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Bericht

Name des Laufes:Sparkassenmarathon 2004
mehr zum Lauf: VID804
Datum des Laufes:25.9.2004 (Sat)
Ort:Koblenz
Plz:D5
Homepage:http://www.sparkassenmarathon2004.de
Strecken:10k/HM/MA
Beschaffenheit:fast nur Asphalt
Profil:topfeben
Wetter:14° C, leicht windig, trocken
Teilnehmer:4000 Anmeldungen
Name des Berichtenden:Jochen Förster
(Autor-LID zuordnen: Login und [Edit])

Bericht vom 26.9.2004 (Sun)
Nachdem ich mir im Mai bewiesen hatte, daß ich die 10km unter 50min schaffe und diesen Leistungsstand 1000 Trainingskilometer später bei 27° praller Mittagssonne mit 51:44 auch tendenziell bestätigt hatte, fühlte ich ich mich endlich reif für mein Jahresziel 2004: Einen Halbmarathon zu bestehen. Die 21km war ich jetzt im Training 5mal gemütlich gelaufen (~2:20h), nachdem ich zuvor meinen langen sonntäglichen Lauf kontuinierlich von 15 km entsprechend ausgedehnt hatte. All das lief ohne Beschwerden, auch die zugehörige Wochenleistung von 50km hatten meine Füße klaglos hingenommen. Animiert durch die Anmeldung eines Arbeitskollegen, reichte ich also meine Startunterlagen zum Sparkassenmarathon 2004 (Kategorie HM) in Koblenz ein. Das Primärziel "Ankommen" schien mir allerdings zu unambitioniert, nach dem Rumspielen mit diversen Temporechnern im Internet (danke, drsl.de!) hielt ich einen Zielkorridor von 1:50 bis 2:00h für durchaus realistisch. Mit meinem Kollegen einigte ich mich während der Zugfahrt nach Koblenz auf einen 5:30er Schnitt.

Nachdem auf der letztjährigen Nudelparty wohl irgendwann die Nudeln alle waren, hatte der diesjährige Veranstalter vorgesorgt und präsentierte die Nudeln samt Soßen weitgehend geschmacks- und salzfrei. Mit Erfolg. Blieb also nur Carboloading in der flüssigen Variante, aber das umständliche Hantieren der Mädels beim Biermärkchenkauf sollte wohl auch diesen Kompensationsansatz verhindern. Tat es auch, und so lag ich um halb Elf nach dem Wetterbericht im Bett: Wenig Regen und 15° sollte es geben. Nun denn, schlimmer als bei meinem letzten Trainingslauf am Donnerstag konnte es kaum werden: Da war ich auf meiner Hausstrecke gegen Ende in einen stürmischen Regenschauer geraten, bei dem nun wirklich alles zu spät war. Selbst ein heißes Vollbad konnte den leichten Schnupfen nicht ganz abwehren.
Apropos VWKG: Pünktlich vor dem Wettkampf hatte sich natürlich auch die Batterie meiner Polar abgemeldet :-( Und ohne die fühle ich mich irgendwie underdressed. Aber wer weiß, vielleicht war ich ja mittlerweile auch soweit, das optimale Tempo anhand Körpergefühl und Zwischenzeiten abzuschätzen?

Los ging es dann am nächsten Morgen erstmal damit, daß es nicht losging: Während des Warmlaufens hörten wir die Durchsage, daß alle Starts um 15 min verschoben wurden, weil irgendein Bus mit Läufern noch auf der Autobahn war. Wahrscheinlich hatte der Vorstand der Sparkasse Wichtighausen von unterwegs angerufen, daß er verschlafen hatte... Na prima, und wozu war ich um 6:00h aufgestanden? Zu einer Zeit also, wo sich meine Biokurve noch in undefiniertem Zuständ befindet und meine Träume sicher nicht davon handeln, 3 Stunden später durchs kalte, nasse Koblenz zu rennen. Aber wenigstens die Verspätung war pünktlich, und so sortierten wir uns um 8:50h nach dem Start der Marathonis und der 10er in die Menge ein, sorgsam den Fehler vom letzten Volkslauf vermeidend, aus lauter Bescheidenheit im letzten Starterdrittel in der Mutter-und-Kind-Abteilung zu stehen.

Die Strecke sollte uns vom Stadion Oberwerth zum Deutschen Eck und dann die Mosel entlang fast bis zur Eisenbahnbrücke und wieder zurück führen. Alles topfeben und asphaltiert, also höchst bestzeitenträchtig. Aus Angst vor Regennässe und auskühlendem Wind hatte ich auf eine Doppellage Kurzärmeliges oben und meine 3/4-Tights vom Markenhersteller TCM gesetzt (sorry, asics kann ich mir nicht leisten :-)), was ich schon nach den ersten Kilometern bereute: definitiv zu warm :-(. Die gegen eventuell einsetzenden Regen aufgesetzte Kappe konnte ich ja wegstecken, aber ohne Hose riskierte ich sicherlich eine Disqualifikation, zumindest aber den bösen Wolf.

