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Bericht

Name des Laufes:Mitteldeutscher Marathon
mehr zum Lauf: VID7864
Datum des Laufes:7.9.2008 (Sun)
Ort:Halle/Saale
Plz:D0
Homepage:http://www.mitteldeutscher-marathon.de/
Strecken:10k, HM, MA
Beschaffenheit:Marathonstrecke siehe Bericht
Profil:wellig
Wetter:relativ warm und hohe Luftfeuchtigkeit
Teilnehmer:ca. 300 M / 500 HM / 400 10K
Name des Berichtenden: Amigo LID3213
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Bericht vom 30.11.2008 (Sun)
Vorgeschichte
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Vor dem letztjährigen Dresden-Marathon bei der Marathon-Messe fiel mir damals ein Heftchen vom Mitteldeutschen Marathon in Halle in die Hände. Ich war spontan begeistert: von Dresden aus gesehen ist Halle natürlich gleich um die Ecke, außerdem ist vorne auf dem Heftchen Waldemar Czierpinski als Titelfigur abgebildet, wodurch der Marathon natürlich zum Marathon des zweifachen deutschen Olympiasiegers wird. ;-)
Zum Start entschieden habe ich mich natürlich nicht sofort. Ich kannte diesen Lauf ja noch gar nicht und wollte mich erstmal weiter informieren. Außerdem war die Planung für 2008 damals noch gar nicht klar. Vielleicht wollte ich im nächsten Jahr ja gar keinen Marathon mehr laufen? Das Heftchen lag dann aber dummerweise die ganze Zeit auf dem Wohnzimmertisch herum... ;-) Im April habe ich mich dann spontan zur Anmeldung entschieden, trotzdem ich außer den spärlichen Informationen, welche auf der Webseite oder in dem Heftchen standen, nichts weiter über den Lauf wusste. Die Online-Anmeldung ging ganz fix und die Teilnahme kostete damals nur 35 Euro. Toll, wieder Geld gespart – da habe ich gleich noch eine Übernachtung im 4-Sterne-Hotel im Merseburg mit dazu gebucht. ;-) Merseburg liegt ja ungefähr in der Mitte der Strecke - das passt schon, dachte ich. Die Zweifel kamen erst später, als ich mir den Streckenverlauf mal etwas genauer angesehen habe. Auf der Homepage gab es kaum Informationen zur doch etwas herausfordernden Logistik bei diesem Lauf, wo Start und Ziel weit auseinander liegen - insbesondere auch nichts, was irgendwelche Zweifel geweckt hätte. ;-)
Eine Woche vorher dann das große Nachgrübeln. War Merseburg die richtige Entscheidung? Zu diesem Zeitpunkt enthielt die Homepage des Laufs dann wenigstens Informationen zum Shuttle-Service. Dazu auch ein paar neue Übernachtungsmöglichkeiten in Hotels direkt in Halle. Ich habe da mal angerufen und mich nach den angekündigten speziellen Marathonangeboten erkundigt. Dort wusste man seltsamerweise nichts davon. :-( Da bin ich doch lieber bei der Übernachtung in Merseburg geblieben - auch wenn das hieß, nach dem Lauf auf eigene Faust mit der Regionalbahn von Halle zurück nach Merseburg fahren zu müssen.

Der Tag vorher
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Am Samstag war ich zeitig Vormittags losgefahren, so dass nach 4,5 Stunden Fahrt bei meiner Ankunft in Merseburg auf dem Burgberg noch ausreichend Zeit war, um in Ruhe im Hotel das ziemlich luxuriöse Zimmer zu beziehen, Bilder von der schönen Umgebung zu machen, kurz zu verschnaufen und dann nochmal nach Halle zu fahren, um die Startunterlagen abzuholen.
