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25.04.2024, der 4. Tag der KW 17

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Bericht

Name des Laufes:17. Waiblinger Stadtlauf
mehr zum Lauf: VID395
Datum des Laufes:8.5.2004 (Sat)
Ort:Waiblingen
Plz:D7
Homepage:http://www.waiblingen.de/
Strecken:10k
Beschaffenheit:Asphalt, Kopfsteinpflaster, Schotter
Profil:170 Hm
Wetter:Böiger Wind, bedeckt, 12°C, trocken
Teilnehmer:http://www.waiblingen.de/sixcms_upload/media/36/ergebnis.htm
Name des Berichtenden:Jochen Förster
(Autor-LID zuordnen: Login und [Edit])

Bericht vom 9.5.2004 (Sun)
Nach einem Jahr regelmäßigem Lauftraining (www.drsl.de?warum=19) wollte ich es nun endlich wissen und hatte mir zur Standortbestimmung einen 10er vorgenommen, der gleichzeitig mein erster Wettkampf überhaupt sein sollte. So ganz ohne Anhaltspunkte über mein Tempo wollte ich allerdings nicht starten, also lief ich in den Wochen zuvor 2 Testläufe auf meiner Standardstrecke (10km): Den ersten mit 63:18, den zweiten mit 54:17. Da der erste Testlauf kurz nach einer Impfung lag, ignorierte ich ihn und nahm den zweiten als Maßstab. Aber war sub55 wirklich ein realistisches Ziel? Man liest ja immer wieder, daß man im Wettkampf deutlich schneller als im Training läuft, wegen Adrenalin, Zuschauern oder wasauchimmer. Aber wieviel schneller? Auf der anderen Seite hatte ich hatte überhaupt keine Wettkampferfahrung, das Wetter war kalt und ungemütlich, böiger Wind und drohender Regen erschwerten die Wahl der optimalen Kleidung. Nicht einmal bei der Entscheidung Kontaktlinsen vs Brille war ich mir sicher: Wenn es anfing zu regnen, war ich als Brillenträger der Depp. Bekam ich hingegen bei einer Windbö ein Staubkorn unter die Linse, war ein tränenreicher Lauf programmiert. So viel zum Thema last minute VWKGJ...

Die Auswahl des Wettkampfes verlief pragmatisch wie bei meinen Laufstrecken auch: Möglichst keine oder geringe Anfahrt. Der Waiblinger Stadtlauf verläuft in 5 Runden á 2 km durch die Waiblinger Innenstadt und den Bürgerpark. Auch so eine Geschichte: Das Rumrennen in Runden finde ich eigentlich öde, deshalb laufe ich ja immer über die Felder und nicht auf dem Sportplatz. Beim Bahntraining würde ich sicher einschlafen oder den Drehwurm kriegen. Aber vielleicht hilft mir als Wettkampfneuling ja diese Möglichkeit, meine Zwischenzeiten besser zu kontrollieren und so von Runde zu Runde mein Tempo zu optimieren? Allerdings sah ich beim warmlaufen auf der Strecke schon die engen, kurvigen Gäßchen und die kurzen aber fiesen Anstiege, der knackigste kurz vor dem Zieleinlauf, wahrscheinlich damit die Zuschauer auch ja die verzerrten Gesichter der Läufer geniessen können. Sadistenbande! Nach meiner Rechnung hat die Strecke 170 Höhenmeter, wobei ich mir allerdings unsicher bin, wie das offiziell gerechnet wird: Nur die Differenz zwischen höchstem und niedrigstem Punkt, wie die Bergwanderer das wohl machen, oder aber alle Anstiege zusammengezählt, was ja wohl eher die Leiden des Jungen Läufers widerspiegelt?

Fragen über Fragen also, aber ich würde ja eine knappe Stunde Zeit haben, die richtigen Antworten zu finden. Und wenn die Zielzeit miserabel würde, tja, dann hatte ich wohl eine der vielen Entscheidungen im Vorfeld falsch getroffen. Prima Sache, diese Lauferei - man hat immer eine Ausrede :-)

