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Bericht

Name des Laufes:Lucerne Marathon
mehr zum Lauf: VID8671
Datum des Laufes:26.10.2008 (Sun)
Ort:Luzern
Plz:CH
Homepage:http://www.luzernmarathon.ch/
Strecken:MA, HM, 12500m
Beschaffenheit:asphaltiert
Profil:flach
Wetter:trocken, 12 Grad, kaum Wind
Teilnehmer:2300
Name des Berichtenden:Stefan Petermann
(Autor-LID zuordnen: Login und [Edit])

Bericht vom 12.5.2009 (Tue)
Flach, schnell - Schweiz?
Nun, ganz so uneingeschränkt gilt die Folgerung natürlich nicht, aber mit etwa 130 Höhenmetern, verteilt auf zwei Runden, fühlt sich das alte Westfalenherz so richtig an den Steinfurter Marathon erinnert. Und tatsächlich verhalten sich die Schweizer Marathonhügel genau so wie die westfälischen - sie wachsen in der zweiten Runde.
In Luzern wurde in diesem Jahr zum zweiten Mal der Marathon ausgerichtet und, wie bereits bei der ersten Ausgabe im letzten Jahr waren alle Startplätze ausgebucht. Das Verhältnis von Marathonläufern zu Halbmarathonis hat sich dabei deutlich von 2700 zu 2260 auf 2300 zu 3900 (Zieleinläufe) verschoben. Weiterhin war ein Schnuppermarathon mit etwa 13 Kilometern im Angebot. Den großen Zuspruch verdankt der Luzernmarathon sicher zu einem ganz erheblichen Teil seinem Botschafter, dem derzeit schnellsten "Muzungu" Viktor Röthlin. Da Vik nicht selber antrat, konnte er sich voll um die Läufer bei "seinem" Lauf kümmern: Startsignal, Moderation, Zielempfang und Motivation an der Strecke (Ich habe es probiert - den zur Zeit schnellsten Weißen bei Kilometer 20 abklatschen, motiviert bis mindestens Kilometer 28).
Wegen der für Schweizer Verhältnisse flachen Strecke mit Stadtanteilen und relativ windgeschützten Überlandpassagen im Schatten der Berge sollte der Lauf also geeignet sein für einen Angriff auf die persönliche Bestzeit. Die Wetterprognose versprach sechs Grad am Start und zwölf Grad im Tagesverlauf, was sich bewahrheiten sollte. Die Bedingungen waren also bestzeittauglich. Da die Vorbereitung über acht Wochen in Anlehnung an den "Countdown" von Peter Greif, mit Münstermarathon in 3:26 am Ende der zweiten Woche, plangemäß verlief (vielleicht bis auf die angestrebte Gewichtsreduktion...), stand also der Attacke auf die 3:15 nichts mehr im Weg.
Auf dem Weg ins Vergnügen stand zunächst die Arbeit, in diesem Fall bedeutet das Abholen der Startunterlagen. Der Samstag war also als Familienausflug mit Kurzeinlage auf der Marathonmesse im Hotel Schweizer Hof eingeplant. Die Anreise von Aarberg (die Bielläufer kennen es) erfolgte mit dem Auto, was auch am Samstagmittag nur bedingt empfehlenswert ist. Die Agglomeration Luzern ist eben doch eine Großstadt mit dem üblichen Staus und Parkplatzproblemen. Endlich am Schweizer Hof angekommen, stellte sich die Marathonmesse als fünf Infostände der Sponsoren vor dem Gebäude heraus und um an die Startnummer zu kommen, musste man eine kleine Schnitzeljagd durch die Hotelräumlichketen machen. Wenigstens gab es zu der Zeit keine Schlangen an der Ausgabe, denn die hatte sich dafür um so länger vor der Ausgabe für "Pa(s)tata" gebildet. Für Schlange Stehen waren meine Kinder nicht zu begeistern. Dafür konnten wir auf dem Stadtbummel durch die Altstadt einige wahrlich "malerische" alte Häuser entdecken, an denen der Künstler sicher einige Monate bis Jahre gearbeitet hat. Die Kapellbrücke mit Wasserturm, angeblich älteste Holzbrücke Europas, beherbergt 111 Gemälde im Giebel, welche die Stadtgeschichte erzählen. Wer bei Stadtbummel an Shopping denkt, sollte beachten, daß die meisten Läden am Samstag bereits um vier Uhr schließen.
