Lauf um die Welt!
 
 
Aktuelle Saison: 2023-2
Menü jeder km zählt
 
20.04.2024, der 6. Tag der KW 16

[ /Rennen | Berichte Übersicht | Bericht suchen | Neuen Bericht schreiben ]

Bericht

Name des Laufes:4. Run & Bike Neuzelle
mehr zum Lauf: VID1881
Datum des Laufes:7.5.2005 (Sat)
Ort:Neuzelle
Plz:D1
Homepage:http://www.run-and-bike.com/
Strecken:100k
Beschaffenheit:85% asphaltierte Radwege 15% kopfsteinlastige Waldwirtschaftswege mit unbefahrbarem Seitenstreifen aus tiefem Sand
Profil:85% flach 15% hügelige ... s.o.
Wetter:zeitweise Nieselregen bei 3-10°C
Teilnehmer:39 Teams
Name des Berichtenden:Britt Munzlinger-Grehl
(Autor-LID zuordnen: Login und [Edit])

Bericht vom 8.5.2005 (Sun)
"100k gefangen im polnischen Mobilfunknetz" oder: "Wie PMS und Altersstarrsinn in eine Teamwertung gelangen"

Einer plötzlichen (zugegebenermaßen durch Tobias' Suche nach einem Partner angeregten) Eingebung folgend, beschloss ich mich ebenfalls auf die Suche nach jemandem zu machen der ähnlich naiv an solche Unternehmungen herangeht wie ich. ;-)
Wahrscheinlich könnt ihr euch denken, dass dieser Mensch ein Dummer sein musste.
2 Telefonate (in denen erfogreich Argumente "dagegen" ignoriert und Bedenken bedenkenlos zerschlagen wurden) später saß ich auch schon im Zug nach Cottbus.
Der schwerste Teil der Vorbereitung bestand darin, mein Fahrrad davon zu überzeugen 100k durchzuhalten.
Nach zähen Verhandlungen war es dann soweit: Der örtliche Fahrradhandel war um eine Luftpumpe ärmer und mein Rad zeigte stolz seine neueste Errungenschaft im Zug umher.

Alex erwartete mich am Bahnhof, brachte mich sicher und komplikationslos nach Neuzelle.
Auf dem Weg dorthin machte mich mein Telefon darauf aufmerksam, dass ich nun in das polnische Netz eingebucht sei und wünschte mir viel Spaß. (Den hatte ich dann auch, nachdem ich sofort 5 Mitteilungen erhielt, dass ich doch bitte sofort eine dubiose Nummer zurückrufen solle) Ich liebe es wenn Vorurteile bestätigt werden. ;-)

Am Neuzeller Kloster eintreffend wurden wir uns langsam bewusst, dass diese Veranstaltung tatsächlich stattfindet und es nur ein Zurück gibt wenn sich einer von uns beiden beim Aussteigen aus dem Auto eine Cloossche Verletzung zuzieht.
Nein, auch die Nachmeldung verlief fast reibungslos. Wir hatten die Startnummern erhalten, einzig die Dreistelligkeit derselben irritierte mich etwas, denn laut Starterliste hatten die 100k-Starter zweistellige Nummern.
Nach meiner Nachfrage, ob sie denn sicher sei, dass sie uns für die gemeldeten 100k eingetragen hätte, bekam sie große Augen und fragte: "Ach sie wollen wirklich die *100*?"
Nachdem wir auch diese Chance ungenutzt verstreichen ließen uns erstmal auf die 42k-Hausfrauen (bzw. Sprintstrecke) zu begeben hatten wir noch 6h bis zum Start um 24.00Uhr Zeit.

Ich zog es vor mich in der Umkleidekabine auf die harte Bank zu legen und mir immer wieder mein imaginäres Spruchband anzuschauen:
"Es sind doch nur 100k...und die musst Du doch nicht mal durchlaufen. Es sind doch nur 100k...un die musst Du...usw...."

23: 00 Einfinden im Startbereich und argwöhnisches Beäugen der Mitstreiter. (Ohje... die sind ja alle so erfahren...die haben viel bessere Räder, viel vernünftigere Kleidung, nicht so viel Gepäck...viel mehr Getränke...und sind viel viel jünger...)
23:59 "Mama..."
24:00 unter Gepfeife und Gejohle machte sich die (fast ;-) )ausnahmslos gut gelaunte Meute im Nieselregen mitten in der Nacht auf den Weg, 100k im Oder-Spree-Gebiet zu belaufen und befahren. Bescheuerte Idee, das!
Alex lief den ersten 15min-Abschnitt recht zügig und ich war damit beschäftig ihn mitten in der Nacht wieder zufinden. Eine Bedingung lautete nämlich, dass der Radfahrer auf gleicher Höhe oder kurz hinter dem jeweiligen Läufer zu sein hatte.
Wir hatten uns auf einen 15min-Wechselrhythmus geeinigt, was einer Länge von 2,6-3k entsprechen sollte. Je nach Verfassung und Streckenprofil. Eine Zeit unter 10h war Bedingung.