Aber jetzt genug gejammert, rein in die langen Laufklamotten, Kontaktlisen eingesetzt und amtliche sub60 als Minimalziel und 55min als heimliches, ehrgeiziges Privatziel angepeilt. Kurz vor dem Start hüpfe ich wie die anderen ein wenig auf der Stelle rum, um mich warmzuhalten, mache ein paar professionell aussehende Dehnübungen und bin mir ansonsten sicher, meinen Puls nicht mehr künstlich hochschrauben zu müssen. Das Wettkampffieber hat mich voll im Griff! In einem Anfall von Demut ("bloß niemandem im Weg stehen!") und Wettkampftaktik sortiere ich mich ganz hinten im Starterfeld ein: "Lieber überholen als überholt werden". Das Thema Uberrundungen verdränge ich professionell. Der Startschuß knallt, scheint aber niemanden getroffen zu haben, denn das Feld setzt sich zügig in Bewegung. Mein einziger Gedanke ist jetzt: Nur nicht überpacen, nicht vom Rennfieber antreiben lassen und dann nach der Hälfte schlappmachen. Aber warum laufen die denn alle so langsam bergab? Da geht´s doch von alleine, da kostet abbremsen doch nur unnötig Kraft! Also: Weg da, schnöde Theorie, aus dem Weg, Läufer vor mir! Ich lasse mich treiben, schiele ab und zu auf die Polar, 95%, alles im Lot. Nach ein paar Minuten verlassen wir die enge Innenstadt und es geht in den Bürgerpark, wo uns eine halbwegs eben Strecke für den Altstadtparcour entschädigt. Ich finden meinen Rhythmus, atme schnell, aber gleichmäßig und längst nicht so laut wie der Kerl neben mir. Das nervt mich, also gebe ich Gas und suche mir einen anderen Nebenläufer aus. Sofort zwinge ich mich wieder, die Geschwindigkeit zu drosseln, nur nichts übertreiben, bevor ich die erste Rundenzeit kenne. Das Feld hat sich jetzt spürbar gestreckt, ich habe mir einen Vor-Läufer ausgesucht und hänge mich an ihn dran. Der Ratschlag aus drsl, sich einen hübschen Hintern rauszusuchen und dem einfach hinterherzulaufen, scheint nicht praxistauglich: Erstens laufen kaum Frauen mit und zweitens gehören die paar sehenswerten Hinteransichten zu Läuferinnen, die definitiv eine andere Zielzeit anstreben. Spielverderberinnen! Also fällt meine Wahl notgedrungen auf einen männlichen Leidensgenossen, und so komme ich wenigstens nicht auf dumme Gedanken...

Wir passieren uns dem Getränkestand, keiner will was, und schon geht´s wieder fies bergauf in Richtung Start/Ziel. Mannomann, ob das mal 5 Runden gut geht. Apropos Runden, schnell die Polar auf Zeitanzeige umstellen, Herfrequenz 98% interessiert jetzt nicht. Ein kurzer Blick, ich traue meinen Augen nicht: 9:30min, und da vorne ist schon der Zieldurchlauf! Mist, denke ich, ist es also doch passiert: Du bist das Rennen zu schnell angegangen und wirst auf allen Vieren ins Ziel kriechen. 10er Schnitt, das rechnet sich leicht, bedeutet Zielzeit 50 Minuten, das hältst Du doch nie durch! Sofort contra: Und wenn doch? Läuft doch alles super, ist sogar noch etwas Reserve drin. Also was jetzt? Die Unvernunft siegt, ich korrigiere mein Ziel auf 50:00 und versuche das Tempo zu halten. In der zweiten Runde habe ich schon etwas Routine, lasse es bergab weiterhin laufen, während andere um mich rum hier unsicher sind und bremsen. Egal, ich muß meinen eigenen Rhythmus finden. Bergab also schnell, dann in der Ebene wieder etwas drosseln, HF 95%, das passt. Jetzt muß ich schon mehr aufpassen, den Anschluß an meinen Vordermann nicht zu verlieren, denn ohne einen zu laufen ist schwieriger, das merke ich bereits. Zum zweiten Mal in die Stadt rein, den Anstieg zum Ziel rauf. Ein kurzes Keuchen rechts hinter mir, und ein Läufer zieht in einem Wahnsinnstempo an mir vorbei. Überrundet! Ich fasse es nicht: Während ich auf meine 4km zulaufe, überrundet der mich, läuft also doppelt so schnell. Nee, stimmt das? Ich 4 km, also muß er 6 km haben, das heißt, Mist, ich kann nicht mehr rechnen, das bedeutet jedenfalls, daß er wahnsinnig viel schneller ist als ich. Schön, soll er doch. Trainiert wahrscheinlich auch seit seiner Kindheit dafür, der arme Kerl. Kein Maßstab für einen Hobbyläufer, der erst vor einem Jahr wieder angefangen hat regelmäßig zu laufen. Also lasse ich mich nicht demoralisieren, und der Blick auf die Uhr an der Zielline gibt mir recht: 19:30. Uff, Tempo gehalten und sogar noch ein bißchen Luft drin. Weiter so!