Den Fotoapparat hatte ich zum Glück eingesteckt: die Hallesche Innenstadt war überraschend schön, und noch dazu viel kleiner und übersichtlicher als ich mir das nach dem Betrachten der Satellitenbilder gedacht hätte. ;-) Die Aufbauarbeiten für den Marathon waren im vollen Gange und Waldemar Cierpinski war sogar auch zu sehen. Bei der Startnummernausgabe gab es eine winzig kleine Marathonmesse, kaum Angebot. Der Kleiderbeutel erwies sich als einfache Plastiktüte. Da sollten meine Siebensachen reinpassen? Am Infopunkt habe ich nochmal wegen Shuttle und Kleidertransport nachgefragt: aber das ist ja alles ganz einfach und problemlos - und die eine Stunde Wartezeit vor dem Start ist doch auch kein Problem. :-\
Als ich gerade wieder gehen wollte, sprach man mich an, ob ich an einer kleinen Studie (inklusive Laktattest nach dem Lauf) teilnehmen möchte. Von den Mitarbeitern des Instituts für Leistungsdiagnostik an der Uni Halle bekam ich eine RS800 ausgeliehen, deren Daten man dann später auswerten würde. Ich fragte nach dem Treffpunkt (im Ziel würde doch bestimmt viel los sein?), aber der Stand wäre total einfach zu finden, sie würden ja gleich hinter dem Ziel stehen.
Bei beginnendem Nieselregen bin ich auf dem Rückweg zum Auto noch zur Pastaparty in den Graben der Moritzburg: Party gab's da eigentlich keine – und besonders lecker waren die Nudeln auch nicht gerade (aber das hat man ja oft bei solchen Nudelparties).
Ehe ich zurück nach Merseburg gefahren bin habe ich noch den Weg zum Hauptbahnhof erkundet (den ich ja am nächsten Tag finden musste) und mir gleich noch die Fahrkarte gekauft. Blöderweise wollte ich auf dem Rückweg vom Bahnhof noch eine zeitsparende Abkürzung suchen und habe mich dabei doch glatt verlaufen...
Abends in der Dämmerung bin ich dann nochmal zu einem kurzen, lockeren Läufchen los. Ich hatte einen total hohen Puls (dabei war der Magen doch fast leer). Die gewählte Runde erwies sich als zu kurz; um die 30 Minuten voll zu machen, habe ich noch einen kleinen Umweg eingeschlagen – und mich dabei glatt wieder verlaufen. Wenn ich nicht beizeiten jemanden nach dem Weg gefragt hätte, wäre ich am Ende bestimmt in Halle wieder rausgekommen. ;-)
Abends im Hotelzimmer dann kniffligste aller Fragen: welches Paar Schuhe würde ich tragen? Ich hatte die Wahl zwischen meinen beiden Stratus-Paaren: das eine altgedient, in blau und ausreichend groß, das andere in weiß-rot, etwas neuer und und eine halbe Nummer kleiner. Das kleinere Paar hatte mir schon bei schnellen Sachen gute Dienste geleistet und diese Schuhe liefen sich deutlich dynamischer als das alte Paar. Ich machte mir aber Sorgen wegen möglicherweise schwellender Füße und den dann auftretender Problemen. (Offenbar muss man einen Marathon ja unbedingt mit den komfortabelsten Schuhen laufen, die auch gleich noch eher zu groß sein sollten... :-\) Ich hatte den Chip und den Laufsensor beinahe schon an den blauen Stratus dran – habe dann aber einfach mit dem Zweifeln aufgehört (bzw. darauf, auf andere Leute zu hören) und mich dann ganz intuitiv und aus dem Bauch heraus doch noch für das weiße Paar entschieden. Auf Nummer Sicher zu gehen, hätte auch irgendwie nicht zu diesem kleinen Abenteuer gepasst. :-)

Vor dem Start