Soweit die Theorie.

km10 Die ersten Dörfer waren schnell durchfahren (-laufen) und die Bewohner standen geschlossen am Straßenrand und feierten den Zug der Zirkusclowns.
Das Feld zog sich stetig auseinander und bald hatten wir tatsächlich die letzten Rücklichter aus den Augen verloren und waren allein auf weiter Flur.

km20 Mitten in der Nacht...im Regen...zur linken nur schwarze Dunkelheit und zur rechten schemenhaft zu erkennende Grenzpfeiler in schwarz-rot-gold (zumindest waren sie dreifarbig)
Während der Laufeinheit konnte man sich einbilden man sei in Biel. Dunkelheit, ein Klecks Helligkeit durch die Stirnlampe und die Aussicht auf nur noch 80k)
Jetzt wurde es mir schon langsam mulmig...wir waren noch gut in der Zeit (1:45) aber man merkte schon, dass man etwas getan hatte. Jetzt noch 80k? Unvorstellbar...

km30 und noch immer wollte Alex nicht begreifen, dass ich in Sachen Pünktlichkeit *etwas* zwanghaft bin. Er versuchte immer wieder mir das Fahrrad schon nach 14:48 oder 14:52 zu übergeben...aber ich bin stur und zickig immer noch 10m weiter gelaufen.
km35 und langsam wurde einem die ganze Misere klar. Wir waren jeweils noch keine 20k gelaufen aber man wünschte sich schon langsam das Ende herbei. Dunkelheit, Kälte und die immer wieder schnell überholenden Fahrräder konnten einen schon im Frühstadium zermürben. ;-)
Wenigstens hatte der Regen aufgehört und der Radfahrer konnte den wenig lichtverschmutzten Sternenhimmel bestaunen.
Mittlerweile hatten wir Anschluss an das Duo Infernale gefunden. Karl-Heinz und Adolf. Beide in der M65 und erfahrene Neuzeller Starter.
Karl-Heinz lief stur seinen Stiefel und zog immer das Tempo an wenn ich zum Überholen ansetzte.
km40 2. Kontrollpunkt und schon wieder Party... wir wurden namentlich begrüßt und aufgemuntert. Warmer Tee, Bananen, Brote und Zuspruch
Das Duo Infernale immer noch neben uns.
Daraus entwickelte sich eine wirklich nette Gemeinschaft bis km55. Wir überholten uns gegenseitig, bis Adolf mich beiseite nahm und sagte:
"Wir laufen viel zu schnell...wir brauchen doch unsere Kräfte noch"
Britt: "OK...dann machen wir jetzt langsamer"
Was passiert wenn jemand eine Schwäche zugibt?
Genau...er versucht diese Scharte auszuwetzen indem er noch mehr beschleunigt. Adolf wurde also wieder schneller bis ich endlich beschloss die Klügere zu sein. ;-)
Schlussendlich mussten Alex und ich die Beiden doch hinter uns lassen weil sie ihren Rhythmus verloren hatten und wir doch nur 10h Zeit hatten.

km55 Es war jetzt hell, aber immer noch nicht wärmer und das ganze Elend meiner Bekleidung kam ans Licht. "Eigentlich" war mein Plan gewesen meine alte und zerfetze Aufwärmhose vor dem Start auszuziehen und auch die Radjacke irgendwann gegen etwas Leichteres auszutauschen, aber mir war kalt, ich war müde und außerdem hatte ich meine Laufjacke in der Dunkelheit mit meiner Radjacke verreissverschlusst und es bedarf einiger Mühen die beiden voneinander zu trennen.
Es war aber auch blöd... beim Laufen wurde es warm bis unerträglich heiß und bei Wechsel auf das Rad war man nach 5min schon wieder ausgekühlt.
km60 Die Zeit verging mit Laufen-Rad-Laufen-Rad...nur leider verging nur die Zeit und nicht die km.
Jeder Kontrollpunkt (alle 20k) schien endlos weit weg und die 10k-Markierungen auf dem Weg waren mindestens ebenso weit entfernt.
Es war gar nicht so anstrengend, aber die schier endlose Strecke ließ einen doch ab und an in Panik verfalllen, die man aber tunlichst unterdrückte.
Ich war mir trotz beginnender Erschöpfung sicher, dass das Rennen erst in Kürze beginnen würde.
Das ist ja was ich an Wettkämpfen so hasse...dass man erst die ersten beiden Drittel hinter sich bringen muss um im Schlussabschnitt mit dem kämpfen zu beginnen.

