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Bericht

Name des Laufes:Ismaninger Winterlaufserie 3. Lauf
mehr zum Lauf: VID883
Datum des Laufes:20.2.2005 (Sun)
Ort:Ismaning
Plz:D8
Homepage:www.tsv-ismaning.de
Strecken:HM
Beschaffenheit:schneebedeckt, mitunter sehr rutschig
Profil:eben
Wetter:0 Grad, bedeckt, windstill
Teilnehmer:880
Name des Berichtenden:Marcus Alleze
(Autor-LID zuordnen: Login und [Edit])

Bericht vom 21.2.2005 (Mon)
Eine kurze, lang gewordene Geschichte mit dem Titel:

Kennst du das Knacken, dass man hört, wenn die Moral bricht?

(oder: Geschichte vom Mann, der auszog Großes zu leisten, und dann aber eingenordet wurde.)

Schwul! Schwul! Schwul!
Wieso schon wieder vor meinen Augen? Wieso ich? Wieso jetzt? Habe ich die letzten knapp 2 Stunden nicht genug gelitten? Ist das fair? Wieso muss ich nun auch noch zusehen wie ihr beiden da Händchen haltend die letzten Meter lauft. Ich bin ein Tanzbär, manchmal werde ich ?schwarzer Kater? genannt, ich bin also ein TIER, und euch mach ich jetzt nass! Warum auch immer, ich spüre keine Schmerzen mehr als ich die Schrittfrequenz erhöhe, Endspurt ist wie Orgasmus, nur viel länger, und kurz vor dem Beginn des Zielkanals ziehe ich an den beiden vorbei und verspüre das, womit ich nicht mehr gerechnet habe: Glück. Das Leid weicht ein Lächeln in meinem Gesicht...ich bin im Ziel. Ich bin am Ziel. Da wo das Ziel ist, ist auch meine Ende.

**

Quiek-Quiek-Quiek...ich habe definitiv den ekelhaftesten Wecksound aller Neuburger. Um 6.50 schäle ich mich aus dem Bett. Kaffe, Toast mit Honig, ab ins Bad. Ich erwische die Brösel in meinem Kaffee, Breicheiz. Hätte ich das Glas Wein gestern nicht trinken sollen? Hätte ich doch vor 2 ins Bett sollen? War es keine gute Idee, am Vorabend noch ne kleine Runde zu laufen, Steigerungen am Ende? Der Zustand meiner Waden ist genauso erhärtet, wie der Verdacht, dass all das keine guten Ideen waren.

Um 8.00 holt mich Michi ab. Michi ist (m)ein Laufguru. Ein Tier. Läuft ohne Uhr und Pulsmesser, ein Blick auf die Strecke und er sagt seine Zeit, plus/minus 20 Sekunden, voraus. Er wird am Ende Dritter werden.

Eine amüsante Fahrt nach Isaming beginnt. Da wir die Ausfahrt verpassen darf ich mit meinem Münchenkenntnissen glänzen und dirigiere uns zielsicher durch Föhring zum TSV. Es ist 9.15, wir stehen in einer Schlange. Michi meint, steigt aus, zieht euch um. Wir springen schnell raus, ich zerre meinen Rucksack aus dem Kofferraum und übersehe ein wichtige Detail. Das Desaster nimmt seinen Lauf. Nur weiß ich es in diesem Moment noch nicht. Kurz angemeldet, Nummer 1876. 1876 ? Herr Bell erfindet das Telefon, Konrad Adenauer wird geboren, Guiseppe Ferrari stirbt. Sitting Bull und Crazy Horse vernichten die ?Amis? am Little Big River. Well done, guys! Nichts besonderes sonst.

**

Ich habe Durst! Ich habe Durst! Ich habe Durst! Ich bin am verrecken!
Ich bin bei km12, warte sehnsüchtigst auf die Verpflegungsstation. Man sagte mir etwas von dreien, die es gäbe. Bei ca. 6,5 war die erste, Mann, wie lange dauert das noch, das gibts doch nicht. Soll ich Schnee fressen? Kalt. Egal. Nein. Spinnst du? Du ruinierst dir den Magen. Aber du brauchst Flüßigkeit. ?RUHE!? herrscht die Vernunft die versammelten Gedanken an. ?Es gibt ja bald was! Denkt positiv! Singt!? Ich versuche wieder ein fröhlich Lied anzustimmen.

