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Bericht

Name des Laufes:Athen-Maraton
mehr zum Lauf: VID9047
Datum des Laufes:9.11.2008 (Sun)
Ort:Marathon nach Athen (Griechenland)
Plz:(EU)
Homepage:http://www.athensclassicmarathon.gr
Strecken:MA, 5k, 10k
Beschaffenheit:durchgehend Asphalt
Profil:0-10k flach, 10-31k stetiger Anstieg, ab 31k fallend
Wetter:wolkig, 14-19 Grad, angenehmer Wind
Teilnehmer:3825 Finisher M; 2005 Finisher 10k; 1684 Finisher 5k
Name des Berichtenden:Heiko Streich
(Autor-LID zuordnen: Login und [Edit])

Bericht vom 11.11.2008 (Tue)
... oder: "Freut Euch! Wir haben gesiegt!"

Als ich vor einigen Jahren immer mehr Freude am Laufen und speziell an Marathons gewann, hatte ich 3 Träume:
"1. Endlich mal einen M unter 4 Stunden laufen,
2. den Rennsteiglauf schaffen und
3.in einigen Jahren (aber das hebe ich mir noch als Höhepunkt auf) mal von Marathon nach Athen rennen."
(nachzulesen unter http://groups.google.de/group/de.rec.sport.laufen/browse_frm/thread/2bcb7cc92c6480e0) .

Die 4 Stunden habe ich erstmals beim Berlin-Marathon 2004 geschafft; seitdem klappt das fast jedes mal. Den Rennsteig-Marathon (eigentlich waren es sogar 43,5 km) habe ich dann 2006 - von Sturm und Regen umtost - geschafft. Blieb noch Traum Nr. 3...

Normalerweise ist ja der Berlin-Marathon, der fast vor meiner Haustür stattfindet, jedes Jahr gesetzt. Nun begab es sich, dass ich just am Tag des Berlin-Marathon 2008 aus beruflichen Gründen daran nicht teilnehmen konnte, was ich auch langfristig wusste. Mein Lauffreund, der einen nicht unwesentlichen Anteil daran hatte, dass ich mich einst an längeren Strecken versucht habe, fragte mich Anfang des Jahres, ob ich nicht Lust hätte, mit ihm zum Athen-Marathon zu fahren. Nun ja; eigentlich wollte ich mir das ja für das Alter aufheben, aber es passte diesmal alles zusammen, zumal es mir allein in Griechenland doch etwas mulmig gewesen wäre (was sich später als völlig unbegründet herausstellte). Also meldeten wir uns über einen bekannten Sportreiseveranstalter an und fortan fieberte ich ein Dreivierteljahr diesem Termin entgegen.

[VWKGJ]

Ist mir fast peinlich, aber: Nix. Ordentlich trainiert, keine schrecklichen Verletzungen, gar nichts. Tut mir leid.

[Athen]

Die Anreise klappt reibungslos. Von Berlin über Frankfurt (Main) fliegen wir nach Athen und kommen auf dem nagelneuen, zu den Olympischen Spielen 2004 eingeweihten Flughafen an. Die Fahrt mit dem Transferbus in die Stadt jagt mir als Landei das erste mal richtig Angst ein: Ich bin überrascht, wie riesig Athen ist; der anarchische Verkehr jagt mir eisige Schauer über den Rücken und der Lärm ist unfassbar. Bisher hielt ich Berlin für eine große Stadt mit viel Verkehr. Ich nehme das reumütig zurück und werde nie wieder behaupten, es gäbe in Berlin dichten Verkehr, Parkplatzprobleme oder es sei laut.

