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Bericht

Name des Laufes:4e AV Daventria 1906 CENTENNIAL 100
mehr zum Lauf: VID11012
Datum des Laufes:8.11.2009 (Sun)
Ort:Deventer
Plz:NL
Homepage:http://www.avdaventria.nl/informatie/index.php
Strecken:100k
Beschaffenheit:400m-Tartanbahn
Profil:flach
Wetter:Nebelig, trocken, 6 Grad
Teilnehmer:17
Name des Berichtenden: Sven Glückspilz LID8014
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Bericht vom 12.11.2009 (Thu)
100 km-Lauf in Deventer (NL) - Ultra-Marathonpremiere geglückt

Wie kommt man eigentlich auf die Idee, 100 km zu laufen?

Nachdem ich in den letzten Jahren bei den Marathonwettbewerben keine Verbesserungen mehr erzielen konnte, musste ich mir eingestehen, dass ich meinen läuferischen Zenit in dieser Disziplin überschritten habe. Aufgrund meiner guten Ausdauerfähigkeiten und schlechten Sprintqualitäten war mir klar, dass die Streckenlänge erweitert werden muss. Je weiter der Weg ist, umso besser schlage ich mich im Vergleich zu meinen Altersgenossen. Während ich bei Sprintstrecken hinterher laufe und auf der Mitteldistanz ebenfalls keinen Blumentopf gewinnen kann, können sich die Halbmarathon- und Marathonzeiten im Amateursport einigermaßen sehen lassen.

Den endgültigen Entschluss zum Wechsel der Disziplin hatte ich durch das Lesen des Buches „Aus dem Leben eines 24-Stundenläufers“ gefasst. Es ist das beste Buch, was ich jemals gelesen habe.

Wie trainiert man für einen 100 km-Lauf?

Ich erinnerte mich an meinen ersten Marathon 2001 und daran, wie viele Fehler man machen kann und wie schwer der Lauf war. Ein Marathon ist deutlich schwerer als zwei Halbmarathons und somit würde auch ein 100 km-Lauf deutlich schwerer als zwei 50 km-Läufe sein. Dass es sehr sehr schwer sein muss, stellte ich daran fest, dass mein Vereinskollege Bernd bei dem 100 km-Lauf in Biel das Ziel nicht erreichte, obwohl Bernd ein wesentlich besserer und talentierterer Läufer ist als ich. Wenn Bernd das nicht schafft, wie sollte ich es dann schaffen? Also beschloss, zunächst auf einer sehr einfachen Strecke zu laufen: 100 km auf einer 400m-Tartanbahn. Da ich ursprünglich noch einen schnellen Berlin-Marathon laufen wollte, wählte ich den 100 km-Bahnlauf in Deventer in den Niederlanden am 8. November aus.

Zunächst musste ich jedoch feststellen, ob ich überhaupt die körperlichen Voraussetzungen mitbringe. Also bin ich gelaufen, gelaufen und gelaufen. Die Wochenumfänge stiegen auf bis zu 170 km an. Ich lief 36, 42 und 34 km in drei Tagen, 2 x 20 km an einem Tag, ich lief morgens um 2 Uhr, um 4 Uhr und um 6 Uhr und abends um 18 Uhr, 20 Uhr und 22 Uhr. Ich lief bei Hitze und bei Kälte. Ich lief an den Wochenende einen Marathon mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, dazu nochmal einen langen Lauf mit 36 km auf der Bahn am Mittwoch. Die Marathonläufe verlängerte ich durch Ein- und Auslaufen auf bis zu 50 km. Dabei testete ich unterschiedliche Getränke und Nahrungsmittel. Alles ging gut, aber reicht das für 100 km? Der letzte Test war ein 66 km-Lauf auf der Bahn auf dem Unisportplatz am Georgengarten zwei Wochen vor dem Wettkampf. Mein Freund Werner, der mich auch nach Deventer begleitet hat und Irmela waren für die Verpflegung zuständig. Außerdem notierten sie die Rundenzeiten und meine Pulswerte. Ich lief, ohne auf die Zeit zu achten in meinem Wohlfühltempo mit der einzigen Vorgabe, dass der Puls 130 Schläge/Minute nicht übersteigen sollte. Der Lauf brachte mir sehr wichtige Erkenntnisse für den Wettkampf:
- Ich hatte die Gymnastik vernachlässigt, wodurch nach 50 km meine Körperspannung nachließ und ich Hüftbeschwerden bekam
- Studentenfutter am Vorabend regt die Verdauung an und hat mich ca. 2 x 2 Minuten hinter einem Busch gekostet. Außerdem war das Laufen mit Blähungen recht unangenehm.
- Ich hatte Powergel mit Wasser gemischt, was den Vorteil hatte, dass ich das Zeug besser schlucken kann. Andererseits konnte ich gar nicht so viel trinken, um den erwarteten Kalorienbedarf zu decken. Während des ganzen Laufes konnte ich mit den Getränken und einigen Bananenstücken nur ca. 700 Kalorien aufnehmen. Anfangs hatte ich auch Isostar versucht, was mir aber nicht gut bekam.
- Außerdem mussten meine neuen Laufschuhe an einer Stelle noch geweitet werden, da es durch die anschwellenden Füße recht eng wurde.

