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Bericht

Name des Laufes:32. GutsMuths-Rennsteiglauf
mehr zum Lauf: VID412
Datum des Laufes:15.5.2004 (Sat)
Ort:Schmiedefeld
Plz:D9
Homepage:http://www.rennsteiglauf.de
Strecken:HM, MA, SMA
Beschaffenheit:etwas Cross
Profil:typischer Mittelgebirgshöhenweg
Wetter:trocken, 12-17 Grad
Teilnehmer:1600
Name des Berichtenden:Werner Pluschke
(Autor-LID zuordnen: Login und [Edit])

Bericht vom 20.5.2004 (Thu)
UNTERWEGS AM RENNSTEIG: NIE WIEDER MEHR ALS MARATHON ... ?

Nachdem ich im vergangenen Jahr in Berlin so schnell das Ziel erreichte, dass ich mit meinem Trainingsaufwand wohl kaum jemals die Zeit verbessern werde, wollte ich mich in diesem Jahr eher besonderen Strecken als schnellen Zeiten zuwenden.

In vielen mitteleuropäischen Mittelgebirgen gibt es entlang dem Hauptkamm Fußwege, die als Wanderwege markiert sind und durchweg Rennweg oder Rennsteig bezeichnet werden. In Württemberg gibt es beispielsweise den Rennweg,
der nördlich von Vaihingen/Enz entlang dem Strombergrücken über den Baiselsberg führt. Der bekannteste unter den Rennwegen ist der Rennsteig des Thüringer Waldes, so dass Dichter volkstümlicher Lieder erklären, den
Rennsteig gebe es nur einmal, ohne bedeutenden Widerspruch zu ernten. Für einen Läufer gibt es aber in der Tat nur einen Rennweg, denn an keinem anderen ist ein Lauf organisiert.

Nachdem ich mir den Rennsteiglauf für dieses Jahr vorgenommen hatte, steigerte ich mein Training ein wenig (ca. 1100 km Februar-April) und nutzte unter anderem den Bienwald-Marathon in Kandel Mitte März als ersten Test. Eine große Unsicherheit lag für mich darin, dass ich bisher nur selten habe Marathons laufend durchstehen können (nur 4 von 14); wie ergeht es mir wohl bei noch längeren Strecken? Einmal Ultra und nie wieder?

Als mein Vereinskamerad Klaus erfuhr, was ich vorhatte, erwachte in ihm das Interesse, es noch einmal zu versuchen; jedenfalls als Training für die 100 km von Biel. Letztes Jahr waren es am Rennsteig 6:35. Zum einen war es ideal für mich, einen Termpomacher zu haben, aber was heisst hier 6:35? Ist sein Tempo das richtige für mich? Marathon und kürzer läuft Klaus nur zum Training; der Maßstab fehlt. Vereinskameraden spekulieren mit. Klaus selbst habe ich nicht nach dem Zeitziel befragt; es ist klar, dass er
seine Zeit verbessern möchte, weil sonst sein plötzliches Interesse nicht erklärbar wäre.

Klaus ist der Fahrer, als wir nach Schmiedefeld unterwegs sind; vielleicht kann ich nach 73 km zu Fuß nicht mehr selbst zurückfahren. Die Nacht in der Turnhalle des historischen Schulgebäudes von Schmiedefeld ist kurz. Nach dem Frühstück um halb drei, das engagierte Helferinnen uns in einem Veranstaltungsraum der Schule bereiten, steigen wir in den Bus nach Eisenach zum Startpunkt. Anderthalb Stunden dauert die Fahrt über Oberhof trotz Autobahn ab Gotha. Da wir am Vortag uns bereits die Startunterlagen besorgt haben, müssen wir nur noch vor den Einrichtungen der Firma Dixi anstehen, die zugleich den rechten Rand des Startkanals auf dem geräumigen Marktplatz bilden. Es deutet sich bereits an,
dass das Wetters uns am heutigen Tage gewogen ist. Wir ziehen ein T-förmiges Hemd an und tragen darüber die Vereinsfarben.

Um sechs Uhr ist Start.

