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25.04.2024, der 4. Tag der KW 17

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Bericht

Name des Laufes:Weibertreulauf
mehr zum Lauf: VID1387
Datum des Laufes:27.2.2005 (Sun)
Ort:Weinsberg
Plz:D7
Homepage:http://www.tsv-weinsberg.de/la/
Strecken:HM
Beschaffenheit:10cm Neuschnee, keine Ahnung, was da drunter war :-)
Profil:hoch - runter - hoch - runter (ca. 60 Hm)
Wetter:-2°C, bedeckt bis sonnig, eisiger Wind
Teilnehmer:258, Finisher: 184
Name des Berichtenden:Jochen Förster
(Autor-LID zuordnen: Login und [Edit])

Bericht vom 28.2.2005 (Mon)
Bericht vom Weibertreulauf Weinsberg


[Geschichtsunterricht] Im Spätherbst 1140 belagerte und eroberte schließlich Kaiser Konrad
III. die Burg Weinsberg. Die Burgfrauen verlangten freien Abzug, da sie ja schließlich nicht
gekämpft und Widerstand geleistet hätten. Konrad, ganz Gentleman, gewährte dem
Weibsvolk die Freiheit mit soviel Hab und Gut, wie sie auf ihren Schultern mit sich tragen
konnten. Die treuen Weiber trennten sich von ihrer Schuhsammlung und schleppten
stattdessen ihre größten Schätze ? nämlich ihre Männer ? auf dem Rücken mit sich fort in die
Freiheit. Konrad fühlte sich um ein paar hypsche Hinrichtungen der Weinsberger geprellt,
stand aber zu seinem kaiserlichen Wort. [/Geschichtsunterricht]

Um 9:30 am Startplatz angekommen sah ich mit einem Blick, daß diese schöne Sitte nicht bis
in den Spätwinter 2005 überlebt hatte: Viel zu wenige Weiber, und die wenigen zwar
möglicherweise treu, aber viel zu zierlich für besagten Zweck. Selber laufen war also
angesagt. Das hatte ich irgendwie befürchtet, und so zog ich mir die mitgebrachten Trabucos
und die etwas dickeren Klamotten vom Markenhersteller TCM an. 10cm Neuschnee, eisiger
Wind und angekündigte ?5°C ließen einen eher ungemütlichen Lauf erwarten.

Die Halbmarathonis waren um 9:50h losgelaufen, und da war schon zu sehen, daß sich etliche
Teilnehmer von den Witterungsbedingungen oder den Straßenverhältnissen abhalten lassen
hatten. Tja, wäre ich bloß auch zu hause im gemütlich warmen Bettchen geblieben! So aber
hatte ich 9,8km auf verschneiter Strecke vor mir, die zwischen km 3 und 4 auch noch eine
fiese Steigung enthielt. Na, was solls? Nach viel zu kurzem WarmUp stand ich in der
Startaufstellung und machte mir meine Gedanken über die Lautsprecherdurchsage ?Bitte
unterwegs den Streckenhinweisen folgen oder einfach den Weg selbst suchen!". Na prima. 30
Sekunden vor dem Start fällt mein Blick auf die Polar und den leicht überhöhten Puls von 232
bpm. Komisch, soo aufgeregt war ich nun auch wieder nicht? Das war immerhin mein 4.
Wettkampf. Also Störsignale von anderen Polarbären? So hatte ich mir den OwnCode meiner
S210 aber nicht vorgestellt! (Auf der Rückfahrt wurde mir dann klar, daß ich dazu statt dem
T31 besser den WearLink genommen hätte... Soviel zum Thema WK-Routine).

Los gings die Bahnlinie entlang, schön eben zum Warmlaufen. Hier war der Untergrund auch
noch halbwegs geräumt, ein gleichmäßiger Tritt also möglich. Der 4:50er Schnitt fühlte sich
gut an, ich schonte meine Kräfte. Nach km 3 kam dann der Aufstieg. Hier wurde auch das
Geläuf anspruchsvoller, der Neuschnee war teilweise festgetreten (von den HMlern?),
teilweise in tiefen akelroraks (hach, was ist Inuit doch für eine schöne Sprache :-)
zusammengeschoben. Erfreulicherweise durchbrach in diesem Moment die Sonne die
Wolkendecke und wärmte uns Unverzagte, schnell verstaute ich Handschuhe und Stirnband in
den Taschen. Nach dem Höhenprofil im Internet sollte ab km 4 die Stegung irgendwann
hinter mir liegen, aber der Berg zog sich hin wie Kaugummi. Puls war bei 96%, am Berg
vertretbar. Die Atmung war da schon eher das Problem, viel schneller konnte ich nicht mehr
hecheln. Mein Schnitt näherte sich dem 6er-Tempo, so genau wusste ich das wegen teilweise
fehlender km-Schilder nicht. Ade, mein Traum von sub50? Aber endlich kam der
Wendepunkt in Sicht, ab dem es ab- und heimwärts ging. Ich verfiel auf meine Risikotaktik
und ließ es den Berg runter so richtig rollen. Das kostete zwar auch Kraft und vor allem
Konzentration, da ich teilweise neben der ?Spur" überholen musste. Dafür gewann ich ein
paar Plätze, und schließlich war das hier ja ein Wettkampf, oder? Bei km 6 freundlicherweise
mal wieder ein Kilometerschild, aber auf der offenen Fläche danach blies mir ein eklig kalter
Wind entgegen, der jeden Anflug von Freude erstickte. Na toll, erst verliere ich bergauf Zeit,
und dann kann ich es bergab nicht mehr wettmachen, weil der Gegenwind dermaßen bremst!
Frust, erster Gedanke ans Aufgeben. Aber was dann? Dann müsste ich trotzdem zurück zum
Parkplatz gehen. Also doch lieber weiterlaufen. Ich schmiege mich an meinen Vordermann
und lasse mich vom Sog seines Windschattens mitziehen.