Ab km3 machte ich meinen Laufkumpan mehrmals darauf aufmerksam, daß wir eher auf einen sub5:00er Kurs waren. Er quittierte mit Kopfnicken und lief weiter. Weitere Hinweise der wohlgemeinten Art verhallten ohne Wirkung auf unser Lauftempo. So überließ ich ihm nach und nach die Führungsarbeit, sprich: ich ließ in ziehen. Sollte er doch überpacen, selber schuld, ich wollte mich nicht schon auf der ersten Hälfte verausgaben. Was andere Läufer um mich herum offensichtlich schon geschaftt hatten, da ich in dieser Phase die ersten Überholmanöver verzeichnete. So suchte ich mir nach bewährtem Muster immer einen neuen Schrittmacher aus, den ich nach ein paar Minuten jeweils wieder hinter mir ließ. Und das alles bei wunderbar gleichmäßigem 5:00er Schnitt, den ich nun akzeptiert hatte und der sich einfach gut anfühlte: Damit lauf ich meilenweit! Aber was war das? Das orangefarbene Hemd, das ich vor ein paar Minuten überholt hatte, war aus dem Augenwinkel immer noch zu sehen. Nach einigen weiteren hundert Metern riskierte ich nochmal einen kurzen Blick über die Schulter: Das auffällige Shirt gehörte einer Frau vom "Lauftreff der Sparkassenversicherung" und war anscheinend nicht abzuschütteln. Und da ich ein wohlerzogener junger Mann bin, frage ich sie also, wo sie hinwill und ob ich sie ein Stück mitnehmen kann. "5er Schnitt" und "ja" war die Antwort, und so liefen wir den Rest der Strecke gemeinsam. Und das war der Beginn einer wunderbaren Laufpartnerschaft: Als in der zweiten Hälfte die ersten körperlichen (schwere Beine) und mentalen Schwächen ("Was willst Du eigentlich? 2h wären für Deinen ersten HM doch ganz o.K.") auftraten, wollte ich mir dies natürlich nicht anmerken lassen und biss eben die Zähne zusammen. Umgekehrt hielt ich bei den Verpflegungsständen, wo sie Wasser fasste, das Tempo aufrecht und zog sie somit wieder auf Zielkurs. Erinnerte mich ein wenig an das Windschattenfahren beim Rennradfahren früher.

Bei km10, kurz vor dem Wendepunkt, hatte ich 49:40 auf der Uhr, schneller war ich bisher nur in einem 10er-WK gewesen! Erste Glücksgefühle rauschten durchs Blut: Jetzt geht es heimwärts! Von nun an war auch der Lauf etwas abwechslungsreicher, da uns das ganze Feld nach uns auf der Gegenspur entgegenkam. So konnte ich hin und wieder einen laufenden Arbeitskollegen aufmuntern und erfuhr nebenbei, daß mein Geleitschutz auf den Namen Dagmar hörte. Als ab km13 der Gegenverkehr wieder weniger wurde, versuchte ich mich zu beschäftigen bzw. abzulenken, indem ich aus den Marathon-Kilometerangaben meine restliche Laufstrecke berechnete. Nach drei Versuchen gab ich es auf: Mein gesamtes Blut war eben in den Beinen, da blieb nix fürs Hirn übrig. Irgendwie ja auch sinnvoll. Also orientiere ich mich doch lieber an die HM-Kilometrierung, die freundlicherweise auch so groß ist, daß mein blutleeres Sehzentrum sie interpretieren kann. Jedesmal der Blick auf die Uhr, fast synchron mit Dagmar: Immer noch 5:00er Schnitt. Ich bin fasziniert von meinem Körper, der einen Kilometer nach dem anderen runterspult. Beim nächsten Blick auf die Uhr ein kleiner Schock: 4:05 sagt die Anzeige. Was soll denn das heißen? Das ist weder die korrekte lokale Uhrzeit noch meine Laufzeit oder sonstirgendwas Sinnvolles, was die Uhr jetzt anzeigen sollte. Ist denn gar kein Verlaß mehr auf so ein simples Stück Technik wie eine einfache Stoppuhr ohne Pulsmesser, GPS-Empfänger oder Barometer? Ist doch nur eine Batterie, ein paar Drähte und ein paar hundert (?) Transistoren, irgendsoein blöder Quarz vielleicht noch undwasweißich. Warum verreckt dieses moderne Stück Technik nach einer Stunde, während mein - evolutionsmäßig betrachtet - jahrzehntausende alter Körper läuft und läuft und läuft? Moment - dachte ich gerade: "eine Stunde"? Das war die Lösung: Die Anzeige meines No Name Chronometers unterschlägt einfach nur die führende "1"! Vor Erleichterung mache ich einen Satz nach vorne, daß Dagmar ins Schwitzen kommt.