Es geht mit leichter Steigung los. Das Stadttor wird durchquert. Ich entscheide mich für den höchsten Torbogen, der auch Fahrzeugen Durchlass gewähren soll. Bald beginnt der Anstieg zum Burschenschaftsdenkmal; schon hier ist die Straße ungeteert. Schnell erreichen wir die unbefestigten Wege. Sie sind nass und pfützenübersät. Aber das ist erst der Anfang.

Überholvorgänge sind häufig, weil auch bei dieser Länge mancher weniger schnelle Zeitgenosse Wert auf einen Platz in der ersten Reihe legt (ARD/MDR waren präsent). Außerdem versuchen wir, das Tempo gleichmäßig zu halten, solange die Steigungen nicht zu groß sind, während andere da gleich deutlich langsamer werden.

Nach sieben Kilometern erreichen wir die erste Verpflegungsstelle. Ich ergreife einen Wasserbecher. Der Inhalt ist dürftig. Viel Wasser ist dagegen kurz dahinter auf dem Weg; beinahe hätte ich während des Trinkens einen
Fuß gebadet. Die Beschaffenheit der Strecke verlangt immer mehr Aufmerksamkeit.

Unberührte Natur ist der Rennsteig keineswegs. Die forstwirtschaftliche Nutzung hinterlässt ihre Spuren. Außerdem vermute ich, dass mancherorts historische Spuren ihrer Entdeckung harren. Wie ist es zu erklären, dass vereinzelt
Kastanien in einem Mittelgebirgswald zu finden sind?

Nach 20 km beginnt ein kräftiger Anstieg. Wir beschließen, uns für ein Stück auf Gehen umzustellen, denn der Anstieg zum Großen Inselsberg ist steil. Nach 2 solchen Einlagen haben wir den Gipfel erreicht. Eine Funkstation (oder vielleicht auch etwas anderes) gestaltet das Gipfelareal; daneben laden Gastronomie und Braukunst zum Verweilen ein.

Der Abstieg vom Großen Inselsberg ist durch Treppen strukturiert. Aber auch hinter den Treppen geht es steil bergab. Klaus läuft mir davon; auch andere preschen an mir vorbei. Doch als es flacher wird, erreiche ich Klaus wieder.
Gut 25 km liegen hinter uns, als wir die Grenzwiese erreichen. Ich will nun Essen zu mir nehmen (wozu ich mich während eines Laufes noch nie genötigt sah, was mir für solche Distanzen jedoch als notwendig beschrieben wurde) und erhalte Haferschleim, der sich ohne lästige Kauvorgänge dem Magen anvertrauen lässt. Nachgespült mit Tee, der je nach betreuendem
Verein an den Verpflegungsständen unterschiedliche Süße und Geschmacksrichtung
hat, aber immer bekömmlich ist. Da ich hier an dieser Verpflegungsstelle intensiv damit beschäftigt bin, das richtige Menü zu bestellen, nehme ich nur wenig von den anderen anfeuernden Zuschauern wahr; Klaus jedenfalls meint
später, hier seien auch spezielle Fans des TSV Hildrizhausen (unseres Vereins, der alljährlich im Oktober den Schönbuchlauf über 25 km organisiert; http://www.schoenbuchlauf.de ) gewesen.

Allmählich wird die Strecke bevölkert, denn auch Wanderer, heutzutage unter bestimmten Bedingungen Walker oder Powerwalker genannt, sind unterwegs. Zum Glück sind diese Leute nicht negativ gegenüber uns Schnelleren eingestellt (gilt auch für die Hunde), auch wenn sie uns ständig Platz machen müssen. Stellenweise ist der Weg morastig. Auch gilt es Wurzeln Aufmerksamkeit zu schenken.