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Nach einer etwas schlaflosen Nacht gab um Viertel nach 6 die Weckfunktion des Fernsehers das Signal zum Aufstehen. Eine Viertelstunde danach saß ich beim Frühstück und mampfte zwei Croissants, dazu einen Kaffee. Auf dem Zimmer dann noch einen Powerbar, die Sachen lagen schon bereit und mussten nur noch zusammengepackt werden. Um 7:15 geht’s los zum Bahnhof. Ich entdeckte dort ein P&R Schild – genau das Richtige, dachte ich. Bei dem Zusatzschild mit „max. 30 Min.“ kamen mir zwar Zweifel, aber ich habe gehofft, dass zum Sonntag und bei dem nachher stattfindenden kleinen Straßenfest niemand so pingelig sein würde, dort zu kontrollieren
Wo fährt der Shuttle-Bus? Ich entdeckte drei andere Personen in Sportsachen... Hey, die wollen bestimmt auch zum Marathon! Ich komme näher und es stellt sich raus, dass es drei Staffelläufer sind, die aus der Gegend kommen. Der Bus kommt dann pünktlich und fährt uns durch Leuna nach Spergau. Die Jahrhunderthalle lag am Rand des kleinen Örtchens – also im Prinzip dort, wo die Pampa beginnt... :-(
Noch eine Stunde bis zum Start... Die Halle ist zum Glück beheizt und sogar mit Filz ausgelegt. Ich habe mir inmitten der dort schon sitzenden Läufer ein freies Plätzchen gesucht und mich erstmal hingelegt, die Augen geschlossen und versucht, ruhig zu werden und mich zu sammeln. Zum Glück hatte ich genug zum trinken dabei, ich habe mir ein CAPS gegönnt und beim Trinken überlegt, ob Wasser nicht besser wäre... Zwanzig Minuten vorher bin ich raus zum Warmlaufen, bei der hohen Luftfeuchtigkeit (es hatte in der Nacht geregnet) kam ich recht schnell ins Schwitzen. Als ich zurück kam wurde es schon ziemlich lebhaft am Start und die Sporthalle hatte sich bereits geleert. Schnell noch die langen Sachen aus, die RS800 umgemacht, die Schuhe gewechselt und die Tasche abgegeben (es hatten außer mir noch ziemlich viele Leute ihre Sporttaschen abgegeben). Noch fünf Minuten.

Der Lauf
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Als ich von vorne auf den Startblock zukomme, entdecke ich in der ersten Reihe Rollstuhlfahrer. Keine Handbiker, sondern Rollstuhlfahrer, die geschoben werden mussten. Ich war etwas verwirrt. Es wurde aber kurz darauf verkündet, dass es zwei Startschüsse geben würde, wobei der erste nur für die Rollifahrer gelten würde. Unter großem Beifall fuhren die drei oder vier Rollis dann medienwirksam etwa hundert Meter. Hatten sich da etwa ein paar Marathonläufer mit dazugemogelt?
Der „richtige“ Startschuss erfolgte kurz darauf. Gedränge gab es praktisch keins und aus der dritten Reihe war ich praktisch sofort über die Startlinie. ;-) Die Strecke führte aber erstmal aus dem Ort wieder heraus und quasi durch freies Feld. Einige liefen ziemlich schnell an, ich habe mich davon nicht beirren lassen. Die RS800 zeigte um die 4:15 min/km, aber das erste Kilometerschild stand bei einer deutlichen Farbmarkierung auf der Straße und war bestimmt genau: die Timex zeigt eine 4:30. Etwa bei Kilometer 5 die erste knackige Steigung und die RS800 zeigt sofort gnadenlos die fallende Pace an. Im Teilnehmerfeld herrscht ein aufgeregtes Wuseln und Treiben. Ich bemerke, dass die Staffelläufer anscheinend nicht etwa 4 oder 10 Kilometer, sondern nur ganze zwei Kilometerchen laufen müssen. Einundzwanzig gegen einen – na wartet! ;-) Die meisten Staffelteilnehmer laufen viel zu schnell los, überholen - werden dann aber wieder langsamer und schließlich selber überholt.
