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Bericht

Name des Laufes:8. Müritz-Lauf Ultramarathon
mehr zum Lauf: VID8031
Datum des Laufes:23.8.2008 (Sat)
Ort:Waren/Müritz
Plz:D1
Homepage:http://www.mueritzlauf.de/html/mueritz-lauf.html
Strecken:76,6k
Beschaffenheit:Landschaftslauf, Waldwege, Teerstraßen
Profil:meist eben, wenige Steigungen
Wetter:anfangs starker Regen, dann aufklarend, z. T. sonnig
Teilnehmer:96
Name des Berichtenden: dadarun48 LID6278
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Bericht vom 24.8.2008 (Sun)
Donnerstagabend reisen wir an. Ein entspannter Tag vorher, eine erholsame Übernachtung danach, ein Miniurlaub betten dieses Unternehmen in einen entspannten Rahmen. In der Pension, die ich nach Lage zum Start ausgesucht habe (5 Min. zu Fuß), hat man uns noch frisch geräucherten Saibling aufgehoben. Am nächsten Tag bummeln wir in Waren herum, entdecken eine bezaubernde Altstadt, nahezu autofrei, sitzen auf der Terrasse in einem Cafe hoch über der Müritz, schlemmen köstliche Baissertorte in Konkurrenz zu Wespen. Nachmittags 1 Stunde Dampferfahrt auf der Binnenmüritz, der kleinen nördlichen Ausbuchtung um Waren. In der Höhe von Klink hat man einen Blick auf den See: weit entfernt im Dunst ein anderes Ufer. Das ist Wahnsinn, soweit kann kein Mensch laufen. Da soll ich rum? Der defätistische Schweinehund wird in den Zwinger zurückgescheucht. Wir finden zum Abendessen einen Sizilianer in der Altstadt mit lauschigem Innenhof, das Essen ist überraschend und richtig gut (Pasta, was sonst). Dann vertreiben uns die ersten Regentropfen. Noch bin ich optimistisch. So etwas Überflüssiges wie Regenjacke habe ich natürlich zuhause gelassen. Es ist Sommer, es ist August…