Die Strecke kommt mir beim dritten Durchlauf schon fast vertraut vor, ich weiß, wo ich Gas geben darf und wo ich mich zurückhalten muß. Meinen Vorlaäufer überhole ich bergab, warte dann unten auf ihn, verdammt, wo bleibt der Kerl? Egal, suche ich mir eben einen neuen. Da vorne, das gelbe Shirt: Mein nächstes Opfer. Etwas Tempo anziehen, geht doch, dann in seinem Windschatten wieder ausruhen. Die Ebene im Park fühlt sich gut an, meine Atmung auch noch. Zwischendrin zwinge ich mich, ein paar Züge tief durchzuatmen. Fühlt sich gut an, der gleichmäßige Atemrhythmus stellt sich sofort wieder von alleine ein. Überhaupt funktioniert mein Körper jetzt wie eine Maschine, ein Uhrwerk. Der Getränkestand nähert sich erneut. Apropos Maschine: Braucht mein Körper jetzt Wasser? Trinken, bevor der Durst kommt, schiesst mit durch den Kopf. Aber wie soll ich das machen? Ich will meinen gleichmäßigen Tritt keinensfalls drosseln. Mal schauen, wie die anderen das machen: Aha, gar nicht. Aber soll ich nicht vielleicht trotzdem - zu spät. Der Stand liegt schon hinter mir. Naja, vielleicht nächste Runde... Ich steuere jetzt auf die 6 km zu, bergauf ist wieder happig, ich überhole den ersten Läufer, der sein Tempo wohl deutlich überzogen hat. Gutes Gefühl, ich habe meine Kräfte wohl besser eingeteilt als der. Polar wieder auf Zeitanzeige schalten: 29:30. Wahnsinn, ich kann also das Tempo halten. Jetzt nur nicht übermütig werden, ermahne ich mich. Einfach das Tempo halten und allenfalls kurz vor Schluß, also in Sichtweite vom Ziel, einen Endspurt riskieren.

Wieder die bepflasterten Gassen runter, gottseidank regnet es nicht, sonst läge ich schon längst auf der Fresse. Das gelbe Shirt wird mir zu langsam, ich ziehe vorbei und nehme mir - ja Pustekuchen, da ist keiner mehr. So, denke ich, jetzt kommt der wirklich schwere Teil: Tempo halten ohne Orientierung und Vorläufer. Aber woher soll eigentlich mein Vorläufer immer das richtige Tempo kennen? Keine Ahnung, interessiert jetzt auch keinen, muß ich jetzt halt alles selber machen. Ist das dann wohl die Einsamkeit des Langsreckenläufers? Nun ja, ein Runner´s High wäre mir jetz enschieden lieber. Stattdessen werden die Beine langsam schwerer. Kein Krampf, keine Schmerzen, keine verrutschten Socken: was verlangst Du eigentlich noch? frägt jemand in meinem Kopf. Schon gut, antworte ich, man wird ja wohl wünschen dürfen. Huch, was ist denn das für einer vor mir? Da hat sich ein Fußgänger auf die Rennbahn verirrt. Der Streckenordner tut sein bestes, den etwas abwesend wirkenden Landstreicher aus seinem Parkrevier zu vertreiben. Vergeblich. Nun ja, schliesslich renne ich ja in seinem Wohnzimmer rum, oder in seiner Küche. Ah, Trinken: Ich nehme mir fest vor, dieses Mal einen Becher zu schnappen und zu trinken, damit mein Körper nicht mangels Flüssigkeit schlapp macht. Außerdem habe ich schließlich dafür bezahlt: Teilnahmegebühr 7? inkl. einem Getränk. Also her damit, sagt der Schwabe in mir, und ich peile den letzten Becher auf dem Biertisch an. Schnapp, hab ihn. Aber warum schenken die Mädels denn so sparsam ein, ist ja deutlich unter dem Eichstrich? Zwei Schritte später weiß ich es. Das Wasser rinnt mir am Hemd runter. Mist, wie trinkt man beim laufen, während man den Mund auch noch zum Schnaufen braucht? Da hätte sich die Evolution doch noch einen separaten Wasserstutzen einfallen lassen können. Egal, beim dritten Anlauf bekomme ich einen halben Schluck Wasser in den Mund, gerade genug, um die austrocknneden Schleimhäute zu erfrischen. Tut das gut! Aber die ganze Aktion lenkt mich auch tierisch ab. Hoffentlich hat das nicht wertvolle Zeit gekostet? Einen Anstieg und 30 Sekunden später bin ich beruhigt: 39:30. Ich bin immer noch im Plan, meine Beine tun das, was ich ihnen ein Jahr lang mühsam andressiert habe: Sie laufen.

