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26.04.2024, der 5. Tag der KW 17

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Bericht

Name des Laufes:Frankfurt Marathon
mehr zum Lauf: VID495
Datum des Laufes:31.10.2004 (Sun)
Ort:Frankfurt / Main
Plz:D6
Homepage:www.frankfurt-marathon.de
Strecken:MA
Beschaffenheit:100 % Asphalt
Profil:Flach, eine Brücke
Wetter:trocken, teilweise sonnig, ca. 15 Grad
Teilnehmer:ca. 9.000 im Ziel
Name des Berichtenden:TSI LID39
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Bericht vom 2.11.2004 (Tue)
Hasen-Bericht: Frankfurt-Marathon (mit Sklaventreiber-Faktor)

Wie verfasst man einen Bericht zu einem Lauf, den man nicht im Rahmen eines eigenen Wettkampfs, sondern als Begleiter erlebt hat? Vielleicht zunächst mit etwas Vorgeschichte: Birgitt wollte am 26.9. in Berlin ihren ersten Versuch starten, einen Marathon unter drei Stunden zu laufen. Sie hatte trainiert wie nie zuvor? und fing sich zwei Wochen vor dem Marathon einen hartnäckigen Virus ein. Nachdem ihre eigene Teilnahme ausgeschlossen war, hat sie zunächst eine Spiridon-Läuferin mit dem Zeitziel 3:30 über die ersten 8 KM ?eingebremst?, und mich anschließend ab KM 39 ins Ziel begleitet. Für mich war klar, dass ich mich für diese Unterstützung revanchieren würde.

Nachdem Birgitt rechtzeitig vor Frankfurt wieder gesund wurde und zumindest noch zwei Wochen gut trainieren konnte, stand fest, dass sie starten würde. Und für mich stand fest, wo ich mich revanchieren würde: eben dort. Wie unterstützte ich nun einen sub3-Versuch, nur 5 Wochen nachdem ich mich selbst in Berlin völlig verausgabt hatte? Es war klar, dass ich einen ganzen Marathon im sub3-Tempo nicht wirklich unterstützen könnte, also schlug ich vor, sie das größte Teil der Strecke ab KM 18 zu begleiten. Zusätzlich einigten wir uns darauf, dass wir den ersten KM zum Einschwingen des Tempogefühls gemeinsam laufen würden. In der Zeit zwischen KM 1 und 18 würde ich Birgitt bei KM 8 nochmals kurz sehen, um mir einen Eindruck von ihrem Befinden zu verschaffen.

Als Renntaktik hatten wir die ersten 5 KM in 4:20 min/k ausgeklügelt, um dann auf 4:15 min/k und ab KM 18 auf 4:12 min/k zu steigern. Das würde auch etwas Luft lassen, falls sie am Ende müde würde.

Wir stellen uns ziemlich weit vorne in den Startblock, können schon 9 Sek. nach dem Startschuss die Startmatte überqueren und zügig loslaufen. Zu zügig, wie sich zeigt, denn bei KM 1 zeigt die Uhr 4:05! ?Viel zu schnell?, rufe ich ihr noch hinterher, ?mach langsamer!? und bekomme ein ?Jaja...? als Antwort. Nun kann ich etwa 30 Min. warten. Es ist zwar reichlich kühl, dafür aber recht kurzweilig, denn schon kurz nachdem die letzten LäuferInnen an dieser Stelle vorbei sind, kommt auf der Gegenseite schon die Spitze des Feldes; etwa einen KM später dann auch noch auf unserer Seite. Etwa 20 Männer bilden die Spitze, und in der zweiten Gruppe befinden sich auch Carsten Eich und Michael Fietz. Danach tröpfelt es, bis die ersten 5 Frauen mit etwa 20 Männern im Schlepptau vorbeiziehen. Birgitt kommt nach exakt 33:25 Min. bei KM 8 vorbei, eine ganze Minute schneller als verabredet. Sie strahlt im Gesicht und sieht extrem locker aus. Erstmals bekomme ich ein gutes Gefühl, dass sie es schaffen wird, auch wenn das Anfangstempo deutlich zu schnell ist.

Ich kann nun gemütlich zum Hauptbahnhof joggen, mit der S-Bahn nach Niederrad fahren und dort nochmals einen knappen KM bis zu KM 18 laufen. Dort angekommen, erlebe ich ein kleines Drama: Die Spitze ist gerade eben vorbei, und ein Kenianer liegt mit schmerzverzerrtem Gesicht am Boden. Er ist wohl gestürzt und aufs Knie gefallen; muss leider aufgeben. Ein bewegender Moment, er tut mir richtig leid.