Wir sind in einem sehr zentralen Hotel untergebracht, was sich für Stadtbesichtigungen und später für den Gang zu Start und Ziel als sehr günstig erweist. Mit dem Zimmer habe ich weniger Glück; charmanter Blick auf den engen Hinterhof, selbst am Tage stockfinster und rund um die Uhr der infernalische Lärm der Turbine der Hotelbelüftung neben dem Fenster (mein Zimmer hat einfach verglaste klapprige Holzfenster). Ein bisschen VWKGJ würde hier passen; normales Schlafen war fast unmöglich, aber was soll's... Angesichts der an der Tür angebrachten Zimmer- und Frühstückspreise wundere ich mich nur, warum die Griechen dort Wochenpreise angeben; Wissende belehren mich später, dies seien die Preise pro Nacht. Nur gut, dass der Reiseveranstalter wohl Sonderkonditionen bekommt.

Noch am Abend holen wir die Startunterlagen im Zappeion. Andernorts werden Startunterlagen in Messehallen oder alten Kabelwerken ausgegeben; das Zappeion dagegen ist eine erhabene, säulengeschmückte Kunst- und Ausstellungshalle im Nationalgarten im Herzen von Athen. Die freundlichen Helfer haben die Ausgabe gut im Griff, wir haben schnell unsere Startunterlagen und einen prallgefüllten Beutel mit zahlreichen Geschenken; u. a. Finishershirt, Handtuch, Mauspad, Handschuhe und Kopfwärmer (in Athen, wo im November noch 20 Grad sind!), Armband, Deo, Riegel, Gel und einiges mehr. In einem nahegelegenen Cafe gibt uns der Reiseleiter noch einige Hinweise zur Strecke und wir treiben den Kellner zur Verzweiflung, weil von uns noch keiner weiß, dass in Griechenland alle an einem Tisch gemeinsam bezahlen. Nach einem Teller Spaghetti in einem kleinen Terrassencafe und einem Blick auf die erleuchtete Akropolis geht es dann früh ins Bett.

Am Samstag steht dann natürlich eine Besichtigung Athens an. Die Stadt ist fest in Läuferhand; überall hagere Gestalten aus aller Herren Länder in Laufschuhen mit deutlichen Benutzungsspuren. Wir erklimmen das antike Zentrum der Welt und stehen dann ergriffen vor den gewaltigen Bauten auf der Akropolis. Der Blick ist atemberaubend; Athen reicht bis zu den Bergen am Horizont. Anschließend streifen wir noch durch die Altstadt Plaka. Am Abend stehen wir vor der Infotafel im Hotel, wo das Streckenprofil angetackert ist. Von einer "profilierten Strecke" hatte ich ja schon gehört; die Skizze flößt aber, vorsichtig gesagt, ziemlichen Respekt ein. Angesichts einiger Passagen ist um mich herum Gemurmel von "Leiter mitnehmen" und "trittsicheres Schuhwerk" zu vernehmen...

[Der Lauf]

Das Hotel macht extra früh Frühstück. Danach laufen wir durch den Nationalgarten zum Panathinaikos-Stadion, wo zwischen 06.30 und 07.00 Uhr die Busse nach Marathon abfahren werden. Dort erwartet uns ein gewaltige Schlange. Auch hier haben die Organisatoren aber alles prima im Griff; nach 10 Minuten sitzen wir im Bus nach Marathon.

Der Bus fährt fast die ganze Zeit auf der Marathon-Strecke. Mir wird dabei ziemlich flau im Magen: Wir fahren und fahren - das ganze Ende soll ich 2 Stunden später zu Fuß zurücklegen?! Dazu kommt, dass es immer weder lange und mitunter ziemlich heftig bergab geht - wir müssen da später in entgegengesetzter Richtung rennen...

In Marathon angekommen werden wir unsere Kleiderbeutel schnell los. Jeder Teilnehmer erhält einen Ölzweig, wir stellen uns auf, eine kurze Rede wird gehalten und um 09.00 Uhr Ortszeit geht es los. Das ist der Moment, auf den ich mich seit Jahren gefreut habe: Auf der Strecke zu laufen, die einst Pheidippides nahm, von Marathon nach Athen! Ich habe einen dicken Kloß im Hals. Den Lauf will ich genießen, wegen des Streckenprofils nicht zu schnell angehen und am Ende eigentlich nur unter 4 Stunden bleiben. Das Wetter dazu ist ideal: 14 Grad beim Start (19 Grad im Ziel), trocken, bewölkt und ein leichter kühler Wind von hinten.

