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Bericht

Name des Laufes:SCMT 100 km-Lauf Wien
mehr zum Lauf: VID127
Datum des Laufes:1.6.2003 (Sun)
Ort:Wien-Prater
Plz:A
Homepage:http://www.scmt.de/
Strecken:100 km
Beschaffenheit:Asphalt
Profil:eben
Wetter:ca 20 bis 25°, zuerst bedeckt mit Nieseln, später öfters sonnig, zwei kräftige Schauer
Teilnehmer:52 (+ 2 2er Staffeln)
Name des Berichtenden: wi(e)nfried LID32
Winfried aus

Bericht vom 17.7.2003 (Thu)
SCMT 100 km-Lauf Wien

Es ist Sonntag, drei Uhr in der Früh. Der Wecker hätte jetzt geläutet, wenn ich nicht schon vor ein paar Minuten aufgewacht wäre und ihn ausgeschaltet hätte. Zum Frühstück reduziere ich die übliche Müeslimenge und esse daür noch etwas Weißbrot, allzulange soll das Zeug ja nicht im Magen herumliegen. Auf den Espresso verzichte ich, um nicht zu viel wertvolles Wasser vor dem Start wieder loszuwerden.

Der Start im Wiener Prater ist schon für sechs Uhr angesetzt, eigentlich eine äußerst unfreundliche Zeit und normalerweise ein Grund dort nicht zu starten. Aber wenn ein 100 km-Wettkampf im Juni schon nicht in der Nacht, wie die berühmten 100 km von Biel, veranstaltet wird, ist es natürlich vernünftig, die kühleren Stunden in der Früh zu nützen. Die Anfahrt mit dem Auto ist um diese Uhrzeit sehr schnell und problemlos, eine Fahrplanabfrage bei den Wiener Linien hat ergeben, dass ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln schon am Vortag hätte anreisen müssen.

Die 100 km sind in 40 Runden zu 2,5 km zu bewältigen. Vom Start auf der Höhe des Praterstadions verläuft die Strecke schnurgerade auf der Hauptallee Richtung Lusthaus (http://www.magwien.gv.at/ma42/icons/hauptallee01.jpg), nach ungefähr 1,2 km biegt sie scharf nach rechts ab und führt in einem leichten Bogen auf einem schmalen und asphaltierten aber etwas unebenen Weg am Heustadlwasser (http://www.magwien.gv.at/ma42/icons/heustadlwasser1.jpg) entlang fast bis zur Stadionallee und von dort um einem Baum als Wendepunkt nach etwa 50 m wieder über die Ziellinie.

Als Zeitziel habe ich mir für den Anfang (schnellstenfalls) 11:00 pro Runde vorgenommen, also nicht schneller als 4:24/km; langsamer als 11:30 (4:36/km) sollte ich aber nicht sein, und ich hoffe dieses Tempo dann noch möglichst lange in der zweiten Hälfte halten zu können, und vor km 80 will ich möglichst unter 12:00 (4:48/km) bleiben, schließlich ist das bloß mein langsames Dauerlauftempo. Ob das klappen wird, kann auch vom Wetter abhängen: Jetzt hat es zwar schon 20°, dafür ist es aber bedeckt, vielleicht wird es sogar Regen geben. Die ursprünglich als Traumziel geplanten 7:30 erscheinen mir eher unrealistisch, dafür habe ich zwar das Anfangstempo ausgelegt, aber bei einem Ultra ist es nicht so kritisch, wenn man etwas schneller startet - und vielleicht geht es ja besser als gedacht.

Vor dem Start besichtige ich noch die im Aufbau befindliche Verpflegungsstelle, die 100 m vor dem Rundenende postiert ist, dort gibt es eine kleine Enttäuschung, da das Isogetränk nur eines mit normalem Zucker - also ohne Maltodextrin - ist, ob da wohl die Energiezufuhr ausreicht? Auf feste Nahrung möchte ich überhaupt verzichten, und das, was jetzt an Broten, Kuchenstücken und ähnlichem hergerichtet wird, scheint mir auch nicht allzu gut geeignet, um während des Laufens verspeist zu werden - und stehenbleiben um zu jausnen möchte ich auch nicht.