Samstags um 6 wälze ich mich aus den Federn. Blick nach draußen: Trocken! Nach dem Wolkenbruch gestern Nacht ein Lichtblick für den Optimisten. S. war von den Wassermassen so frustriert, dass ich sie aus allen vermeintlichen Verpflichtungen entließ. Du musst mich nicht begleiten, sagte ich, ich lauf auch allein. Ich bringe meine üblichen Verdauungsrituale hinter mich. Um halb 7 steht S. auf – und ist wieder frustriert. Sie zeigt nach draußen. Sie hat mein und ich habe auch mein volles Mitgefühl: es gießt in Strömen. Ein schnelles Frühstück um 7, Sonderregelung, die übliche Zeit in der Pension ist ab 8. Rad beladen, S. leiht mir eine alte Motorrad-Regenjacke, die sie zufällig dabei hat. Sie gibt dreimal die PIN in ihrem Handy falsch ein. Sinnlose Wut. An mir perlt alles ab. Wir tapern zum Start. Unterwegs treffen wir einen Läufer mit Piratentuch. Ein Biel-Kämpe, wie er erzählt; die Harten übernachten in der Turnhalle im Massenquartier. Ich bin ein Pensions-Weichei. Als wir den Parkplatz queren, sehe ich Jan Prochaska, den Inhaber des Streckenrekords aus dem Auto steigen. Der wird mindestens 2 Stunden schneller sein als ich. Am Start drängeln sich die Ultras in einem Zelt, betrachten fatalistisch den heftigen Regen. Dann geht’s zum Startband, aufmunternde Sätze über die ganz besonderen Menschen, die sich nun in dies nasse Abenteuer stürzen. Und dann rennt, für mich völlig überraschend, die Meute los, als wäre das ein Halbmarathon. Auch hier zeigt die Analyse der Ergebnisliste: Eine ausgesprochen hochklassig besetzte Veranstaltung, 43 von 87 Läufern blieben unter 8 Stunden Std. Ok, ich bin gaaanz ruhig und trabe in meinem Tempo, S. bald neben mir, es gibt ein nettes Foto der Veranstalter von uns aus dieser Phase (http://picasaweb.google.com/mueritzlauf/WarenMRitz/photo#s5237788021328905026). Nach einer 1/2 Std. hört es auf zu regnen. Ich glaube, ich laufe eine gute 6:30er Pace. Ich hab mir ausgerechnet, dass ich mit diesem Tempo in 8:40 ankomme. Wenn ich 7er Pace laufe, bleibe ich knapp unter 9 Std. Wäre fürs Debut auch ok.
Eine Gruppe von Leuten immer wieder auf meiner Höhe. Ich verliere sie, wenn ich ins Gebüsch muss oder sie müssen. Die meisten lasse ich irgendwann hinter mir. Ein junger Mann, der mir an der einzig unklaren Wegstelle hilft, zieht doch irgendwann davon. Ich sehe später in der Ergebnisliste, dass er 35 Min. schneller war, ok., er startete in der M35. Ich werde ansonsten ein einziges Mal überholt, für mich ein Hinweis, dass ich richtig losgelaufen bin. Vor Röbel, da bin ich nun 4,5 Std. unterwegs, die erste volle Härte. Laufen auf der Strasse, ansteigend, mit heftigstem Gegenwind. Meine Radbegleiterin kann kaum schneller als ich, selbst wenn sie wollte. Trotzdem gelingt es mir, noch einige Läufer zu überholen. Nach 5 Std., die ich durchgelaufen bin, beschließe ich Gehpausen. Wie es die berühmten US-Ultras empfehlen: 5 Min. laufen, 1 Min. gehen. Man glaubt es kaum, aber das hilft. Es hilft, sich ein wenig zu regenerieren in dieser auch ultra, nämlich ultra-kurzen Gehpause. Dein Körper lechzt nach jeder dieser Minuten. Wenn du eine versäumst, weil irgendwas, z. B. deine getrübte Realitätswahrnehmung, dazwischen kam, leidest du wie ein Hund. Es hilft, eine Struktur und eine Aufgabe zu haben, wenn du nichts weiter wahrzunehmen scheinst als eine deiner schmerzenden Stellen. Du kannst dich auf die Uhr konzentrieren und weißt, was du zu tun hast: 5 laufen, 1 gehen, dieses Mantra bestimmt deine nächsten Stunden und bringt dich ins Ziel. Sollte ich jemals in der Lage sein, einen Lauf dieser Länge ohne zu bewältigen, verzichte ich gerne darauf; bis dahin ist es Medizin fürs Überleben. In der Zeit zwischen 5,5 und 6,5 Std. denke ich oft an den Satz, den einer in dieser Community als Motto hat: „Geht es Dir während eines ULTRAS gut, mach Dir keine Sorgen - es geht vorbei.“ Soweit bin ich jetzt. Es ist vorbei mit leicht, locker lustig. In Sinuskurven, die im statistischen Mittel immer mehr fallen, schwankt meine Form. Mal heldenhaft und zuversichtlich und dann wieder kämpfend wie ein waidwunder Löwe. Ich wusste es, ich hätte 150 in der Woche laufen sollen in der Vorbereitung, ich hätte die langen Läufe eben doch bis 65 ausdehnen müssen – vorbei. Jetzt laufe ich, mein längster Trainingslauf war knappe 50 km in 5,5 Std. und genau da kommt der Einbruch. Mein Durchschnittspuls sinkt auf 64-65 % maxP, nicht weil mein Kreislauf schlapp macht, sondern weil ich muskulär, vom Bewegungsapparat her nicht mehr in der Lage bin, schneller zu laufen. Wenn ich mich gut fühle, versuche ich, bis auf 70% zu kommen.
Eine der hässlichsten Erfahrungen aus dieser Periode: Ich laufe gern mit locker geschnürten Schuhen, besonders links. Immer wieder landen darin Steinchen. Mit zunehmender Streckenlänge, Zeitdauer, fällt es mir schwerer, mich zum Schuh öffnen, Stein entfernen, Schnüren zu bücken. Alles Tribut an den Ultramarathon-Gott.
Der Lauf ist einsam, S. bleibt immer wieder zurück, um Fotos zu machen, ab 5 Stunden schießen gelegentlich Staffelläufer in einem für mich irrwitzigen Tempo vorbei. In großen Abständen überhole ich jemanden, jedes Mal ein kilometerlanges Abenteuer. Du siehst ihn weit vor dir, hast den Eindruck, dich meterweise ranzuschieben und dann – läuft er an der Verpflegungsstelle einfach weiter, geht nicht pinkeln und ist wieder so weit entfernt, dass du ihn nicht mehr siehst. Aber meine Freunde, alle, alle, die ich so vor mir sah, hab ich gekriegt, den letzten 3 km vor dem Ziel. Und wenn der Lauf doppelt so lange gedauert hätte, hätte ich…
Diese Trance war Wirklichkeit, denn Km-Markierungen gibt es nicht, du verlierst dich im Nebel dieser milchstraßenweiten Distanz und läufst. Der erste Hinweis, den ich sah, war „noch 30,5 km“; und die letzten 5 km waren markiert. Alles wird irgendwann gleichgültig, außer 5:1, außer Verpflegungsstellen, außer Weiterlaufen.
2 km vor dem Ziel habe ich 8:45 auf der Uhr, ich weiß jetzt, ich kann unter 9 Std. bleiben. Ich erreiche Waren,… Strandstraße, Hafen, …Zielgasse, …Klatschen, eine hilfreiche Hand drückt meinen Arm mit dem Transponder an die Messstation. Ich habe es wirklich geschafft. Jan Prochaska war übrigens 3:26 Std. schneller als ich.