Schon vor Leuna ist die Strecke ziemlich verwinkelt, es geht stellenweise im Zickzack auf schmalen Straßen durch Wohnsiedlungen. Ein Läufer vor mir dreht sich um und grüßt mich lächelnd, als ob er mich kennen würde. Wir kennen uns aber gar nicht... Er fragt mich, was ich laufen will. Eine 3:10 findet er beeindruckend. Hmm, da ich ziemlich gut im Plan liege, muss er also zu schnell losgelaufen sein... – aber da erzählt er mir schon, dass er gerne mal etwas schneller losläuft. :-) In Leuna dann noch schlimmerer Zickzack, es geht über holpriges Pflaster und teilweise sogar ziemlich schlecht befestigte Garagenhöfe. Vor einer Getränkestation schließt ein Mitläufer wieder zu mir auf und fragt mich sowas wie „gibt's hier eigentlich nur Wasser“ – ich verstehe allerdings „trinkst du eigentlich nur Wasser“ und das Missverständnis ist perfekt... ;-) Zwischen Leuna und Merseburg kommt dann eine Straßenbiegung, wo viele Leute stehen und die Läufer anfeuern. Der Mann am Mikro versucht die Läufer irgendwie humorig einzuordnen – also bin ich der Pirat. :-) Eine unebene Pflasterstraße führt nach Merseburg rein, ich laufe aber auf dem etwas laufbarerem Gehweg daneben. Die wenigen Brötchenholer oder Zuschauer kommen nicht in die Quere.
Im Merseburger Zentrum dann plötzlich richtig Superstimmung. Viele Menschen, darunter auch andere Aktive (es gab ja noch Schnupperläufe etc.), standen an der Strecke Spalier und feuern die Läufer an. Der Sprecher kündigt zwar leider nur die Startnummern der Läufer an, trotzdem haben die Leute wie verrückt gejubelt. Das hat nochmal einen mächtigen Schub gegeben! Ein Stück weiter in Merseburg dann ein relativ scharfer Rechtsknick und danach erstmal eigentlich unlaufbares Pflaster: total holprig und buckelig, man muss aufpassen, nicht umzuknicken. Nach dem ersten Knick dann gleich noch einer – und die erste seltsame Begebenheit: da hat sich tatsächlich ein Streckenposten den vor mir eben diesen Knick ganz leicht abkürzenden Läufer in den Weg gestellt und diese fast festgehalten. Man kann es auch übertreiben, das kommt doch bei jedem Lauf vor, denke ich. Irgendwo muss da ein Nest gewesen sein, weiter draußen kurz vor der Halbmarathon-Marke durfte ich dann nämlich gleich den zweiten Wichtigtuer kennenlernen. Der war jetzt damit nicht einverstanden, dass ich am äußersten Straßenrand und nicht einen Schritt daneben auf dem Gehweg lief. Der Kerl (ein Feuerwehrmann?) brüllte mich geradezu an, ich solle hoch auf den Gehweg. Ich bin total verdutzt darüber, außerdem ist man als Marathonläufer (als solcher bin ich doch ganz klar erkenn- und von den Staffel-Chaoten unterscheidbar) etwas mehr Respekt gewohnt. Ich lasse mir Zeit mit der Kurskorrektur... An den Matten bei der Hälfte der Strecke zeigt die Uhr knapp unter 1:35. Nach 5-Kilometer-Abschnitten in 23:16, 22:18, 22:22 und 22:10 lag ich soweit eigentlich gut im Fahrplan. Der Plan war ja, verhalten loszulaufen und auf der zweiten Hälfte dann nochmal etwas zuzulegen. Aber dann passierte mir das, was einem bei einem Marathon nicht passieren sollte: ich begann zu zweifeln. Jetzt nochmal schneller werden... nachdem schon der Schnitt von 4:30 nicht gerade leicht war... und ich nie wirklich in Versuchung geraten bin, zu schnell zu laufen... – Mir erschien das also so gut wie unlösbar.
An einer Brücke kam dann eine Baustelle in Sicht, wir mussten an der Seite drumherum. Ich überlegte, ob die Streckenlänge eigentlich mit oder ohne diesen Umweg gemessen wurde. Ist aber egal, alle haben die gleichen Bedingungen. Ein Läufer in Orange überholte mich mit deutlichem Tempoüberschuss, ich bekam schon wieder Zweifel. So knapp wie ich in der Zeit lag und so anstrengend wie sich das jetzt schon anfühlte. Irgendwie fühlte sich das nicht danach an, jetzt nochmal das Tempo anzuziehen und die zweite Hälfte ein Stück schneller zu laufen...