Der Lauf hatte mich echt fertig gemacht und ich konnte mir nach 66 km beim besten Willen nicht vorstellen, wie ich noch weitere 34 km überstehen sollte. Andererseits war die Zeit mit 5 Stunden und 42 Minuten erfreulich gut. Auch hatte ich die vielen Trainingsläufe in den Beinen und jetzt zwei Wochen Erholung vor mir. Außerdem konnte ich aus den oben geschilderten Problemen lernen und sie beim Wettkampf vermeiden. Und Bernd hatte die 100 km im zweiten Versuch auch geschafft.

Die letzten zwei Wochen lies ich es dann locker angehen. Ich hatte nur zwei große Sorgen: Jetzt noch eine Erkältung oder Grippe einzufangen und das Wetter am Wettkampftag. Da ich die zweite Sorge nicht beeinflussen konnte, konzentrierte ich mich auf die erste. Menschenansammlungen wurden konsequent vermieden, nach jedem Händeschütteln wurden die Hände gewaschen und wenn Arbeitskollegen gehustet hatten, bin ich zusammengezuckt und habe ich sie so böse angeguckt, dass sie am nächsten Tag gleich zu Hause geblieben sind.

Vor dem Start

Am Samstagmittag ging es endlich mit dem Zug nach Deventer. Neben Werner fuhr noch mein Vater Dieter mit, der die Aufgabe hatte via Internet den Daheimgebliebenen den Wettkampf zu schildern. Nach der Ankunft checkten wir zunächst im Hotel ein. Anschließend besichtigten wir den Sportplatz. Wir sahen eine 1A gepflegte Leichtathletik-Sportanlage mit einer nagelneuen einen Monat alten 400m-Bahn. Während Werner und mein Vater auf dem Rückweg noch bei einem griechischen Restaurant einkehrten, ging ich direkt zurück in Hotel und verbrachte den Rest des Abends vor dem Fernseher. Nach ca. 5 Stunden Schlaf piepte um 5 Uhr der Wecker und ich begann mit den letzten Vorbereitungen: Etwas essen, einkleiden, Vaseline auf die Problemzonen und auschecken. Das Wetter war nebelig, aber trocken und mit ca. 6 Grad für mein Vorhaben gut geeignet.

Um 7:15 Uhr trafen wir am Sportplatz ein, auf dem die letzten Vorbereitungen für den Wettkampf liefen. Die Runden wurden elektronisch gezählt. Jeder Läufer hat einen Chip mit einem Code am Schuh. An der Ziellinie liegt eine Matte mit elektronischen Kontakten, die beim Überqueren die Runden zählt. Zur Sicherheit wurden die Runden vom Veranstalter zusätzlich per Hand gezählt. Ich lief eine Proberunde und stellte fest, dass die Bahn sehr angenehm zu laufen ist. Außerdem wollte ich mit der Runde nochmal die Verdauung in Gang bringen, um mir spätere Unannehmlichkeiten zu ersparen.

Anschließend holte ich mir meine Startnummer beim Veranstalter ab. Die Begrüßung war sehr nett. Neben den Startnummern bekam jeder Starter einen Kuchen, eine Flasche heimisches Bockbier und ein Buch über den Ausrichterverein ausgehändigt. Dabei verging die Zeit so schnell, dass ich den Start fast auf der Toilette verpasst hätte.