Um den Schweißverlust durch mein overdresstes Beinkleid auszugleichen, nehme ich beim nächsten Verpflegungsstand doch mal ein Wasser mit, von dem sogar ein bemerkenswerter Anteil seinen Weg ins Innere des Läufers findet. Dem Isozeugs mißtraue ich, wer weiß, was das für eine Marke ist :-) Jetzt wird es allerdings langsam auch happig mit der Kondition. Die Beine wollen nicht mehr so recht, meine Atmung, die bisher immer deutlich ruhiger und gleichmäßiger gewesen war als die der Läuferin und Läufer um mich rum, wird hörbar. Ich muß jetzt öfters in die mentale Trickkiste greifen, stelle mir den entsprechenden Laufkilometer auf meiner Heimatstrecke entlang der Rems vor, den Geruch nach feuchtem Laub, vom Kaffee, der zuhause auf mich wartet, meine Frau. Das funktioniert so bis km18, als mein Magen sachte anfängt zu krampfen. Vielleicht war das mickrige Brötchen mit Nußnougataufstrich (das Original-Markenprodukt! :-) zum Frühstück doch ein bisschen zu karg, von den Nudeln gestern ganz zu schweigen. Also probiere ich am nächsten und gleichzeitig letzten Verpflegungsstand eine halbe Banane. Eßtechnisch kein Problem, allerdings habe ich keine Ahnung, ob ich feste Nahrung in so einer Situation überhaupt vertrage. Ist aber auch egal, die letzten Kilometer stehe ich jetzt irgenwie durch, nehme ich mir vor. Diesen Vorsatz kann ein Läufer vor uns (vermutlich ein Marathoni) nicht mehr verwirklichen, er fängt plötzlich an zu taumeln und muß von seinem Nebenmann gestützt werden. Schnell sind drei DRKler zur Stelle, aber es bleibt ein mulmiges Gefühl. Irgendwann um km19 lege ich dann den Hebel zum Reservetank Adrenalin um, ignoriere die mindestens 2 Blasen, die ich schmerzhaft durch die Socken erahne, bekämpfe den zu erwartenden Muskelkater mit einer Vision vom heißen Vollbad, besser: vom eigenen Haus mit Sauna. So bin ich wieder ein paar Minuten abgelenkt. Da oben im Dachfenster im ersten Stock feuern zwei kleine Kinder mit Bravo-Rufen und zusammengeklatschen Topfdeckeln uns Läufer an. Wetten, Mutti wünscht sich zu Weihnachten ein neues Topfset? Den 5:00er Schnitt können wir jetzt nicht mehr ganz halten, der Puffer auf eine 1:45 schwindet. Aber wenn die Kraft weiter so gleichmäßig nachlässt, ist noch eine 1:44:XX drin. Das wäre doch der Hammer für meinen ersten Halbmarathon, bei dem geschätzten Zielkorridor! Zähne zusammenbeißen. Mit dieser Zeit könnte ich sogar in der vorderen Hälfte des Klassements landen, ein Traum! Zähne fester zusammenbeißen. Auf meiner Hausstrecke (kurzer gedanklicher Ausflug...) muß ich zum Schluß immer noch die 90 Höhenmeter von der Rems hoch nach Neustadt bewältigen, das sollte doch Kraftreserven für die letzten Meter geschaffen haben. Vielleicht sogar für einen Endspurt. Aber ab wo? Die Strecke kommt mir mit einem Mal vertraut vor, déj? vu, muß so ca. 1:40h her sein. Da vorne der Stadioneingang. Eine scharfe Biegung noch, dann Vollgas, ich kündige Dagmar die Treue und stürme ins Stadion, überhole auf dem Weg ins Ziel noch drei verdutzte Läufer und beende meinen ersten HM mit 1:44:49. Damit werde ich insgesamt 365. von 844 männlichen Finishern und 82. von 163 in meiner AK, verpasse also den Sprung in die erste Hälfte denkbar knapp. Mein Kollege kam 1 Minute vor mir ins Ziel. Macht aber nix, weil andere AK :-)

Beim Verlassen des Stadions hält der Bus zum Bahnhof direkt vor uns, wir stolpern direkt in den EC nach Mannheim, der Anschlußzug ist pünktlich, ich muß kaum auf die S-Bahn warten, und während ich diese Zeilen tippe, gewinnt der VfB sein Heimspiel 3:0. Sportlerherz, was willst Du mehr?

P.S.: In 10 Tagen geht´s dann ins Höhentraining auf Madeira. Meine Frau ist der Meinung, wir hätten 14 Tage Wanderurlaub gebucht... :-)


Diese Seite ist zu erreichen unter www.kmspiel.de/?bericht=582


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