Endlich km 8, die Burg kommt in Sicht, die letzten 2 km haben wir geräumte Straße als
Untergrund. Ich gebe Gas, überhole ein paar Läufer, mit denen ich zuvor eine stille Karawane
durch die schwäbische Eiswüste gebildet hatte. Ein Läufer überholt mich, ich hänge mich
dran. Das scheint ihm nicht zu gefallen: Er wechselt scheinbar grundlos die Straßenseite, ich
folge ihm nach links, er beschleunigt und zieht wieder nach rechts. Ah, das muß eines von den
berühmten renntaktischen Spielchen sein, ersonnen den Feind zu zermürben! Beeindruckt von
soviel Rafinesse und auch konditionell nicht mehr ganz in der Lage, dem rasenden
Schachspieler im Rösselsprung zu folgen, lasse ich ihn ziehen. Pferd schlägt Läufer, pardauz!
Aber der Frust dauert nicht lange: Da vorne zieht er schon wieder nach links, diesmal aber
offensichtich zum Getränkestand. Und: Er bleibt stehen, um einen Tee zu trinken! Na warte,
Bürschchen, denke ich mir. Abwarten und Teetrinken ist keine Siegertaktik. Ich ziehe an ihm
vorbei, dem Teetrinker und Warmduscher, und pushe meinen geplagten Körper an die
Leistungsgrenze. Dem vor Spannung nägelkauenden Leser sei verraten: Mr. Lipton hat mich
bis zum Ziel nicht mehr eingeholt.

So, der letzte Kilometer. Die Strecke ist wieder halbwegs vertraut, an der Bahn entlang, also
eben. Aber hier spüre ich die Grenzen meiner derzeitigen Kondition, die fehlende
Tempohärte. Ich muß bei jedem Schritt mit mir kämpfen, das Tempo zu halten und nicht
nachzugeben: Die sub50-Zeit kommt wieder in greifbare Nähe, die Zielzeit auf dieser
krummen Distanz auszurechnen fehlt mir der Sauerstoff im Hirn. Rennen, einfach nur rennen.
Der Magen meldet sich, krampft leicht und frägt, wo heute eigentlich das (Mittag-)Essen
bleibt? Ich sage ihm : ?Drin. Es bleibt da drin, wo es ist. Basta!". Magen an Großhirn: ?Pasta?
Lecker, prima Idee! Wann?". ?Ruhe da drinnen, alle Systeme bis auf die Beine in StandBy-
Modus!! Ende der Durchsage". Die Zuschauer am Straßenrand werden wieder mehr, ein paar
haben diese Faschingsrätschen dabei und machen einen höllischen Lärm. Ich kann das Ziel
schon erahnen. Die Straße kommt mir auch bekannt vor, sehr bekannt sogar. Ich sehe vor mir
nur noch einen Läufer, rot gekleidet, und den visiere ich an: Target locked. Und Feuer: Ich
schalte von Glykogen- auf pure Adrenalinverbrennung um, sprinte los wie blöd und überhole
den Roten in der letzten Kurve, stürme durch die Zeitnahme (Armbandchip) und versuche
einer aufdringlichen Frau zu entkommen, die mir im Ziel die Hand schüttelt und nicht mehr
loslassen will. Ich renne noch weiter, will den Zielraum freimachen, ein paar Schritte
auslaufen und mich irgendwo anlehnen, und schleife immer noch diese unbekannte Frau
hinter mir her, die meine Hand partout nicht loslassen will. Ein Groupie? Wenn das meine
Frau sieht... So langsam wird mir aber klar, daß die Dame mehr an dem Chiparmband
interessiert ist als an mir und ich lasse mir brav von ihr das Geschirr abnehmen. Ich lehne
mich über das nächste Straßengitter und lasse mich von meiner Frau zu einem heißen Tee
überreden.

Danach schnell nach hause, heißes Vollbad einlaufen lassen und Kaffee mit leckerem Kuchen
genießen, den meine Frau in der Sporthalle gekauft hatte, so lange ich unterwegs war. Soll
noch einer sagen, es gäbe keine treuen Weiber mehr!


Für die Statistik:

Plazierung: 8. von 30 in AK M35, Siegerzeit 36:55 (!) min.
Kilometerzeiten (teilw. interpoliert): 4:55, 4:50, 4:50, 5:37, 5:49, 5:00, 4:49, 4:49, 4:30, 4:08.
Schnitt: 5:01 min/km, neue HFmax: 195.


Diese Seite ist zu erreichen unter www.kmspiel.de/?bericht=791


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