Nicht so toll läuft es bei einigen anderen Läufern, die jetzt deutlich langsamer geworden sind und von mir überholt werden. Und wieder einer. Ich überlege, ob eigentlich das große Feld der Läufer eher hinter mir ist oder vor mir. Keine Ahnung, mir fehlt jede Orienterung. Und das auch wörtlich: Ich renne auf einmal durch eine Gasse, sehe keine Zuschauer oder Läufer mehr, keine Ordner, Absperrungen oder sonstwas und gerate in Panik: Du Idiot hast Dich verlaufen! Das war´s! Zu blöd, die selbe Strecke ein fünftes Mal zu rennen? Was jetzt? Umdrehen oder weiterlaufen? Nicht anhalten, entscheide ich. Und puh, hinter der nächsten Häuserecke sehe ich wieder die vertraute Absperrung, ich bin also noch im Kurs. Merkwürdig, wie man sich über so ein simples rot-weiß gestreiftes Band freuen kann. Aber jetzt wird es trotzdem kritisch: Bergauf fehlt mit entschieden ein Zugtier. Ich werde wieder überrundet, will mich an den Überholer hängen, gebe aber gleich wieder auf. War´s das jetzt? Nur nicht nachdenken, einfach laufen, sagt eine frische Stimme in meinem Kopf. Schon wieder eine Stimme? Scheint ja heute ´ne ganze Party da oben los zu sein. Hoffentlich lässt mit einer ein Bier übrig :-) Aber die letzte Stimme hatte was eindringliches, ich taufe sie mal A. Drenalin. Und tatsächlich läuft mein Körper wieder wie von alleine im gewünschten Trott, die Beinmuskeln können das eigentlich gar nicht mehr sein, was mich jetzt vorantreibt. Zwei gelangweilte DRKlerinnen feuern mich müde an, ich danke überschwenglich. Die Damen vom Getränkestand lächeln mich einladend an, dankeschön, aber trinken übe ich lieber ein andermal wieder. Ein letztes Mal passiere ich die Stadtmauern Waiblingens, biege um die Ecke in die Zielgreade. Auf halber Strecke zwischen mir und der Zielline sehe ich einen recht langsamen Läufer, ein etwas älterer Herr. Den packst Du noch! befiehlt einer meiner Partygäste laut grölend. Ehe ich weiß, was da los ist, zieht ein Ruck durch meinen Körper, ich schaufele mit beiden Armen, drücke mit meinen Beinen und fliege dem Ziel entgegen. Ich sehe niemanden, höre niemanden mehr, will nur noch den einen Läufer überholen. Das klappt, merke ich, stolpere über die Ziellinie in die viel zu enge Auslaufzone, suche was zum Festhalten, mein Magen krampft zusammen, meine Polar faselt was von 102%. Mit zittrigen Fingern wechsle ich in die Zeitanzeige und starre fassungslos aufs Display: Die Stopuhr ist bei 49:09min stehengeblieben. Wahnsinn!!!

Nach einer Minute Japsen und Keuchen bekomme ich wieder genug Luft und bin mir einigermaßen sicher, daß ich meine individuelle Kotzgrenze nur knapp verfehlt habe. Erschöpft und ein wenig stolz zwinkere ich meiner Frau zu, damit sie weiß, daß sie sich nähern darf - normalerweise will ich in ähnlichen Situationen erst mal alleine sein. Aber jetzt brauche ich Publikum. Auch meine Schwägerin und deren Mann, die mich angefeuert hatten, kommen zu mir und gratulieren. Ich bin überglücklich und kurz vorm Heulen. Wahrscheinlich das überschüssige Adrenalin. Ich merke langsam, wie kühl es eigentlich ist und ziehe meinen Jacke an, um kurz ein paar Läufer anzufeuern, die jetzt ins Ziel kommen. Ich weiß ja jetzt selber, wie gut das tut. Einer läuft nach der Zielline noch weiter, die arme Socke muß wohl noch ´ne Runde drehen. Bin ich froh, ich hab´s hinter mir. Und zwar als 79. in der Gesamtwertung bzw. 18. von 30 M35ern (Ergebnisliste: http://www.waiblingen.de/sixcms_upload/media/36/ergebnis.htm). Darauf bin ich erst mal mächtig stolz. Und außerdem habe ich jetzt auch herausgefunden, wieviel schneller ich im Wettkampf sein kann.

Ach ja: Ein ganz besonderes Dankeschön geht an die beiden ca. 10jährigen Mädels, die mich und alle anderen Läufer beim Spielplatz im Bürgerpark immer unermüdlich angefeuert haben: "Weiter, Du schaffst es! Dabei sein ist alles! Hopp, hopp, hopp!". Das war einfach klasse.


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