Am Wettkampftag sollte die Anreise also etwas entspannter stattfinden. Dank des vorbildlichen ÖV in der Schweiz, einer Eventvergünstigung des Marathons für die Bahn auf 50% (ist in der Schweiz weit verbreitet) und eines persönlichen Halbtax-Abo (vergleichbar Bahncard 50, in der Schweiz oft vom Arbeitgeber bezahlt), konnte ich also zum Spottpreis in weniger als zwei Stunden mit dem Zug, der um diese Zeit scheinbar nur vom Läufern aus der ganzen Schweiz genutzt wurde, an den Start gelangen. Eine geordnete Kleiderabgabe war nicht vorgesehen, so daß sich jeder gut den Ablageort seiner Kleidung in dem über drei Schulgebäude verteilten Umkleidebereich merken musste.
Der Start erfolgte gemeinsam mit den Halbmarathonis in drei Blöcken. Und obwohl nur relativ wenige "Fehlgeleitete" den Strom der Läufermassen störten, muss man die Strecke doch als ausgelastet bezeichnen.
Nach dem Start ging es für zwei Kilometer am Nordufer des Vierwaldstättersees Richtung Westen, dann über die Seebrücke am Kongresszentrum vorbei Richtung Süden. Bei etwa Kilometer vier endete das Gegenverkehrstück und die Strecke ging über in die lange Schleife um die Halbinsel Horw. Zwischen Kilometer fünf unf acht waren dann insgesamt etwa 45 Höhenmeter zu erlaufen mit einer kleinen Verschaufpause bei KM sieben. An sich ist das ja nicht viel, aber durch Kurven und ungleichmäßige Steigrate war hier der Rhythmus in Gefahr. Nach dem Lauf durch städtische Bereiche folgte nun der ruhigere Teil am Seeufer entlang bis zum Eingang von Horw bei Kilometer 12. 
Deutlich hinter den Pacemakern für 3:15 gestartet hatte ich sie nun in Sichtweite und konnte drei Kilometer später überholen. Die leichte Verunsicherung ob des vielleicht zu hohen Tempos konnte ich mit hier noch erfolgreich mit Euphorie bekämpfen (eine klare Niederlage der Vernunft - aber es soll ja auch Spaß machen...). Zwischen Horw und dem Einschwenken auf die Gegenverkehrstrecke war noch ein wenig "Crosslauf" mit Schotterpiste und Wiese, sowie einem Abschnitt durch Gewerbe- und Wohnbereiche zu absolvieren. Vor dem Kongresszentrum wartet dann Viktor Röthlin auf der Strecke auf die Läufermassen des Halbmarathon und Marathon, die den bescheidenen Star hier hautnah erleben durften.
Was folgte war das typische Erlebnis des Gegenverkehrlaufens am Wendepunkt. Mit der großen Masse den wenigen ganz schnellen entgegen, danach ohne die Halbmarathonläufer einsam und zunächst ohne tempomäßige Orientierung gegen den großen Strom der noch vereinten Massen. Im deutlich ausgedünnten Feld ging es nun in die zweite Runde. Die Gemeinheiten der Strecke waren aus der ersten Runde leidlich bekannt, die Zwischenzeit bei realistischer Betrachtung mit Ziel 3:12 zu schnell und Gruppenunterstützung nicht in Sicht.
Also weiter, nach dem Gegenverkehrstück kurz durchatmen, trinken und rauf auf den Hügel. Unter dem Eindruck von nunmehr 27 Kilometern erschien es, als hätten die Luzerner in der Zwischenzeit den Berg aufgeschüttet - auf mindestens die dreifache Höhe. Die Bilanz  nach 5 Kilometerabschnitten bestätigte einen Geschwindigkeitsverlust, nicht dramatisch aber zum Berg passend. Mit zunehmend schmerzenden Beinen wurde auch das Kopfrechnen nicht einfacher, aber das Resultat bei Kilometer 30 war eindeutig: Die Abschnitte waren langsamer als die Sollzeit. Was nun?