Inzwischen haben sich über 50 Läuferinnen und Läufer zum Start begeben, anstatt sich aber hinter der Startlinie zu drängen, stehen alle locker in Gruppen zusammen. Der für sechs Uhr angesetzte Start verzögert sich etwas, da eine Läuferin aus Ungarn den Start nicht rechtzeitig gefunden hat und erst ein gutes Stück mit Gepäck über die Hauptallee zum Start laufen muss. Es handelt sich dabei übrigens um Edit Berces (Weltrekordhalterin über 24 Stunden), deshalb stört es nicht, dass das Rennen erst acht Minuten verspätet mit einem Ton aus einem Muschelhorn beginnt. Edit, die im Gegensatz zu uns anderen schon gut aufgewärmt ist, setzt sich für die ersten 100 m gleich an die Spitze, ich bleibe vorerst unauffällig hinter ihr, während der Muschelhornbläser - einen Dauerton abgebend - auf einem Fahrrad vor den Läufern herfährt, über die um diese Uhrzeit menschenleere Hauptallee.

Bald darauf übernehmen aber zwei Läufer nebeneinander die Führung. Der eine von ihnen trägt ein Spartathlon-Laufshirt, das muss also Markus Thalmann sein, der dort (246 km von Athen nach Sparta) letztes Jahr Zweiter geworden ist und hier auf dieser Strecke vor zwei Jahren als erster Österreicher 100 km in weniger als sieben Stunden zurückgelegt hat. Wer der andere neben ihm ist, weiß ich nicht. Da mir die Weltrekordhalterin jetzt ein bisschen zu langsam läuft, überhole ich und bleibe mit einem Respektabstand von einigen Metern hinter Markus und dem anderen Läufer. Dort, wo die Strecke dann nach rechts von der Hauptallee abzweigt, stehen ein paar Hütchen, damit man nicht abkürzen kann, und man läuft nach einer fast 180°-Kurve auf den schmalen Weg, an dessen linker Seite man durch die Bäume auf das Heustadelwasser sieht. Nach ungefähr zwei Kilometern drehe ich mich um und bemerke, dass da überhaupt niemand mehr zu sehen ist; Markus Thalmann ist sowieso zu schnell für mich, also werde ich wohl wieder einmal allein laufen.

Beim Verpflegungsstand am Ende der Runde werden mir schon Becher mit dem Ruf "Iso! Wasser!" entgegengehalten. Später, wenn die Temperatur ansteigt, wird es sicher notwendig sein jede Runde zu trinken, aber nach den ersten 2,5 km habe ich noch keinen Bedarf und laufe weiter. Kurz vor Start und Ziel sind die Rundenzählertische aufgebaut, meine Rundenzählerin, bei der ich mich vorher - zwecks besserer Wiedererkennung - vorgestellt habe, sieht mich gleich, und freut sich anscheinend auch, dass einer ihrer Läufer gut platziert ist. Insgesamt sind die Rundenzählertische mit elf Personen besetzt, und jetzt um diese Uhrzeit machen sie einen nicht unbeträchtlichen Teil der Stimmung, sonst sind noch nicht viele Zuschauer da.

In den nächsten beiden Runden genehmige ich mir jeweils einen Becher Wasser, in der vierten setze ich damit wieder aus, nachdem ich davor rund 15 Sekunden bei einer Pinkelpause verloren habe. Nach 10 km liege ich damit nur ganz knapp über 44 Minuten, was ich mir als höchstes noch erlaubtes Anfangstempo vorgenommen habe. In den letzten Tagen habe ich noch überlegt, ob ich es nicht lieber mit 45:00/10 km probieren soll, da die letzten Trainingsläufe nicht besonders erfolgversprechend verlaufen sind. Auch jetzt ist der Puls mit knapp 160 schon um gut 5/min höher als er sein sollte, obwohl es erst knapp über 20° haben dürfte. Aber egal, letztes Jahr in Biel ist der Puls auch so hoch gelegen, und gegen Ende bin ich zwar deutlich langsamer geworden, habe aber immer noch viele Plätze gutmachen können; also laufe ich einfach einmal weiter.