Es ging durch weitläufige Industriegebiete, das Feld zieht sich immer mehr auseinander und auch nur noch vereinzelte Zuschauer stehen an der Strecke. Die Marathonis werden quasi zu Einzelkämpern gegen die Uhr. Aber durch die vielen Wechselpunkte auf der Stecke mit den dort wartenden Staffelläufern war trotzdem ständig etwas los. Ich überhole den Läufer in Orange wieder, er ist plötzlich viel langsamer als vorhin. Ein Auto fährt im Schleichtempo hinter den Läufern auf der eigentlich gesperrten Straßenhälfte her. An einer Getränkestation war man beim Wasser reichen nicht so geübt, so kann man den Becher ja nicht greifen. Ich lief dran vorbei und griff mir weiter hinten einen Becher Cola. Igitt ist das süß. Ich trank nur ein paar Schlückchen, das meiste hatte ich sowieso verschüttet. Wegen einer Unterzuckerung musste ich mir da also keine Sorgen machen, außerdem hatte ich noch ein Gel in meiner Gürteltasche. Je näher wir Halle kamen, desto mehr war da links und rechts der Strecke los. In fast jedem Ort gab es „Stimmungsnester“. Unglaublich, wie viele Menschen sich hier für Marathon zu begeistern scheinen. Entweder heißen hier wirklich viele 1980 geborene Waldemar oder man ist hier auf den Namensgeber immer noch sehr stolz. :-) Auf jeden Fall bringt man hier den Marathonläufern viel Respekt, wenn nicht sogar Bewunderung entgegen.
Ich laufe immer näher an einen blau gekleideten Läufer heran, welcher von einer Radlerin begleitet wird. Er ist in mittlerem Alter und sieht durchtrainiert aus, vielleicht sogar ein alter Hase auf der Marathonstrecke – aber er hat deutlich Probleme. (Später kann ich ihn mit 3:15 in der Ergebnisliste entdecken, der Jörn hat sich also noch bis zum Ende durchgebissen.)
Unglaublich, wo hier im Tiefland die ganzen Hügel herkamen. Jeder raubte einem noch ein paar Kräfte. Das ich aus den vielen kleinen Tiefs, in die ich hineingeraten bin, immer wieder rausgekommen bin und es zu keinem Einbruch kam (wie bei ein paar Mitsstreitern), habe ich vor allem auch dem fantastischen Publikum an diesem Teil der Strecke zu verdanken. In Korbetha, Hohenweiden, Holleben, Schlettau und wie die Orte alle hießen haben mich wildfremde Menschen voller Begeisterung und sogar mit Namen angefeuert. Ein Moderator kündigte mich groß und breit an. Ich winkte zu ihm herüber und er wollte wissen, wie es mir geht. Ich rief zurück: Gut! Das war natürlich genauso gelogen wie der Zuruf einer Zuschauerin an der Strecke: Los, das ist die letzte Steigung! ;-) Es kamen nämlich noch einige...
In Halle-Neustadt ging es über eine lange Gerade. Die Stimmung wurde weniger. Menschen standen hauptsächlich an den Wechselpunkten, die schienen aber mit sich selbst beschäftigt zu sein. Abseits der Wechselpunkte war die Strecke ziemlich menschenleer und die wenigen am Rande nahmen kaum Notiz. Hier hätte etwas mehr Anfeuerung gut getan, es wurde nämlich richtig ansstrengend. Ich habe nach einem Blick auf die Uhr aber beruhigt registriert, dass ich trotz der gefühlten Strapazen kaum langsamer geworden bin. ;-)
Ein weiterer einzelner Läufer kam in Sichtweite, er musste bereits eine Gehpause einlegen. Ich kam schnell heran. Der Bursche war schon etwas älter, wahrscheinlich auch ein erfahrener Marathonläufer. Ehe ich ihn erreicht habe, rappelt er sich wieder auf und läuft wieder los. Der zähe Bursche dachte gar nicht daran, so kurz vorm Ziel noch aufzugeben. Kurz darauf dann die nächste Gehpause seinerseits und ich bin vorbei.