Mangels vernünftiger Alternativen und unfähig, den Puffer aus der ersten Runde exakt gegen den aktuellen Geschwindigkeitsverlust unter Berücksichtigung der Tendenz zu verrechnen, beschloss ich, einfach die Anstrengung so zu dosieren, daß es ganz knapp ins Ziel reichen würde - akzeptierend, daß ich dort wohl ohnmächtig umfallen müsste. Anders gesagt, ich war ausschließlich angetreten, um die 3:15 zu schlagen und meine alte Bestzeit von 3:16:13 (Münstermarathon 2006) zu unterbieten. Zwischen Bestzeit und 3:15 lagen 73 Sekunden; verteilt auf die verbleibende Strecke war das in etwa soviel, wie mir zum angesetzten Kilometerschnitt fehlte. Nur unsichere Zahlen, offne Frage, keine Antworten: Also weiter.
Bei Kilometer 34 hörte ich die 3:15-Pacemaker hinter mir mit der Festellung, daß sie wohl auf Kurs 3:14 seinen: "Schlecht, die reichen mich gleich durch - Gut sie bringen eine Minute Puffer mit". Bei Km 35 hatte ich die Pacemaker neben mir - was jetzt? Da ich zwar langsamer geworden war, aber da ich  immer noch andere überholte und die Pacemaker immerhin einen Kilometer benötigten, um von Rufweite aufzuschließen, schloß ich, daß eine kleine Chance bestand, mich zumindest eine Weile in die Gruppe einzuhängen. Von Kopfrechnen keine Spur mehr.
Tatsächlich erstreckten sich die letzten sieben Kilomter durch die halbe Schweiz (die südliche Hälfte mit den Alpen) und die Abschnitte von Kilometer zu Kilometer zogen sich über Stunden hin. Meine Beine waren gleichzeitig weich wie Pudding und brannten als würden sie nicht von Blut, sondern von Säure durchströmt - was teilweise wohl auch stimmte (Milchsäure, fühlte sich aber an wie Schwefelsäure). Zum Glück schmerzte auch alles andere, inklusive Seitenstechen, tauben Händen und leichten Sehstörungen, so daß es gar keinen Sinn machte, irgendeinen bestimmten Schmerz durch Geschwindigkeitsreduktion vermeiden zu wollen.
Endlich kam die Erlösung in Form der 40-Kilometerflagge - die Uhr zeigte 3:03:35, und auch wenn es mit dem Kopfrechnen nicht mehr klappte, so hatte ich mir doch die Regel gemerkt, daß bei einem 5:00er-Schnitt für die letzten 2195 Meter etwa elf Minuten benötigt werden. Da ich immer noch an den Pacemakern hing, war ich offenkundig schneller und es bleiben mehr als elf Minuten bis zum Primärziel. An Details der nächsten 2000 Meter kann ich mich nicht mehr erinnern nur an den unbändigen Wunsch, die Pacemaker nicht zu verlieren. Erst auf dem orangen Zielteppich und mit Blick auf die Uhr war mir klar: Ich habe es geschafft!
Die Uhr bleibt bei 3:14:00,5 stehen - 133 Sekunden schneller als die alte persönliche Bestmarke, und das nicht etwa in Berlin, sondern in Luzern. Es geht also doch. Dank Peter Greif, Viktor Röthlin und meinen Schweizer Traingingshügeln war das Projekt erfolgreich. 
Unterdessen hatte Pius Hunold, Vorjahressieger in Biel in 2:31:35 den Sieg eingefahren mit 47 Sekunden Vorsprung von Urs Christen. Bei den Frauen siegte Stefanie Schillig in 3:00:10 vor Sandra Wyss und scheiterte damit denkbar knapp an der 3-Stunden-Schallmauer. Beim Halbmarathon siegten Ueli Koch in 1:07:48 und Addis Gezahegne in 1:18:54. Interessant ist hier vielleicht auch der zweite Platz von Katharina Dörre-Heinig (1989) in 1:20:15 und damit 19 Minuten vor Mutter Katrin, welche die Pace für Halbmarathon unter 1:40:00 machte. 
Was bleibt?
Luzern ist sicher nicht der typische Schweizer Marathon, aber den gibt es ohnehin nicht. Dafür ist das Spektrum mit den ultralangen Läufen, wie Biel oder Davos, den ultrahohen, wie Jungfraumarathon und den Stadtmarathons, wie Genf, Zürich oder Basel zu breit gestreut. Aber Luzern ist eine interessante Stadt, umgeben von wunderschöner Natur. Wer sich also nicht gleich in die Extreme begeben will, kann in ein paar Tagen Urlaub Luzern kennen lernen, den Pilatus besichtigen, am Vierwaldstättersee entspannen und einen netten jungen Marathon bestreiten, der auch für westfälische Landeier geeignet ist.


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