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Bericht

Name des Laufes:Karstadt Ruhr-Marathon
mehr zum Lauf: VID361
Datum des Laufes:25.4.2004 (Sun)
Ort:Dortmund - Herne
Plz:D4
Homepage:http://www.karstadt-marathon.de/
Strecken:HM
Beschaffenheit:Asphalt
Profil:Flach mit leichten Steigungen, besonders auf den letzten Marathon-Kilometern
Wetter:sonnige 18-20° (geschätzt),stahlblauer Himmel
Teilnehmer:>22.000
Name des Berichtenden: joerg505 LID111
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Bericht vom 26.4.2004 (Mon)
Begeistertes Publikum beim Ruhr-Marathon peitscht Marathonis ins Ziel

Die Knie noch etwas labbrig, die Oberschenkel und Waden etwas buttrig, so fühle ich mich jetzt nach dem Ruhr-Marathon. Aber im ICE sitzend, wieder zurück nach Berlin fahrend lasse ich die Eindrücke revuepassieren. Hier mein subjektiver Laufbericht:

Mit dem Shuttle-Bus, lange vor dem Start in Dortmund an der Provinzialstraße angekommen, genieße ich die angespannte Stimmung vor dem Start. Strahlend blauer Himmel, aber es ist noch etwas frisch. In der Sonne lässt es sich aber aushalten. Der Start der Skater war beeindruckend. Sollte man dem Moderator Glauben schenken, dann waren die so schnell, dass sie eine Blitzkiste ausgelösten.

Langsam werde ich nervös, der Puls zwischenzeitlich auf 115, reihe ich mich in den Startblock "D" ein und entdecke ein Schild: 4:00 steht darauf. Also gehe ich noch rund 50 Meter weiter zur Startline. Eine La Ola-Welle und die Menge fiebert dem Startschuss entgegen. 5, 4,3,2,1 und los geht's. Der Startschuss ging in der Begeisterung der Läufer unter. Die Dortmunder an den Absperrungen feuern uns an, der Funke der Begeisterung springt über. Aber zunächst laufen wir ganz langsam, dann etwas schneller, doch nur im lockeren Trim-Trab-Tempo. Ich will schneller, es geht aber nicht. Das Publikum am Straßenrand tobt. Ein Schild kurz nach der Startline: "Nur noch 42 km." Ruckzuck sind wir in Bochum-Langendreer, jetzt geht's zum Opelwerk. Mir ist schon viel zu warm und ich ziehe meinen dünnen Pullover aus, binde ihn um die Hüfte.

Die Opelaner treiben uns mit Hupen in das Presswerk. In der rund 350 m langen Halle herrscht eine tolle Stimmung. Die Opelaner feuern uns an, jubeln uns mit einem Begleitkonzert von Gabelstapler-Hupen zu. Live-Musik begleitet die den Marathon-Wurm der Läuferinnen und Läufer durch die Maschinenhalle. Es duftet nach Maschinenöl. Ich kennen diesen Geruch von verschiedenen Jobs in der Industrie. Lange habe ich das schon nicht mehr gerochen. Über den Durchfahrten der gegliederten Halle hängen riesige Schilder mit Slogans: "Qualität sichert unsere Arbeitsplätze" oder so. Zum meinem Laufnachbarn sage ich grinsend: "Im Osten hat's so was auch gegeben: Für das sozialistische Kollektiv! So hieß das wohl damals". Er lacht sich schlapp.

Raus aus dem Opelwerk Richtung Wittener Straße gibt es frische Orangenstücke, wirklich leckere Orangen, kein Billig-Zeug. Alle zwei bis fünf Kilometer gab es als Verpflegung Bananenstücke und Wasser. "Was für eine tolle Organisation", freue ich mich. Das Mobiltelefon läutet. Eva, eine Freundin aus Bochum, schickt mir per SMS die besten Wünsche und ich freue mich riesig darüber. Als der Wurm der Läufer sich die Wittener Straße Richtung Innenstadt bewegt, bimmelt es zum zweiten mal: Mein Vater ist dran und kündigt an, dass er am Hauptbahnhof steht - eine gute Gelegenheit den Pullover los zu werden. Jetzt geht es an dem Haus vorbei, wo ich einen Teil meiner Kindheit verbrachte. Ruckzuck sind wir am Hauptbahnhof.