Der Zieleinlauf
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Bei Kilometer 40 zeigte die Uhr bereits deutlich über 3 Stunden an, die 3:10 waren also bereits nicht mehr zu schaffen.
Etwa zwei Kilometer vor dem Ziel trafen sich die Marathonstrecke und die Halbmarathonstrecke. Da der Halbmarathon erst relativ spät gestartet wurde (und viele die halb so lange Strecke bevorzugt haben), war auf diesem letzten Stück plötzlich einiges los auf der Strecke. Von hinten war nicht zu sehen, wer da welche Strecke lief. Aber vor mir war vorher schon kein weiterer Marathoni zu sehen, das mussten also alles Halbmarathonis sein, die ich da überholte. Als ich mich mal kurz umdrehte, entdeckte ich gar nicht weit hinter mir den vorhin überholten Mitstreiter – Wahnsinn, der ist ja nicht unterzukriegen, dachte ich mir.
Auf einer ansteigenden Brückenrampe kam ein Schild in Sichtweite. Was steht da drauf? Die Läufer vor mir hampeln ja so komisch rum... Ich komme näher ran: aha, Photopoint in ein paar Metern. Nett, das man derart vorgewarnt noch etwas Zeit hat, eine bessere Miene einzuüben. Vor mir laufen die Läufer vor der am Boden kauernden Fotografin quasi Zickzack und posen mächtig rum. Na die müssen ja noch Energie haben. Als sich die Linse auf mich richtet, reicht es nicht mehr ganz zu einem Lächeln. (Aber immerhin sind zwei ganz brauchbare Bilder rausgekommen.)
Ein paar Halbmarathonläufer werden schneller und setzen kurz vor der Abbiegung auf den Hansering nochmal zum Endspurt an. Ich hänge mich dran und überhole sie auch noch. Ein Stück vor dem Ziel sehe ich schon die Zeitanzeige: gerade ist die auf 3:12 gesprungen. Ehe ich mich entscheiden kann, ob ich mich darüber ärgern oder vielleicht doch freuen soll, werde ich auch schon vom Sprecher laut und deutlich mit Name und Verein angekündigt. Der darauf einsetzende Applaus war meiner - und von einer Enttäuschung wegen der verpassten 3:10 war keine Spur mehr. :-) Hinter der Ziellinie drücke ich meine beiden Uhren ab (leider wurde ich dabei von einem versteckten Papparazzi erwischt, der mich genau dabei fotografiert hat) und verschnaufe erstmal kurz. Wo sind denn die Besitzer der RS800? Die wollten doch gleich hier stehen und einen Laktattest machen... Ich entdecke niemanden. Ich wurde doch laut angekündigt und bin außerdem fast pünktlich, eigentlich müsste ich doch bereits erwartet werden. Ich sehe die Verpflegungsstände und verschiebe die Sucherei erstmal. Ich war durstig wie ein Kamel und habe erstmal vier oder fünf Becher mit so Iso-Zeugs geleert. Selbst wenn ich Hunger gehabt hätte, hätte ich die angebotenen Pfannkuchen (vollständiger Name: Berliner Pfannkuchen) nicht runterbekommen. Offenbar ein Angebot, welches sich mehr an die zahlreichen Läufer auf den kürzeren Strecken richtet. Die greifen begeistert zu und im Radius von mehreren Metern laufen überall Leute ganz zuckerverschmiert herum. Ich verlasse den Verpflegungsbereich. Meine Tasche bekomme ich an der Kleiderbeutelrückgabe zurück, am Zelt ganz hinten. Mein Kommen wurde schon von weitem bemerkt, man sah meine blaue Startnummer und rief meine Startnummer nach hinten. Als ich dann endlich herangeschlichen war hielt man mir auch schon meine Tasche entgegen. :-)