Es ist vorbei, es ist vorbei,...

Positiv!

Sind so kleine Biere, sind so schnell dahin...

Ich vermisse meinen Zaubertrank. Zu trinken gibt's erst bei km15 oder 16.

**

Beim Einlaufen finde ich Michi nicht mehr. Ich habe meinen Zaubertrank verloren als ich die Tasche aus dem Auto geholt habe. Ein nach Empfehlungen aus dem Forum, Natalies Maltorezept und den Erfahrungen des Kirchheimrunners auf mich zugenschnittenes Mix aus Kamillentee, Honig, Malto und Salz. Ich finde Michi nicht. Vertröste mich auf den Start. Aber auch da. Nix. Kein Michi. Ich spreche die Nr. 1622 an ? es ist Günther. Aber nicht Günthi. War er wohl doch der noch langsamere auf der letzten Ergebnisliste. Die Nummer habe ich vergessen. Ich werde nervös. Panisch. Mein Zaubertrank. Die flüssig gewordene Hoffnung, die 1:50 wert ist. Ich suche Michi. Sabine34 spricht mich an. Hallo, ja, mein Zaubertrank. Ich rede nicht, ich winsele.(Entschuldigung Sabine, ich war nicht ich selbst. Bin eigentlich viel netter. Aufmerksamer.). Ich gehe nach hinten durch treffe den ?schnellen? Günther. Er wollte jemanden auf 2h ziehen, aber der ist nicht da. OK, wir peilen so 1:50-2h an. Es geht los.

**

Lava. Es muss Lava sein. Dickflüssige Masse, heiß, zäh, die den Körper von innen verbrennt und beamtengenau in jedes noch so kleine Eck kriecht. Meine Waden brennen. Die Anzahl der Läufer, die ins Gehen verfallen nimmt zu. ES spricht zu mir: mach das auch, ganz kurz, ganz kurz nur, es wird dir gut tun. Da hallt aus dem Nichts die mahnende Stimme des Kirchheimrunners: Gehen ist keine Erleicherung, im Gegenteil! Oh Mann....

Rape me, rape me, my friend...do it an do it again....

Aggressiver Kopfsound gegen schlechte Gedanken. Ich vergewaltige dich mental, Schweini. Leiden sollst du. Nicht ich. Km18 kommt auf mich zu. Wo bleibt das Powergel? Ich gebe 1,50 für eine ekelhaft süße, klebende Schleimmasse aus und nun kommt da nichts. Verdammt. Aber nur noch 3km. Die letzten km waren trotz allem 5:45er Schnitt. Gefühlte 6:50. Schmerzen wie bei 2:30.

**

Die ersten km's gehen locker dahin. Wir machen zusammen einen guten 5:30er Schnitt. Nach km 6 der erste Tee. Zitronentee. Statt Zaubertrank. Die Strecke geht hier noch halbwegs. Mitunter glatte Stellen unter der harten Schneedecke, nach ca. 2km geht's auf einen Feldweg, der mal mehr, mal weniger abfällt und entsprechend mal mehr, mal weniger rutschig ist. Km 7. Die erste "geistige" Runde. Statt 36:24 sind wir bei 38:10. Bei den Bodenverhältnissen, die hier noch einigermaßen gut waren, finde ich das ok. Ich habe mich drauf eingestellt das es tendenziell auf 1:55 hinaus läuft. So zwei, drei Mal haben die Absätze meiner Mizunos schon mal gegen den Knöchel geschlagen, unvermeidlich bei dem Untergrund, trotzdem schmerzend. Nach km9 verspüre ich eine innere Unruhe, keine Ahnung was das ist. Ich bin ein Tanzbär.

Turn da lights down low...

Reggae bringt mich wieder runter.