Es kommen weitere Bergabpassagen, bei denen Klaus jedesmal davonzieht, doch wenn es flacher wird, hole ich wieder auf. Nach 40 km merke ich, dass mir die Kraft ausgeht, und ich bleibe endgültig zurück. Das ist es schon fast zu spät. Ich merke, dass die Marathondistanz für mich eine Grenze bildet. Tatsächlich schaffe ich nun einen Kilometer nur noch in sieben Minuten. Man
überholt mich ständig. Gedanken kommen: mehr als 42 km bin ich noch nie gelaufen? Auch bin ich noch nie länger als 3:20 gelaufen? Beides ist jetzt erreicht. Also habe ich erkannt: mehr als 42 km ist nichts für mich. Und ich fasse für mich den Beschluss, nie wieder mehr als einen Marathon zu laufen, hier jedenfalls will ich nur noch durchkommen.

Bei den Mitläufern falle ich schon durch mein stark verlangsamtes Tempo auf. Indessen fällt mir auf, dass ich trotz des sonnigen Wetters nicht allzu viel getrunken habe. Ist mein Befinden die Folge von Dehydrierung? Ab sofort
ergreife ich an den Verpflegungsstellen immer gleich mehrere Becher.

Nach 55 km bin ich am Grenzadler bei Oberhof. Drei Viertel der Strecke sind geschafft. Gerade noch innerhalb von fünf Stunden passiere ich die
Zeiterfassung.

Dahinter beginnt ein Anstieg. Ich spüre ein Ziehen in der rechten Wade. Mit Krämpfen habe ich bisher keine Erfahrung, doch was ich da spüre, scheint einer zu sein. Künftig gilt also für mich: kein Tempo und Beine heben. Einige
Male muss ich den Laufschritt abbrechen und an meiner Wade reiben. Ein Läufer aus dem Badischen in gelbem Hemd sieht mein Schicksal und klopft mir aufmunternd auf die Schulter: er berichtet, auch er habe eigentlich viel schneller laufen wollen. Nachdem sein Zeitziel außer Reichweite sei, will er es nur noch in sieben Stunden schaffen. Er zieht davon. Den Beerberg, der der höchste Punkt des Laufes ist, erreiche ich wieder im Laufschritt. Doch beim Abstieg meldet sich die Wade erneut. Aber ansonsten fühle ich mich wieder besser: vielleicht, weil ich jetzt langsamer unterwegs bin - vielleicht, weil ich mehr getrunken habe. Hinter der letzten Verpflegungsstelle wird der Weg befestigt. Ich
kann das Abrollen so kontrollieren, dass meine Wade es akzeptiert, und bin so schnell unterwegs wie auf keinem Abschnitt zuvor. Den Lauffreund im gelben Hemd hole ich zu dessen Überraschung wieder ein; er lässt sich von meinem Tempo anstecken; immerhin ist noch nicht klar, ob wir die Siebenstundenmarke schaffen. Als ich etwa das Schild "70 km" erwarte (alle 5 Kilometer sind eigentlich ausgeschildert), steht nur eine 70 mit Farbe auf einem Baum. die Tafel selbst erscheint zu meiner Enttäuschung erst später, allerdings nur kurz vor den 20 km des Halbmarathon. Beim Anstieg zum Zielgelände halten wir das Tempo und erreichen das Ziel
schließlich klar unter sieben Stunden (6:54:02). Im Ziel umarmen und beglückwünschen wir uns; sein Zuspruch hat mir sehr geholfen, umgekehrt hat ihn vielleicht auch mein letzter Antritt beflügelt. Der Triumphmarsch aus Aida, modern arrangiert, erklingt aus den Lautsprechern, als mir die Medaille umgehängt wird.

Nach reichlicher Flüssigkeitsaufnahme nehme ich den Abstieg zum Gepäcklager in Angriff. Ich muss warten, bis die Stufen so frei sind, damit ich seitwärts hinuntersteigen kann.

Klaus treffe ich erst in der Turnhalle. Auch er ist langsamer geworden und hat etwa die Zeit des Vorjahres erreicht.

Und allmählich vergesse ich, wie unangenehm es nach vier Stunden war. Vielmehr fällt mir auf, wie ungleichmäßig mein Tempo war. Vielleicht muss ich irgendwann mein Ergebnis überprüfen. Das wäre dann noch einmal mehr als Marathon.


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