Jemand brüllt meinen Namen, da ist mein Vater und hilft mir meinen Pullover von der Hüfte los zu binden. Und schon geht es weiter zum Nordring. "Ah, da ist doch die Pommesbude mit der legendären Dönninghaus-Curry-Wurst", denke ich. Aber ich habe jetzt keine Zeit für einen Zwischenstopp. Und es ist wohl auch nicht die beste Verpflegung beim Marathonlauf. Endlich kann ich mein gewohntes Tempo laufen, denn ich bin schon acht Minuten hinter meiner geplanten Zeit. Schließlich will ich ja die magische Vier-Stunden-Marke knacken. Zügig geht es nach Herne. Die "Ruhries" machen uns Beine und treiben uns an, manche mit einem Bierglas in der Hand am Grill stehen. Eine super Stimmung. Ich hatte es auch nicht anders erwartet.

Ich bin guter Dinge, noch sind alle Systeme im grünen Bereich. Hatte ich doch noch in den Tagen vor dem Start ein Ziehen im rechten Oberschenkel. Nach rund 15 km liege ich wieder in meinem geplanten Zeitrahmen. Zügig geht es dem Halbmarathon-Ziel in Herne entgegen und schon merke ich eine leichte Spannung in den Beinen. Auch die Knie melden sich zu Wort: "Muss das sein? Mach mal langsamer!" "Nein", faucht die innere Stimme, "nicht jetzt!"

"Halbmarathonzeit: eins-paar'n-fünfzig. Prima", freue ich mich, "weiter so, noch ein wenig schneller." Doch es wird schwerer, als wir nach Gelsenkirchen rennen. Und schon sind wir da. "Ah da vorne geht es nach links - nein doch nicht - ah, das ist eine Wendeschleife", denke ich. Dabei geht es zunächst leicht abschüssig und die Schritte werden schneller. Nach dem Wendepunkt geht es leicht bergan und die Beine wollen irgendwie nicht so wie ich will. Ich werde langsamer, beiße die Zähne zusammen und treibe die Muskelmaschinen mit meiner Willenskraft an. Zwischen km 23 und 25 gebe ich nach. "Ok", sage ich meinen Waden und Oberschenkeln, "ihr bekommt was ihr wollt." An einem Laternenpfahl gestützt mache ich meine "Männekes": rechte Hacke zum Hintern, linke Hacke zum Hintern. Waden dehnen links, Waden dehnen rechts. Das war's. Weiter! Und tatsächlich es läuft sich besser. Ich lege wieder Tempo zu, überhole Etliche und kämpfe mich durch den - inzwischen in die Länge gezogenen - Marathon-Wurm weiter nach vorne. Die Strecke wird hügelig. "Das ist ja echt gemein!" sage ich mir. Bergan wird's langsamer, mit kleineren Schritten aber gleicher Schrittfrequenz. Dabei überhole viele, die die "Berge" rauf gehen. Bergab lass' ich's laufen und und ziehe wieder an vielen Mitläufern vorbei. Die Gelsenkirchener sind klasse: Alles was Krach macht wird benutzt, um uns Dampf zu machen. Das treibt uns voran. Die leichten Schmerzen in den Knien sind schnell vergessen, und das zerren in den Oberschenkeln lässt nach.