km70 Auch hier war es wieder so... die Streckenposten staunten nicht schlecht als ich mit Nachdruck einen Verantwortlichen zu sprechen verlangte, weil ich wissen wollte wer sich so einen Scheiß ausdenkt.

km75 Hilfe... die Raum-Zeit-Sache gerät aus den Fugen...anders kann man das nicht erklären.

km80 Kennt ihr das Gefühl aus Träumen, in denen man läuft und läuft und dennoch nicht vom Fleck kommt. Alex bekam langsam ein Gefühl dafür was es heisst Marathon zu laufen und versprach bis Herbst noch fleißig zu trainieren. ;-)

km85... oder das Gefühl, dass man die absonderlichsten Vorkommnisse in Beziehung zueinander setzt nur um einen Schuldigen zu finden. Irgendwie, irgendwo, irgendwann kam ich dann auf Olzo. DER war schuld. DER setzt einem irgendwie Flausen in den Kopf...ich hätte niemals seine Cookies akzeptieren dürfen.

km90 *pah*...letzter Kontrollpunkt...nur noch läppische 10k... nur noch 4xwechseln (höchstens),
Zeit sich stadtfein zu machen und sich umzuziehen.
Also endlich trockene Sachen angezogen und festgestellt, dass 4kg nasse Kleidung doch ziemlich hinderlich waren.

km93 ...Ach... wieder so ein Stück Waldwirtschaftsweg ...kennst Du ja aus der Streckenbeschreibung...*pah* läppische 100 Höhenmeter auf 5k... *pah*. Es war die Hölle...die schlimmsten 3k meines Lebens... Für so einen Radweg würde ich die Stadt Falkensee verklagen...für die Neuzeller Organisatoren ist es wohl das Salz in der Suppe. ;-) Laufen war schon schwierig...aber Rad schieben ist hart...

km97 endlich wieder bewohnte Gegend und die ersten Bewohner klatschen und erzählen solch fiesen Lügen wie: "Gleich geschafft...Super...nur noch 3k"
Ich glaub' denen kein Wort... bin ja nicht blöd.

km97,5 "Super...ihr habt es gleich nur noch 2,5k..."
Lügenschweine...allesamt.

km98,5 Wechsel und in Sichtweite der nächste Partypoint. Wieder persönliche Begrüßung...wieder begeisterte Dorfbewohner...wieder der Spruch: Super...ihr seid gleich da...gleich kommt der letzte km" Langsam kammen die ersten Zweifel auf...was wenn die doch Recht haben?

km99 Der Teufelslappen! *boah ey...* Was für ein Gefühl... die paar Zuschauer am Straßenrand waren wirklich beeindruckt und applaudierten aus vollem Herzen und bei jedem bedankte ich mich für seine Herzlichkeit. Ich lief den letzten km als wäre nichts gewesen. Erschöpfung, Kälte und Schmerz war vergessen...sogar Olzo habe ich verziehen...

km100 ...und die Zielankunft war dann tatsächlich mal ein Ereignis. Soll heißen:
Ich freute mich tatsächlich und war sogar etwas euphorisiert.

Soweit die Praxis.

9:20:44 22. Platz 5. Platz in der Teamwertung.
(Mit etwas Abstand halte ich das für durchaus verbesserungswürdig...aber gestern waren wir schrecklich stolz :-) )
Die anschliessende Massage war göttlich und mir damit angemessen.
Beim Herumlungern im Zielbereich erwischten wir den Zeitpunkt als die um 0800 gestarteten 42k-Läufer und Fahrer ins Ziel kamen und meine Freude über den gutausehenden Läufer auf Platz 2 wich der beglückenden Erkenntnis, dass es sich um Tobias handelte der mit seinem Partner die 45(!)k in ca. 2:35 absolviert hatte. :-)

Das Bier (Neuzeller Klosterbräu) und der Big Tasty (McDreck) waren das allerleckerste Essen, welches ich jemals... *seufz* :-)

Fazit:
Ein empfehlenswertes Ereignis mit einer vorbildlichen Organisation und enthusiastischen Menschen. Frei nach E.Bay: "Immer wieder gerne"
Allerdings würde ich diese Strecke niemals! "nur" laufend hinter mich bringen wollen. Ich schwöre!

Dank nochmals an Alex, dass er diesen wirklich anstrengenden Blödsinn mitgemacht hat!

Danke für's Lesen und bis nächstes Jahr an der polnischen Grenze.

Britt












Diese Seite ist zu erreichen unter www.kmspiel.de/?bericht=954


Info Startseite | Regeln | Impressum | Datenschutz

News kmspiel Blog / Newsletter | Mini-Foren | neueste km / Log
Rennen Kalender | 7-Tage-News | Bestenliste | Berichte
Hilfe Handbuch | FAQ | Hilfe-Forum | Hilfeseite