Auf gehts

Um kurz nach 8:00 Uhr ging es los. 17 Läufer starteten über die 100 km-Distanz, 8 weitere Läufer gingen auf die 50 km-Stecke. Die Taktik war ähnlich wie vor zwei Wochen: Wohlfühlen und Puls nicht über 130. Die Nahrungs- und Getränkeaufnahme hatte ich dahingehend geändert, dass ich abwechselnd alle 10 Runden ein Powergel oder eine halbe Banane zu mir nahm und zwei Runden später mit Wasser etwas nachspülte. Das Feld zog sich auseinander und ich hatte schnell den Überblick verloren, wer vor oder wer hinter mir war. Viele Läufer habe ich überholt, wenige haben mich überholt. Außerdem wusste ich nicht, wer 50 km und wer 100 km lief.

Damit es nicht langweilig wurde, wurde nach jeder vollen Stunde die Laufrichtung gewechselt :-). Auch sollte eine einseitige Belastung aufgrund der Kurvenläufe durch den Richtungswechsel vermieden werden. Nach zwei Stunden wurden erstmals die Rundenzahlen mitgeteilt. Ich hatte genau 60 Runden inkl. einer kurzen Pinkelpause absolviert, was 24 km bzw. genau 5 Minuten/km entspricht. Mir ging es gut. Der Puls lag im Limit, ich war gut unterwegs und die Verpflegung klappte auch gut. Außerdem richtete mir mein Vater die ersten E-Mailgrüße aus aller Welt z.B. von Klaus und Brigitte aus Australien aus. Die Veranstaltercrew wurde nicht müde, jeden Läufer aufzumuntern und zu motivieren. Dazu etwas Musik aus der Lautsprecheranlage. Es entstand eine sehr nette Atmosphäre. Ich teilte mir die Strecke in viele kleine Abschnitte ein und kam gut voran.

Kilometer 40 bis 50

Meine Marathon-Durchgangszeit lag mit 3 Stunden und 27 Minuten gut 10 Minuten unterhalb der Zwischenzeit von meinem Testlauf zwei Wochen zuvor und ich war zuversichtlich unter 9 Stunden bleiben zu können. Die 50 km-Durchgangszeit lag bei 4 Stunden und 10 Minuten. Ein ausgezeichneter Wert. Gleichwohl war mir bewusst, dass jetzt die schwierigere Hälfte anfing. Auch wurde die Sache ab jetzt etwas zäher. Die Schritte wurden etwas kürzer und die Rundenzeiten etwas langsamer. Das beunruhigte mich jedoch nicht, da ich es erwartet hatte.

Kilometer 50 - 70

Nicht erwartet hatte ich, dass ab ca. 60 km mein Magen und mein Darm anfingen zu blubbern und komische Geräusche zu machen. Offensichtlich war die Nahrungsmenge viel zu hoch und mein Körper konnte die süße Pampe nicht schnell genug verdauen. Mir wurde schlecht. Ich wurde langsamer und stellte die Nahrungsaufnahme ein. Die Runden wurden jetzt quälender und wollten nicht enden. Meine Stimmung wurde schlechter und meine Begleiter mussten einige Flüche über sich ergehen lassen.

Kilometer 70 bis 90

Besonders schlimm waren die 70er km. Es kam mir unendlich lang vor und ich wollte nur noch ein kleines Ziel erreichen. Bernd musste in Biel bei 81 km aufgeben. Bis dahin wollte ich es auch schaffen. 81 Kilometer. Ab ca. 75 km fing ich an zu frieren. Ich zog meine Jacke an, was mir ganz gut über die nächsten Runden geholfen hat. Dann wurde mir schwindelig. Außerdem konnte meine Pulsuhr den Puls nicht mehr messen. Kreislaufprobleme beim kreislaufen. Bis 82 km habe ich es geschafft. Danach musste ich beim Richtungswechsel nach 7 Stunden das erste Mal gehen. Ich ging fast 200 Meter und wusste nicht, ob ich wieder loslaufen konnte. Ich trank etwas. Ich hätte jetzt die letzten 18 km ins Ziel gehen können und wäre noch im Zeitlimit von 11 Stunden geblieben. Ich konnte also nichts verlieren und fing wieder an zu laufen. Es ging einigermaßen gut. Ich wollte die restlichen Runden mit der Kombination 5,5 Runden laufen und 0,5 Runden gehen bewältigen. Tatsächlich bin ich immer 9,5 Runden gelaufen und 0,5 Runden gegangen und hatte dabei die Zeit im Auge behalten.