Nach und nach kommen immer mehr Läufer vorbei, das Feld ist bei einer Durchgangszeit von einer Stunde bis 1:10 überraschend dicht. Die Spitzengruppe der Frauen hat sich nicht verändert. Und dann entwickelt sich langsam ein nicht enden wollender Läuferstrom. Birgitt soll hier nach ziemlich genau 1:17 vorbei kommen. Ab hier ist es dann meine Aufgabe, das Tempo zu machen, Getränke zu besorgen usw.. Ich bin ziemlich nervös, meine größte Sorge ist es, die 24,2 Km bis ins Ziel in diesem Tempo selbst gut hinzukriegen.

Sie kommt genau eine Minute früher als vereinbart, hat also das Tempo seit KM 8 nicht weiter überzogen. Wir reden kurz; ich frage, wie es ihr geht. ?Gut!? Sie liegt bei den Frauen an ca. 25. Stelle. Da wir sehr gut in der Zeit sind, schwimme ich zunächst die ersten beiden KM mit, beide in je 4:18 und damit etwas zu langsam, was aber kein Beinbruch ist. Die HM Marke absolvieren wir dann bei 1:29:05. Von ihrem Vorsprung hatte sie mittlerweile einiges verloren und ich gebe ihr zu verstehen, dass wir nun etwas anziehen müssen. Zur gleichen Zeit erspähe ich auch die ersten beiden Frauen vor uns, und es war klar, wohin die Reise geht.

Der nächste Km rutscht mir dann leider in exakt 4:00 min raus. Ich bremse sofort, wir pendeln uns auf 4:10 bis 4:16 ein. KM 25 passieren wir in 1:45:30. Das ist wieder genau eine Minute schneller als der Plan. Nun kommt der Anstieg auf die Schwanheimer Brücke. Da wir Ostwind haben, erwartet uns nach dem Anstieg auf der freien Fläche der Brücke auch noch Gegenwind. Ich wünsche mir, ein breiteres Kreuz zu haben und suche nach Möglichkeiten, Birgitt in einer gleichschnellen Gruppe Männer unterzubringen. Leider werden hier alle deutlich langsamer und wir überholen eigentlich ständig. Der KM endet genau am Scheitelpunkt und ich stoppe 4:20. Völlig OK, jetzt geht es bergab, und wir legen einen KM in 4:08 hin, ohne dass wir dafür was tun müssen.

Jetzt geht es ab nach Höchst. Kurz vor dem Wendepunkt noch ein kleiner Anstieg, der Ostwind schiebt uns vorwärts; hier gibt es sonst in der engen traße immer fiesen Gegenwind. Dann zweimal links, und ab geht es nachhause. 2:06:34 ist die Zwischenzeit bei KM 30, mit 21:06 Min. haben wir das topographisch schwierigste Stück hinter uns gebracht, und Birgitt hat jetzt exakt 45 Sek. Vorsprung gegenüber ihrem ursprünglichen Zeitplan. Ich teile ihr mit, dass sie gut in der Zeit liegt, dass sie jetzt aber noch einmal alles geben muss. Wenn alles gut geht, kann sie unter 2:59 ins Ziel kommen. Das will ich ihr allerdings nicht verraten, da ich befürchte, damit ihren Kampfgeist zu schwächen. Bei KM 31 nochmals eine schwierige Stelle unter die Nieder S-Bahnbrücke, erst steil bergab und dann zum Glück etwas weniger steil wieder hoch.

Kurz vor KM 32 beginnt der psychologisch schwierigste Teil: die sich über 3 Km hinziehende, schnurgerade Mainzer Landstraße. In den letzten Jahren gab es hier immer Rückenwind, heute wegen des Nordostwindes leider nicht. Zum Glück gibt es links die ersten beiden Kilometer eine steile Böschung, und der Wind wird eine Zeit lang abgehalten. Birgitt ist jetzt deutlich am Anschlag. Wie jetzt motivieren, Mut machen, einem Einbruch vorbeugen? Zum Glück ist das Feld immer noch dicht genug. Wir können uns direkt bei KM 32 an eine Gruppe Männer hängen und mitschwimmen. An diesem Punkt protestiert Birgitt ein wenig gegen das hohe Tempo und ich mache ihr nochmals klar, dass unser Schlachtplan bis KM 35 4:12er KM-Zeiten vorsieht und dass sie bei den Männern bleiben soll.