Am Info-Point frage ich, wo die Leute, die mir Laktat abnehmen wollten und denen ich die geliehene Uhr zurückgeben möchte, stecken könnten. Man weiß es nicht, zeigt aber weiter nach hinten im Zielbereich, wo es Soforturkunden und allerlei für die Fitness gibt. Nichts. Ich setze mich und ziehe mir erstmal trockene und wärmere Sachen an. Der Läufer in Orange von kurz hinter der HM-Marke taucht auf und setzt sich neben mich. Karsten (von vorne kann man den Namen auf der Startnummer viel besser lesen) läuft in der gleichen AK und ist unzufrieden. Er hat auf der zweiten Hälfte noch fast fünf Minuten auf mich verloren und sein Ziel (sub 3:15) verpasst. Wir fachsimpeln ein wenig, dann verabschiede ich mich, weil ich dann doch gleich den 13:22er Zug erwischen wollte. Im Hotel kann ich außerdem baden. Die Siegerehrungen waren erst für so spät angesetzt, dass das Warten darauf (trotz der angekündigten „attraktiven Geldpreise“) eine zu harte Geduldsprobe war. - Wie sich später herausstellte, war meine Vermutung, mit meinen 3:12:31 noch den dritten Platz in der AK geschafft zu haben, richtig und ich hatte mir da tatsächlich eine Kleinigkeit entgehen lassen. Den ersten Pokal vielleicht? ;-)

Abreise
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Im Hotel hatte man mir ja großzügigerweise bei der Abreise Aufschub bis 15 Uhr gegeben. Ich hatte also noch eine gute Stunde Zeit, um etwas zu relaxen und in aller Ruhe noch ein Bad zu nehmen. Nach dem Marathon ist vor dem Marathon und jetzt steht erstmal eine ordentliche Regeneration im Vordergrund. Aus diesem Grund habe ich mir nach dem Auschecken und vor der Rückfahrt im Hotelrestaurant noch ein 3-Gänge-Menü genehmigt. Wow, so lecker hatte ich lange nicht mehr gegessen – und dabei war es mit nur rund 30 Euro sogar noch ziemlich preiswert.
Frisch gestärkt ging es dann am Sonntagnachmittag auf die über vierstündige Rückfahrt.

Nachspiel mit der RS800
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Die RS800 hatte ich ja nicht zurückgeben können (z.B. am Info-Point abgeben wollte ich sie ja nicht), also hatte ich sie einfach mit nach hause genommen. Wie zu erwarten meldete sich am Montag ein Mitarbeiter des Instituts deshalb per Mail. Ich habe dort angerufen, um die Situation zu erklären (irgendwie schien man ja der Ansicht zu sein, ich sei einfach so weggelaufen). Über die Rücksendung haben wir uns schnell geeinigt – über die Kosten dafür leider nicht, auf denen bin ich erstmal sitzen geblieben.
Aber wenigstens kamen quasi als Empfangsbestätigung am nächsten Tag die Daten der Uhr per Mail. Die Kalibrierung schien wirklich ganz erheblich aus dem Lot zu sein, nach Meinung der RS800 war ich nämlich über 46 Kilometer gelaufen. :-) Mit welcher Methode die RS800 meine maximale Herzfrequenz anscheinend mit 196 bpm ermittelt hat, ist für mich ziemlich rätselhaft. Die absoluten Herzfrequenzen, die für meine RS100 87% wären (also für einen Marathon schon bedenklich hoch), waren für die RS800 nämlich mustergültige 85%.

Fazit
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Halle kann man mit weniger als 300 Finishern zu den kleinen Marathons rechnen. Die Gegend hat einen interessanten Kontrast von modernen Industrieanlagen und historischen Bauwerken zu bieten. Vor allem Merseburg und den Stadtkern von Halle kann man allein vom touristischen Gesichtspunkt nur empfehlen. Die Streckenführung ist so ziemlich abwechslungsreich, wenn sie auch nicht zu den schnellen Strecken zählt. Das kleine Teilnehmerfeld, die selten zu findende klassische Streckenführung mit weit auseinander liegendem Start und Ziel, die reizvolle Gegend, die fantastische Stimmung und das Gewusel der Staffeln auf der Strecke geben diesem Marathon ein ganz besonderes Flair. Wer allerdings einen schnellen Marathon für persönliche Bestzeiten sucht oder einen perfekt organisierten Lauf erwartet, für den dürfte dieser Marathon nicht das richtige sein.


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