**

Walle! Walle! Manche Strecke,
daß zum Zwecke
Kohlehydrate fließen,
Und mit reichem, vollem Schwalle
Zu dem Muskel sich ergießen!

Verdammt! Wo bleibt die Wirkung des Powergels? Ich will meinen Zaubtertrank! Das Schild für km19 habe ich nun schon drei mal gesehen, nur die Strecke grinst mich dreckig an sagt: is nich!. Amtlich vermessen bedeutet, dass meine Halluzination nicht gilt. Vielleicht haben Sie es vergessen? Bestimmt haben sie das Schild für km19 vergessen. Oh mann, sie haben das Schild vergessen...

**

54:34 ? km10 strahlt mich an. Noch reicht die Blutversorgung aus um daraus eine 1:56er Endzeit hochzurechnen. Ich habe doch noch Power, also ist 1:55 zu packen. Ich sagte ich habe noch Power! Wo bleibt die innere Stimme die laut ruft: Sir, YES, sir! Sir, Power, Sir! Ich rufe nochmal in mich hinein. Keine Antwort. Muss da jemand aufgeweckt werden?

Space may be the final frontier, but it's made in a Hollywood basement,Cobain can you hear the spheres, singing songs off station to station, and Alderon's not far away
It's Californication

Es tut sich nichts. Unruhe kehrt ein.

Beim km12, 13 rum verliere ich Günther, ich gehe mein Tempo, er hat sich zurück fallen lassen. Ich überlege. Langsamer? Meine Beine melden: dieses Tempo und kein anderes! Ist das klar! Günther läuft seit 2,5 Jahren, der schafft das locker ohne dich! Das war die Wende. Ich gehorche meinen Beinen, nicht mehr sie mir. Anschwellender Sirenklang im Unterbewusstsein.

Das Hirn schreit zu diesem Zeitpunkt nur noch hysterisch nach etwas Flüssigem. Ich verfluche mich, weil ich meinen Zaubertrank vergessen habe, ich verfluche die Lauferei, ich verfluche den rutschigen Untergrund, ich verfluche die ausgefallen Trainingstage, ich verfluche alle meine Exen(weil ich grad am verfluchen bin). Ich glaube Schweini versucht nun langsam die Kontrolle zu übernehmen.

Völlig ausgebrannt, liege ich nun da, mein Herz liegt in Scherben, ich will sterben(...)Jetzt ist gut! Ist gut jetzt! Ich hab dich fast vergessen! Ist gut, es ist vorbei! Ich glaub du bist es mir nicht wert, du hast mich mal zerstört, doch jetzt ist gut.

km14 passiere ich bei 1:17:xx; ein Anhaltpunkt für den ersten WK des Ingolstädter Laufcups. Werde dort 1:10 anpeilen in 3 Wochen. Und: ich kann die 1:55 noch schaffen, sie sind in Schrittweite, denke ich. Ich bin ein Narr. Ich weiß es nur zu diesem Zeitpunkt nicht.

km 15,5 (oder so).Endlich komme ich am ?Getränkemarkt? vorbei, gierig schlucke ich den Tee, verfalle kurz ins Gehen, sauge den Rest Powergel aus dem Tütchen, habe es vorher einfach mal ohne Wasser genommen. Hoffnung. Wenn das Zeug wirkt, dann ziehe ich nochmal an, noch ein wenig was schinden. Es wird nicht wirken. Ich werde mich schinden. Aber ich werde nicht mehr schneller. Nur leerer.

**

km20. Darauf habe ich gewartet. Seit km15 zähle ich runter, ich verfluche die Strecke mehr und mehr, es ist rutschig, manch einer stürzt dem Ziel entgegen. Im Ziel wird einer von einer Unverschämtheit sprechen. Aufrecht laufen, Hände an den Hosenbund. Wieso haut eigentlich immer der rechte Absatz an den linken Knöchel? Durchhalteparolen bestimmen das Gedankenwirrewarr. Ich bekomme keine Songtexte mehr zusammen.

Ich bin Schnappi, der große graue Berg, und dich habe ich totgerannt.