Immer wieder tauchen Frauen vor uns auf, die Birgitts Ehrgeiz anstacheln. Allein auf der Mainzer Landstraße überholen wir drei von ihnen, Birgitt hat sich nun ungefähr auf Platz 15 vorgearbeitet. Später erfahren wir, dass wir hier auch die erste hessische Läuferin überholt haben. Sie konnte nur noch gehen und stieg dann bald aus. Kurz vor dem Ende der Mainzer Landstraße rauschen wir bei KM 35 vorbei und stoppen 2:27:55 (21:21 für den 5er-Split). Es bleiben noch genau 41 Min. für die letzten 7,2 KM. Das kann reichen für 2:59... Allerdings wirkt Birgitt nun ziemlich müde und es ist deutlich zu sehen, wie sehr sie das Ziel herbeisehnt. Ich nache ihr Mut, dass das schwierigste geschafft ist ? wohl wissend, dass ab jetzt jeder weitere KM der schwierigste ist.

Bei KM 38 sind wir dann endlich wieder zurück im Innenstadtbereich und schlagartig nimmt die Publikumsdichte deutlich zu. Es läuft kurzfristig etwas besser, doch urplötzlich fällt sie zurück. Ich drehe mich um, warte auf sie und herrsche sie an: ?Los! Komm! Verbasel? das jetzt nicht!? Ich komme mir sehr gemein vor, und sie tut mir leid, aber ich weiß auch, dass sie es drauf hat. Die Stimmung ist jetzt sehr gut, was wirklich beflügelt. Etwa bei KM 39,5 steht der Vanman und kündigt Birgitt als erste Hessin an. Da hier und heute auch die hessischen Meisterschaften stattfinden, ist klar, dass sie gerade dabei ist, Hessenmeisterin 2004 zu werden. Ich frage sie, ob sie verstanden hat, was gerade gesagt wurde: ?Ja.? ?Dann los!? Und tatsächlich scheint es jetzt nochmals besser zu gehen. KM 40 erreichen wir nach exakt 2:49:30. Die 2:59 werden langsam sicherer.

An der alten Oper ist die Hölle los, richtige Gänsehautatmosphäre. Dann nochmals auf die Mainzer Landstraße, einen Km zurück, dank Ostwind mit Anschub. Und nochmals taucht eine Frau auf, die noch ganz ordentlich läuft. Ich berichte Birgitt davon und merke, wie gerne sie überholen will, jetzt aber wirklich nichts mehr zusetzen kann.

Plötzlich taucht ein Fahrrad neben mir auf, und ich werde angesprochen. Es ist eine Rennaufsicht, die unerlaubte Unterstützung unterbinden soll. Er fragt mich, ob ich etwa die Frau hinter mir unterstütze. Ich streite natürlich entrüstet ab und verweise auf meine eigene Startnummer, die ich glücklicherweise vorweisen kann. Er sagt, dann sei alles OK, doch der Schock sitzt trotzdem tief. Ich halte mich jetzt lieber zurück und laufe immer ca. 5 bis 10 Meter vor ihr.

KM 41 geht dann sogar noch mal in 4:11 weg, damit dürften die 2:59 zu unterbieten sein. 800 Meter vor dem Ziel biegen wir auf die Theodor-Hess-Allee, die Frau vor uns ist sichtlich am Ende, mehr noch als Birgitt. Ca. 300 Meter vor dem Ziel haben wir sie. Bei KM 42 stoppe ich 2:58:07. Das muss reichen. Leider ist Birgitt hinter mir, ich kann sie nicht mehr anpeitschen, zwei Meter vor der Linie warte ich auf sie, und in der Tat, sie sieht die Uhr und zieht noch mal an, bei 2:58:57 (brutto) kommt sie ins Ziel (Netto 2:58:48), und ist damit 11. Frau in der Gesamtwertung. Sie ist völlig erschöpft, aber überglücklich. Ich kümmere mich um sie und gratuliere. Eine echte Glanzleistung!

Abends berichtet sie mir dann, dass sie mich spätestens auf der Mainzer Landstraße phasenweise gehasst hat. Der zuvor ausgeklügelte Zeitplan war von mir längst über Bord geworfen und sie hat mir ab diesem Zeitpunkt immer vertraut, dass es hauptsächlich um die 3 Stunden-Marke ging. Unterm Strich waren wir ein sehr gutes Team. Und inzwischen hat sie mir auch wieder verziehen und mir neben dem Beinamen ?Sklaventreiber? auch den Titel des Edelhasen verliehen.

Für mich selbst war es nochmal ein richtiger Höhepunkt zum Abschluss meines bisher besten Laufjahres. Es hat großen Spaß gemacht.



Diese Seite ist zu erreichen unter www.kmspiel.de/?bericht=662


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