Kilometer 90 bis 100

Werner rief mir nach 90 km zu, dass ich an erster Stelle liegen würde und mein nächster Mitläufer eine Runde hinter mir ist. Zu diesem Zeitpunkt wollte ich jedoch nur noch ankommen. Es war völlig illusorisch, zu versuchen, die nachfolgenden Läufer auf Distanz zu halten und kurze Zeit später wurde ich dann auch überholt. Unter 9 Stunden war das Ziel und daran arbeitete ich hartnäckig. Nunmehr wurde das Laufen, wenn man es noch so bezeichnen kann, etwas einfacher, weil das Ziel in greifbare Nähe rückte. Noch 20 Runden, noch 15 Runden, noch 10 Runden, noch 8, noch 5. 4 Runden vor dem Ziel bin ich nochmal gegangen. Ich wusste, dass ich unter 9 Stunden bleiben würde. Noch drei Runden. Als ich über die Matte lief, rief mir der Veranstalter zu „Jens, noch zwei Runden“. Schön dachte ich, da hab ich mich wohl verzählt. Nach 400m läutete jemand die letzte Runde für mich ein. 100 m vor dem Ziel kam mir eine Frau entgegen und teilte mir mit, dass ich doch noch eine Runde laufen muss. Egal: Viieerhundeert, Dreiiihundeert, Zweiihundeert, Eiinhundeert, endlich geschafft. Alle Helfer standen am Ziel und bejubelten meinen Einlauf. Um im Ziel die Arme zu heben, hatte ich jedoch nicht mehr genug Kraft.

Im Ziel

Geistesabwesend schüttelte ich eine Hand und ging stumm weiter. Ich war fix und fertig. Ich keuchte wie nach einem 800m-Tempolauf. Ich ging einige Meter auf und ab und keuchte immer noch. Ich ging in das Vereinsheim, setzte mich auf einen Stuhl und keuchte immer noch. Danach kamen zwei Personen und legten mich auf den Fußboden, die Füße auf einen Stuhl. Ich keuchte immer noch. Nach ca. 10 Minuten liegen, etwas Salzgebäck, Brühe und Cola wurde es besser. Erst jetzt realisierte ich richtig, dass ich es geschafft hatte. 100 Kilometer, 8 Stunden 57 Minuten und 57 Sekunden, 3. Platz. Bei der anschließenden Siegerehrung habe ich über beide Ohren gestrahlt. Und mal ehrlich: Die 8 Minuten bis zum Sieger schaffe ich nächstes Jahr doch locker, oder :-)?

Fazit:

Ich glaube, dass ich vieles richtig und nur wenige Fehler bei diesem Projekt gemacht habe. Mit der Auswahl des Wettkampfes habe ich einen Glücksgriff gemacht und beim Wetter Glück gehabt. Wenn ich die Ernährung optimiere, kann ich die zweite Hälfte sicherlich noch besser überstehen. Die muskulären Probleme waren gering. Lediglich die Fußballen schmerzten eine etwas längere Zeit. Natürlich war der Lauf sehr anstrengend. Dennoch hat es Spaß gemacht und mittlerweile plane ich die nächsten Schritte in meine Ultra-Marathonzukunft. Bis Ende November habe ich mir Erholung verordnet. Danach soll es aber endlich wieder losgehen. In Deventer möchte ich im nächsten Jahr auf jeden Fall wieder dabei sein, unabhängig davon, ob ich laufe oder nicht. Und Werner hat sich auch infizieren lassen. Er will dann über 50 km starten.

Danken möchte ich allen, die mich während des Trainings- und in der Vorbereitung so sehr unterstützt haben, insbesondere jedoch meinem Vater und Werner, deren Begleitung eine riesige Hilfe war.

Jens Allerheiligen, 12.11.2009


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