"Ah, da kommt ja schon die Zone mit dem "Kraft-Gel. Ich habe das noch nie probiert", denke ich. Also schnappe ich mir gleich drei Tütchen mit dem Brei und klemme sie mir am Trinkflaschengurt fest. Begierig auf neue Erfahrungen teste ich gleich das erste Tütchen. "Uhhhhh! Äääääh. Bah, ist das fies - einfach ekelhaft. Dagegen ist ja Haferschleim eine echte Delikatesse!" Denke ich, als ich den letzten Rest runter würge. Aber nach ein paar Minuten merke ich, es hilft tatsächlich. Es mobilisiert doch noch einige Kräfte. Es geht wieder prima voran. Doch nach knapp einer viertel Stunde macht sich so ein Drücken im Bauch bemerkbar. Etwas quält sich durchs Gedärm. "Oh Sch..., nicht jetzt", befehle ich meinem Verdauungstrakt. Nach einigen Kilometern wird das quälende Drücken immer heftiger. Bei jedem Schritt schiebt es weiter. Es geht nicht. Ich muss es irgendwo los werden. Was nun? Da, ein Dixi-Klo. Doch den Gedanken verwerfe ich gleich wieder. Da gibt' garantiert kein Klopapier. Da, eine griechische Pommesbude, im Eingang steht der Wirt, schon bin ich bei ihm und frage höflich. "Ja, klar", sagt er, "komm rein, geradeaus durch." Boxenstopp auf dem Herrenklo. So ein Pech, Durchfall! "Kommt das von dem Glibber?" frage ich mich. Egal, dann schaffe ich es heute eben nicht, die magische Vierstunden-Marke zu knacken. Erleichtert geht's nach ein paar Minuten weiter.

Km 28: das Mobiltelefon läutet. Es flutscht mir aus den verschwitzten Händen und knallt auf den Asphalt. Ich hebe es auf und es funktioniert noch - nur das Display hat jetzt ein paar Pixel weniger. Mein Vater ist dran: "Ich stehe hier gerade in Herne, wann kommst Du? Oder bist Du schon durch?" Wir haben uns verpasst. Dabei wollten in Herne meine Trinkflasche austauschen. "Ich brauche sie jetzt nicht mehr", sage ich und er entschließt sich, zum Ziel zu fahren.

Essen-Stoppenberg: Die "Stoppies" sind außer Rand und Band, als wir uns die Steigungen hochquälen. Mit ihren Trillerpfeifen treiben sie uns voran. Ich rufe zurück "Essen! Ihr seid super!" Mit noch lauten Heeeey-Rufen peitschen sie mich dem Ziel entgegen. "Das ist gut", denke ich und spiele dieses Spielchen öfter. Und die Ruhries ziehen mit. Klasse. Es sind noch knapp drei Kilometer.

Da sehe ich ihn schon den berüchtigte Teufelslappen einen Kilometer vor dem Ziel. Die Menge tobt, ruft, johlt, trillerpfeift, rasselt und scheppert was die Topfdeckel und andere Lärmwerkzeuge her geben. Sie peitschen den rennenden Menschenwurm vorwärts. Ich bekomme eine Gänsehaut. "Jetzt aber! Zieh an", schießt es mir durch meine grauen Zellen, "nur noch ein Kilometer." Unter der Eisenbahnbrücke, dann nach rechts und da ist es auch schon, das Ziel. Ich schaue auf meine Uhr: 4:08-irgendwas. Die letzten Meter: Die "Ruhries" treiben uns durch das Tor. Das war's. Wildfremde Menschen sprechen mich mit meinem Vornamen an. Klar, der steht ja auch auf der Startnummer. Sie gratulieren mir. Ich bin außer mir vor Freude über das herzliche Publikum und bedanke mich: "Ihr seid ja ein super Publikum." Und ich bin stolz wie Oskar.

Vor knapp acht Wochen beim Kiel-Marathon habe ich 4:19 gebraucht und jetzt war ich noch mal rund Zehn Minuten schneller. Hut ab, vor den begeisterten Fans aus Dortmund, Bochum, Herne, Gelsenkirchen und Essen, die alle Läuferinnen und Läufer im Marathon-Wurm so toll unterstütz haben.

--
Joerg Levermann
Biologe & Journalist
http://www.3qm.de


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