Höhnisches Gelächter schallt wabern durch die letzten aktiven Instanzen meines Gehirns. Stelle mir vor, meine beiden Kids warten auf mich im Ziel. Dazu (m)eine Traumfrau. Mit stolzem Lächeln. Singen geht nicht mehr, Bilder malen schon. Schweini kleckst Deckschwarz auf meine Bilder.

Michi kommt mir entgegen, macht mir Mut. Eine erste kleine Steigung. Die Waden brennen. Nicht höllisch. Schlimmer. Ich kenne kein deutsche Wort, dass das beschreiben könnte. Wahrscheinlich gibt es keines. ?Nur noch 1200, 1300 Meter, du hast es gleich?...?Michi, sag doch 1,2 Kilometer, das klingt nach viel weniger als 1200...? winsele ich ihn an. Vor mir sehe ich wie es nach einer kleinen Unterführung links um die Kurve geht. Unterführung heisst, erst runter, dann rauf. Das "rauf" verwandelt sich in den Bannstrahl für meine Wade. Statt langsam hochzutraben verfalle ich in meinen ?Bergaufstechschritt?. Das ist zu viel. Die rechte Wade ist schlagartig in einen lange angekündigten, und dennoch unverschämten Spontanstreik getreten. Das ist der Knacks in der Moral. ES hat die Gewalt über meine Wade übernommen. Ein Trojaner in der Butbahn. Ich gehe. Schei..e ich gehe. Schmach. Schande. Pein. Ich gehe. Ich will heulen. So knapp vorm Ziel. Wieso habe ich nicht einfach die Steigung gemütlich genommen? Sterben wäre jetzt eine Erlösung. Zu Staub zerfallen. Hide in shadows. Nur weg hier.

?Die Zehenspitzen nach oben ziehen, und dann ganz langsam wieder anfangen zu laufen? muntert Michi mich auf...ich ziehe die Zehenspitzen nach oben...verfalle leicht wieder ins traben. Wie weit bin ich gegangen? 100 Meter? Ich habe versagt. Ich sehe das Schild: km21 ? sie haben das Ziel abgebaut. Dieses Deppen! Michi erklärt es geht noch ein Stück geradeaus, dann ins Stadion und da nochmal ca. 200m. Aaaargh! Schweine! Das sind ja 21,4km oder so! Ach, wahrscheinlich sogar 22!

Ich biege ins Stadion ein. Ich weiß das Lied nicht mehr das lief, dachte mir nur: Ihr Zyniker!. Und was sehe ich dann, 100m vor mir: Vor mir die zwei, denen ich ne zeitlang hinterher gelaufen bin, sie reichen sich ganz zärtlich die Händchen.

Schwul! Schwul! Schwul!

* * * *

Meine Zeit weiß ich noch nicht. Bei km18 habe ich die Stoppuhr so verdrückt dass sie stehen blieb. Ich hoffe dass zumindest die magische 1 ganz vorne steht. Es würde aber zum Bild passen wenn es eine 2:00:01 wird...

Fazit: Die Strecke an sich war schön, der Untergrund aber v.a. Nach km15 besch... zu laufen. Ich habe in den letzten Wochen zu wenig getan, mich zu sehr in Sicherheit gewogen. Ich werde mich wieder mehr meinem Zuhälter, den man gemeinhin als meinen Trainingsplanautoren kennt, unterwerfen. Pulsanzeige ist unnötig im Wettkampf. Ich habe bitter nötige Erfahrungen gesammelt.

Beim HM in Ingolstadt will ich die 1:45 schaffen. Nein, ich werde dort 1:45 schaffen. Mit Zaubertrank und griffiger Strecke wären heute 1:50 - 1:53 gegangen. (Ich muss das so schreiben. Wegen der Motivation.) Schweini hat mich kurz zum Gehen gebracht. Das habe ich nun akzeptiert. Aber ich verlange Satisfaktion!

Ingolstadt, ich komme. Das Feuer brennt. (Meine Waden auch noch).

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!


Diese Seite ist zu erreichen unter www.kmspiel.de/?bericht=783


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