Auf den nächsten Runden passiert nicht viel und so kann ich mich mit der Strecke vertraut machen; auf der Hauptallee gibt es außer der Kilometermarkierungen von den verschiedensten Rennen kaum eine Abwechslung - ein Kastanienbaum nach dem anderen - markant ist nur die achtspurige Brücke der Südosttangente (A23), vom Verkehr bekommt man aber kaum etwas mit, die Lärmschutzwände scheinen ihren Zweck zu erfüllen. Auch bis km 20 ist das Tempo immer noch ganz locker konstant zu halten, der Puls bleibt wo er ist, etwas zu hoch.

Bald nach Ende der 10. Runde, also dem ersten Viertel, höre ich plötzlich, dass sich von hinten Läufer nähern, und schon werde ich von Markus überholt. Jetzt sehe ich auch, dass der andere Läufer neben ihm ein Staffelläufer ist, ich also auf der zweiten Position liege. Auf meine Frage, ob er heute wieder unter sieben Stunden laufen wolle, meint er: "Naja, so um sieben vielleicht", wobei er allerdings nicht sehr zuversichtlich klingt. Er hat aber noch ein schönes Tempo (rund 4:00/km) drauf und ist bald wieder außer Sichtweite.

Das Wetter ist bisher recht nett gewesen, es ist meistens bedeckt und kurz hat es sogar genieselt, aber schön langsam kommt doch immer wieder die Sonne durch. Einmal muss ich zwar noch Wasser ablassen, aber da es spürbar wärmer wird, lasse ich jetzt in keiner Runde mehr das Trinken aus; bei den nicht ganz voll gefüllten Bechern, von denen man einen Teil sowieso auch verschüttet, komme ich eh kaum auf mehr als 0,6 bis 0,7 l pro Stunde, und die kann man bei höheren Temperaturen durchaus beim Schwitzen verlieren.

Irgendwann zwischen km 30 und 40 beginnt es sich dann doch etwas anders anzufühlen als bei einem Trainingslauf, aber die haben in diesem Tempo auch nie weiter als 20 km geführt. Nach der 16. Runde, also nach 40 km, bin ich schon knapp zwei Minuten über der geplanten Optimaldurchgangszeit von 2:56, ich versuche aber auch nicht unbedingt ein bestimmtes Tempo aufrecht zu erhalten, sondern laufe so weiter, dass die Anstrengung ungefähr konstant bleibt; die Rundenzeiten liegen jetzt um 11:15.

Rund 300 Meter vor Ende der 17. Runde sitzt einer mit Stoppuhr und Liste und nimmt meine Marathondurchgangszeit [3:07:32], als ob diese mutwillige Distanz heute von Bedeutung wäre. Interessanter ist da die Zeit bei der Streckenhälfte drei Runden später: mit 3:43:00 beende ich die 20. Runde. Das ist für eine Gesamtzeit von 7:30 natürlich schon zu langsam, vor allem beginnt das Tempo jetzt schon deutlicher zu sinken, aber gut, soweit bin ich auch schon seit 50 Wochen nicht mehr gelaufen. Die Beine machen zwar keine Probleme, ganz so locker wie nach 30 km sind aber nicht mehr.

Als nächstes interessantes Ereignis erwarte ich die zweite Überrundung durch den Führenden; wenn Markus die Tempodifferenz zu mir halten hat können, müsste er mich bei km 52 überholen. Am Rundenende kann ich nach dem Wendepunkt jeweils überblicken, wer sich gerade im Bereich von ungefähr 100 m hinter mir befindet, aber da nähert sich noch niemand, und vom Streckensprecher, der sonst mein Annähern - "Jetzt kommt wieder der Zweitplatzierte..." - meistens gemeldet hat, ist diesbezüglich auch nichts zu hören.

Na gut, dann gibt es heute eben keine neue österreichische Bestleistung, so günstig sind die Bedingungen schließlich auch nicht. Ein kräftiger Schauer, der inzwischen niedergegangen ist, bringt zwar kurz eine Abkühlung, als aber bald darauf wieder die Sonne herauskommt, wird es unangenehm schwül. Jetzt steht auch die Sonne schon so hoch, dass ich in der Hauptallee deutlich die höheren Temperaturen spüre wo ein alter Alleebaum fehlt und der nachgepflanzte noch nicht vor der Sonne schützt. Insgesamt ist aber der größte Teil der Runde im Schatten, und das ist gut so; dass sich die Beine nach 60 km nicht mehr so flott anfühlen, und das Tempo - zwar noch langsam, aber schneller werdend - sinkt reicht ja auch.