Fazit:
Am ersten Abend Muskelkater im Rücken im Bereich der Lenden und am Übergang vom Fuß zum Schienbein. Nach 1 Tag fast weg, dafür Pieksen an der rechten Kniescheibe (Kühlen hilft). Fußprobleme wie Blasen usw. 0,0. Erschöpfung ist deutlich mehr als ich es vom Marathon gewohnt bin. Marathon ist ein Spaziergang dagegen. Die Leute unter uns, die 100 km gelaufen sind, haben nun meine noch viel größere Hochachtung.
Werde ich’s wieder tun? Ehrlich gesagt, ich weiß es (noch) nicht. Man könnte sich schon jetzt für den Müritz-Lauf 2009 anmelden…

Und zum Schluss: läuferspezifische Hinweise.
- Der Lauf ist empfehlenswert, landschaftlich meist sehr schön, das Wasser sieht man allerdings weniger, als der Name vermuten lässt. Man muss es abkönnen, große Teile allein zu laufen. Zuschauer gibt es auch nur an den Staffel-Wechselpunkten in den größeren Orten.
- Die Verpflegung ist sehr gut (zumindest für meine Ansprüche), man müsste selbst nichts mitnehmen, auch die Abstände der Verpflegungs- und Wasserstellen ist ok.
- Schuhwechsel hat sich als überflüssig herausgestellt, meine NB755 haben mich gut über die Strecke gebracht.
- Ich habe mich hier ja schon öfter als Vertreter einer Trainingsphilosophie mit hohen KM-Umfängen geoutet. Ich bin nun noch mehr davon überzeugt. Falls ich noch einmal einen Ultra angehe, will und werde ich in der Vorbereitung mindestens 2/3 der Strecke im Training mehrfach laufen.
- Ernährungsbedarf unterwegs: Wenn’s gab, habe ich Cola oder Iso und Wasser getrunken; gegessen an jedem Verpflegungspunkt 1 Banane, manchmal einen halben Apfel und ein Stück Schokolade. Selbst dabei hatte ich Kekse (Prinzenrolle), davon habe ich 3 gegessen, den Rest meine Fahrradbegleiterin.











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