obwohl er eigentlich
laut Plan haette noch steigen sollen und pegelte sich bei laecherlichen
155 ein.

Langsam fingen die Beine auch an, von innen her so komisch warm zu werden
und zu kribbeln. Auch die Arme schliefen mir irgendwie ein, das musste also
jetzt der beruehmte Zeitpunkt sein, der einen Marathon zum Marathon macht.
Genau so war es auch. Bei ca. km 35 verabschiedeten wir uns dann langsam
von unserer Zielzeit 3:30.

Die letzten 7 km waren, kurz gesagt, hart. Wir schleppten uns von Wasserstelle
zu Wasserstelle, von km zu km, allerdings ohne ein einziges Mal anzuhalten.
Inzwischen ueberholten wir doch wieder ein paar andere Laeufer, groesstenteils
allerdings Halbmarathonis, die anderthalb Stunden nach uns gestartet waren.
Wirklich schnell koennen wir nicht mehr ausgesehen haben und mir war
inzwischen klar, dass so ein Marathon doch nicht so locker zu absolvieren
ist. Auch einige alte Bekannte zogen wieder an uns vorbei, teilweise in einem
solchen Tempo, dass ich mir dachte - das machen die mit Absicht - lassen die
anderen erstmal davonziehen, um ihnen dann zu zeigen, wo der Hammer haengt.
Eigentlich war das ja mein Plan gewesen, aber das war jetzt auch egal;-)

Die Tatsache, dass wir die Strecke schon von der 1. Runde her kannten, trug
ebenfalls nicht unbedingt zu unserer Motivation bei. Die Bruecken auf der
Bundesstrasse B2 stellten sich nun als richtige Berge heraus, die wir in den
Beinen merkten. Und immer noch waren es 5km.

Schliesslich, endlich konnten wir die B2 verlassen und nun war es nicht mehr
weit, 3km, ein Katzensprung eigentlich. Noch 2, noch anderthalb.... ich sah
den Zeitpunkt gekommen, meine Traubenzucker einzuwerfen, die nochmal einen
letzten Kick geben sollten. Ich bot auch meinem Begleiter welche an, aber er
meinte nur, er koenne jetzt absolut nichts mehr herunterbringen. An der
letzten Wasserstelle gab es auch Schokolade, von der ich mir ebenfalls noch
eine Handvoll einwarf. All der Zucker wirkte prompt und ich bekam noch
einmal einen Leistungsschub, vondem ich einige Minuten zuvor nicht mehr zu
traeumen gewagt haette.

Ich wollte jetzt nur noch ankommen und fing an schneller zu laufen. Anfangs
merkte ich gar nicht dass mein Begleiter mir nicht mehr folgen konnte, da ich
inzwischen eine Art Tunnelblick hatte. Als ich es dann doch bemerkte, war er
schon 200 m hinter mir und ich beschloss, weiter zu laufen, obwohl wir
eigentlich gemeinsam ins Ziel hatten kommen wollen. Auf den letzten 600 m
ueberholte ich noch 5 oder 6 andere Laeufer, davon auch einige, die mich
ihrerseits erst kurz zuvor ueberholt hatten.

Auf der Zielgeraden feuerte mich der Moderator nochmal an, so dass ich die
von ihm gesteckte Marke von 3:47:20 locker unterbot. Die Uhr blieb fuer mich
bei 3:47:17 stehen.

Ich wartete im Zielbereich mit inzwischen umgehaengter Medaille noch auf meinen
ehemaligen Begleiter, der knapp 2 Minuten spaeter ebenfalls die Ziellinie
ueberquerte.

Nun wollte ich nur noch eins: Essen und Trinken, am besten alles gleichzeitig.
Ich schreckte vor nichts zurueck, nicht einmal vor verduenntem Red Bull und
warmem Haferschleim aus Pappbechern. Ich nahm alles auf was ich kriegen konnte.
Meine Freundin, ihre und meine Eltern waren inzwischen da und gratulierten mir.
So richtig bekam ich das allerdings nicht mit. Ich merkte, dass mir die Knie
und die Zehen schmerzten, als das Gefuehl langsam wieder in die Beine
zurueckkehrte.

Die Motivation, mich fuer eine Urkunde an eine 100 m lange schlange anzustellen,
hatte ich zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich. Meinen ChampionChip liess ich
von meinem Vater einloesen.

Dann ging es endlich nach Hause. Endlich die Fuesse befreien. Endlich hinlegen...

Im Nachhinein bin ich mit der Zeit (netto 3:47:07) und der Platzierzung (177
gesamt, 22 AK) ganz zufrieden, denn man weiss eine solche Leistung erst wirlich
einzuschaetzen, wenn man sie selbst einmal erbracht hat. Und die 4 Stunden hab
ich ja locker geschafft, Naja, was heisst locker...

Bei besserer Vorbereitung und Renneinteilung ist sicherlich noch einiges drin.
Zumindest weiss ich jetzt, worauf es ankommt. Die Tatsache, dass ich fuer die
zweite Runde ueber 20 Minuten laenger gebraucht habe, ist sicherlich der
Premiere geschuldet. Das kommt beim naechsten Mal (meine zwischenzeitlichen
Anwandlungen von "Nie wieder mache ich so einen Scheiss" sind
inzwischen vergessen) sicherlich nicht wieder vor.

Wie der Brasilianer mit dem "eigenwilligen" Laufstil aber fast eine halbe Stunde
vor mir ins Ziel kommen konnte, wird mir wohl ewig ein Raetsel bleiben

Inzwischen kann ich schon wieder ganz normal laufen und trainieren, von
3 meiner 10 Fussnaegel habe ich mich jedoch physisch, von 3 weiteren
seelisch und moralisch schon mal verabschiedet.


Diese Seite ist zu erreichen unter www.kmspiel.de/?bericht=83


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