Inzwischen ist auch noch mein Onkel samt meiner 88jährigen Großmutter zuschauen gekommen, mein Vater istt schon einige Zeit davor dagewesen. Damit sich meine Oma keine Sorgen um ihr "armes Enkerl" macht, muss ich natürlich betont locker und fröhlich an ihr vorbeilaufen und ihr zuwinken, aber das fällt nicht besonders schwer. Zwischendurch hat es zwar schon am unebeneren Streckenteil etwas im Knie gezwickt, aber das ist bald wieder vergangen, und so kann ich mich über die bereits geschaffte Distanz freuen: schon 70 km, schon 75 km, also schon drei Viertel. Dass das Tempo weiter absinkt stört nicht besonders, solange ich nicht viel mehr als zwölf Minuten pro Runde brauche, schaffe ich die 7:45 noch.

Endlich, während ich gerade die 31. Runde (77,5 km) beende, höre ich, dass der Sprecher den Führenden ankündigt. Ich drehe mich um und sehe wie er gerade 50 Meter hinter mir auf die Zielgerade einbiegt. Er winkt mir zu, und ich winke freundlich zurück, schließlich ist er der einzige Läufer, den ich seit über 50 km nicht mehr gesehen habe; und schon seit km 52 habe ich auf die nächste Überrundung durch ihn gewartet. Er läuft immer noch mit einem Staffelläufer an seiner Seite - 100 km auf zwei Läufer aufgeteilt ist auch nicht gerade das, was ich unter einem gemütlichen Sonntag verstehe. Als mich Markus bald darauf einholt, meint er gleich, dass ich mir das Rennen wohl besser eingeteilt hätte als er, ich entgegne ihm aber, ich wolle lieber noch etwas abwarten. Aber er hat schon recht: bis zur ersten Überrundung hat es nur 26 km gedauert, bis zur zweiten weitere 52 km - allzu gut kann es bei ihm nicht mehr laufen. Für mich ist das natürlich sehr angenehm, da ich jetzt einen hochqualifizierten pacemaker habe; ich beschließe deshalb, an ihm so lang wie möglich dran zu bleiben.

Jetzt bekomme ich auch mit, wie das Publikum jeweils den Führenden empfängt. Er erzählt mir dann allerdings, dass viele davon zu seinem "Fanclub" gehören, die sich hier einen schönen Tag mit Picknick und Rennen-Zuschauen machen. Ich muss natürlich aufpassen, den Anschluss nicht zu verlieren und lasse deshalb auch die zusätzliche Verpflegungsstelle (nur Wasser), die vor einiger Zeit bei der Rundenhälfte aufgebaut worden ist, aus. Aber viel hat das Wasser, das ich dort vor allem zur äußeren Kühlung verwendet habe, eh nicht gebracht. Bei der großen Verpflegungsstelle kurz vor Rundenende stelle ich mit Befriedigung fest, dass auch Spitzenultraläufer zum Trinken ein paar Gehschritte einlegen.

Eine Erhöhung des Tempos hat das Laufen mit beziehungsweise hinter Markus Thalmann aber auch nicht gebracht, die 32. Runde ist über 12 Minuten, so wie die beiden davor auch schon. Eine der Vorgaben für den Lauf ist eigentlich gewesen, vor km 80 für keine Runde mehr als 12 Minuten (4:48/km) zu brauchen. Und gehofft habe ich, dass das auch nach km 80 nicht nötig sein wird, aber so wie die Beine sich jetzt anfühlen, ist schon das normale langsame Trainingstempo ziemlich mühsam. Aber das Dranbleiben am Führenden geht noch immer gut, und für die letzten 20 km bleiben mir noch knapp 1:55 um unter acht Stunden zu bleiben, das muss jedenfalls reichen.

Auf den nächsten Runden spüre ich immer deutlicher, wie die Schrittlänge kürzer wird, und ich schaue kaum noch auf die Uhr, und wenn, dann nur um zu sehen, dass der Puls jetzt schon in Richtung 150 absinkt. Aber egal, die Runden vergehen dem Gefühl nach noch halbwegs schnell, und den Führenden zurückzuüberrunden habe ich eh nicht vor. Kurz vor Ende der 35. Runde macht Markus Thalmann plötzlich mehr Tempo, und ich kann ihm nicht mehr folgen; er muss jetzt auch nur mehr 3 x 2,5 km laufen, aber auch für mich sind es nur noch fünf Runden, die fehlen. So gut wie geschafft eigentlich, jetzt kann ich mir ruhig schon vorstellen, wie schön die letzte Runde sein wird - nur eine gute Stunde noch!

Jetzt sackt mein Tempo zwar nocheinmal ein, und auch der Puls geht zeitweise auf unter 145/min zurück, aber im Gegensatz zum letzten Jahr in Biel macht mir das keine Sorgen, ich weiß, dass ich so problemlos noch weiterlaufen kann, im schlimmsten Fall kostet es ein paar Minuten. Für die letzten vier Runden wechsle ich auch noch vom Isozeug, das inzwischen die Farbe gewechselt hat und auch wieder in einem vernünftigen Verhältnis gemischt ist, auf Cola. Das soll gegen Ende des Rennens noch für einen Energieschub sorgen: Aah, ist das süß, aber die geschmackliche Abwechslung ist sehr willkommen.

Der erhoffte Schub bleibt vorerst aber aus. Als die Runden 37 und 38 noch langsamer als die davor geraten, beschließe ich, dass weder die letzte noch die vorletzte Runde die langsamste werden soll. Markus Thalmann ist inzwischen schon im Ziel, und wie ich dort vorbeikomme, wird meine Renneinteilung gelobt, auch dass ich meine bisherige 100 km-Bestzeit um vermutlich über eine halbe Stunde verbessern werde, wird den Zuschauern mitgeteilt.

Also gut, ein Blick auf die Tafel mit den Zwischenständen ergibt zwar, dass der Nächste hinter mir schon einen Rückstand von 10 km hat, aber schließlich ist das hier ein Wettkampf, es ist Zeit die Reserven zu aktivieren. Mit dem Wissen, die schurgeraden 1200 m auf der Hauptallee schon das vorletzte Mal zu laufen, fühlen sich die Beine auch wieder beweglicher an. Am Ende dieser Gerade, beim zusätzlichen Wasserstand trinke ich noch ein wenig, das muss dann für die letzten 3,8 km reichen, also kann ich bei der großen Verpflegungsstation am Rundenende mit den Worten "Danke, ich brauch' nix mehr" grinsend durchlaufen.

Gleich nach der Start- und Ziellinie versucht einer vom veranstaltenden Verein mir ein oranges Fähnchen in die Hand zu drücken, anscheinend soll das das Zeichen dafür sein, dass man sich auf der letzten Runde befindet. Da ich beim Laufen aber grundsätzlich nicht mehr als das Allernötigste - also meistens nur einen Schlüssel - dabeihaben möchte, ignoriere ich das geschickt. Dafür gesellt sich ein Läufer zu mir, um mich die letzte Runde zu begleiten. Jetzt geht es also endlich ein vierzigstes und letztes Mal über die Runde, die mir wider Erwarten inzwischen richtig sympathisch geworden ist.

Von der Stelle, wo die Marathonzwischenzeit genommen worden ist, lege ich für die letzten 300 Meter nocheinmal ein bisschen Tempo zu, das dürfte ungefähr 4:30er-Tempo sein, was für meinem Begleitläufer für eine Unterhaltung zu schnell sein dürfte und bei ihm deshalb für Seitenstechen sorgt. Hundert Meter vor dem Ziel bekomme ich dann doch noch die orange Fahne in die Hand gedrückt. So, jetzt noch einmal den Baum umrunden, noch einmal auf die Praterhauptallee einbiegen, noch einmal wieder beschleunigen und die letzten 50 m richtig genießen.

Die Ziellinie überquere ich mit erhobenen Händen und einem breiten Lachen in 7:48:13, und wildfremde Menschen, die im Zielbereich herumstehen und mich wohl schon öfters durchlaufen gesehen haben, kommen, um mir auf die Schulter zu klopfen oder die Hand zu schütteln und zu gratulieren. Nachdem ich mich ein wenig daran gewöhnt habe, nicht mehr weiterlaufen zu müssen, gehe ich zur Verpflegungsstelle. Jetzt kann ich endlich in Ruhe das komplette Verpflegungsangebot studieren und mich durch die verschiedenen Kuchen durchkosten.

Währenddessen kommt auch gerade ein Läufer vorbei, dessen Rücken mir vom häufigen Überrunden schon gut bekannt gewesen ist. Er lässt sich beim Essen und Trinken so viel Zeit, dass er mich auch nach meiner Zeit fragen und mir gratulieren kann; er hat noch etwa 30 km zu laufen, macht aber einen vollkommen fröhlichen Eindruck, ich glaube nicht, dass ich nach km 70 noch so locker war. Nochdazu wird er wohl noch einige sehen, die noch vor ihm fertig werden. Irgendwann läuft er dann doch weiter, und ich wünsche ihm noch viel Spaß auf den weiteren Kilometern. Jedenfalls ist es schön, dass man sich bei 100 km nicht so einen Stress machen muss.

Alle Teilnehmer können anschließend das gleich neben dem Ziel liegende Stadionbad benützen. Da ich es aber nach Hause nicht weit habe, und bis zur Siegerehrung - gleichzeitig mit dem Zielschluss um 19 Uhr - noch genug Zeit ist, fahre ich zum Duschen nach Hause. Erst beim Aussteigen aus dem Auto spüre ich, dass die Beine doch ziemlich "tot" sind. Nach dem Essen und ein bisschen Hinlegen (kurz bin ich auch eingeschlafen) fühlen sie sich noch schlechter an. Aber inzwischen weiß ich schon, dass sich das mit ein bisschen Bewegung wieder gibt.

Später bei der Siegerehrung bekomme ich neben dem obligaten Pokal auch noch einen Nussgugelhupf und ein Sackerl mit verschiedensten Sachen: Süßigkeiten, eine Ananas, ein Windspiel, Räucherstäbchen und so weiter. Dabei unterhalte ich mich auch noch länger mit dem Sieger. Unter anderem meint er, dass ich einen sehr schönen ökonomischen Laufstil hätte. Oje, ich weiß schon was das heißt: kein Kniehub, kein ordentlicher Abdruck, das werde ich mir für kürzere Wettkämpfe wohl wieder abgewöhnen müssen.


Runden- (2,5 km) und 10 km-Zeiten mit mittlerer HF (HFmax = 203):

10:53 155?
10:59 157
11:01 158
11:16 158 44:09 10 km 0:44:09
11:05 157
11:01 158
11:18 158
10:50 160 44:14 20 km 1:28:23
11:05 159
11:14 158
11:01 159
11:18 158 44:37 30 km 2:13:00
11:03 160
11:14 160
11:13 160
11:15 160 44:44 40 km 2:57:44
11:14 161 [offizielle Marathondurchgangszeit: 3:07:32]
11:21 161
11:16 162
11:24 161 45:16 50 km 3:43:00
11:33 159
11:37 158
11:38 158
11:41 157 46:28 60 km 4:29:28
11:40 158
11:46 157
12:03 156
11:58 155 47:27 70 km 5:16:55
11:57 155
12:11 155
12:10 154
12:03 155 48:21 80 km 6:05:16
12:20 154
12:33 153
13:02 153
13:12 147 51:08 90 km 6:56:24
13:32 145
13:21 145
12:42 148
12:15 150 51:49 100 km 7:48:13


Nachbemerkungen:

Beim Anschauen der Rundenzeitenliste kommt doch ein wenig Selbstkritik auf: ob Zeiten von 13 Minuten und mehr wirklich "nötig" gewesen sind? Ein bisschen Konkurrenz, die nicht zwei Runden vor oder vier hinter mir liegt, wäre natürlich auch nicht schlecht gewesen.

Damit bin ich von meinem Traumziel - 7:30 - das ich seit Dezember des Vorjahres im Kopf gehabt habe, noch ein schönes Stück entfernt, aber mit mehr Kampfgeist im letzten Viertel und kühlerem Wetter schaffe ich die hoffentlich doch noch einmal. Immerhin habe ich meine bisherige Bestzeit um über 38 Minuten unterboten, selbst wenn man die schwierigere Strecke von Biel miteinbezieht, bleibt ungefähr noch die Hälfte der Verbesserung übrig.

Ergebnisliste: http://ultramarathon.at/ultra/scmt/scmt_wien_2003.txt


Diese Seite ist zu erreichen unter www.kmspiel.de/?bericht=137


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