Die ersten Kilometer sind ziemlich eben. Bei km 5 biegen wir ab und umrunden das Marathongrab, wo die Gefallenen der Schlacht von Marathon begraben sein sollen; ein Erdhügel zeugt davon. Hier ist auch der erste Verpflegungsstützpunkt. Eines braucht man beim Athen-Marathon nicht haben: Angst vor Dehydrierung: Alle 2,5 km gibt es stilles Mineralwasser aus 0,5l-Plastikflaschen. Das reicht genau, um was zu trinken, ohne sich zu besabbern, und sich was über den Kopf zu gießen. Später gibt es auch noch Powerade, Cola, Bananen, Gel und Müsli-Riegel. Wer unterwegs etwas mehr Energie zuführen muss, sollte allerdings ein paar Gels mitnehmen, weil die Abstände zwischen den Labestationen doch etwas größer als die der Getränkepunkte sind.

Ab km 10 beginnt dann bis zum km 31 ein fast stetiger Anstieg, nur unterbrochen von einigen flachen Passagen und kurzen Bergab-Abschnitten. In Nea Makri stehen ein paar mehr Zuschauer am Straßenrand; dafür ist die restliche Strecke durchs Land weitgehend zuschauerfrei. Dafür findet heute offenbar der "Miss Polizei Griechenland 2008"-Wettbewerb statt: Die gesamte Strecke ist gesäumt von bildhübschen jungen Polizistinnen mit großen Sonnenbrillen, die dafür sorgen, dass wir freie Bahn haben. Irgendwann überhole ich einen in eine griechische Rüstung gekleideten Läufer mit Helm, Schild und Lanze, der atemlos und offenbar entkräftet am Straßenrand hockt. Später werde ich ihn nach 6 Stunden ins Ziel wanken sehen.

Kurz nach der Halbmarathonmarke steht auf dem Mittelstreifen eine Statue von Pheidippides auf dem Weg nach Athen. Der arme Kerl musste die ganze Strecke barfuss laufen, ohne Erfrischungsstände, ohne medizinische Hilfe. Ich dagegen bin völlig euphorisch; ich genieße jeden Kilometer des Laufes.

Bei km 24 wird es dann ziemlich bitter. Es geht einen Kilometer steil bergauf und die Sonne brennt auch schon ziemlich herab. Ich bin aber noch gut bei Kräften und der Zeitplan wackelt auch nicht.

Langsam kommen wir nach Athen hinein. Es geht durch Vororte und Industriegebiete. Am Straßenrand stehen vereinzelt Zuschauer. Bis km 31 geht es - am Ende wieder ziemlich heftig - bergauf. Endlich ist der höchste Punkt der Strecke erreicht; von nun an geht es bis ins Ziel fast nur noch bergab. Ich hänge meinen Gedanken nach und bin immer noch völlig euphorisch. Ich laufe auf der legendären Strecke gen Athen, fühle mich prima, winke den Zuschauern, Helfern und Polizistinnen am Straßenrand zu, die winken und lachen zurück, es ist einfach großartig.

Durch Athens Straßen nähere ich mich dem Ziel. Ich kriege abwechselnd eine Gänsehaut und Schweißausbrüche, wenn ich an den Zieleinlauf denke. Auf den letzten 2 km stehen dann die Zuschauer auch dichtgedrängt und jubeln. Ich winke, freue mich des Lebens, renne weiter, vor den Augen verschwimmt alles.

Und dann: Hinunter ins Panathinakos-Stadion. Ich überquere die Straße, laufe durch das Spalier der jubelnden Zuschauer in das an dieser Seite offene Stadion hinein, biege auf die Zielgerade, juble, heule, juble und komme nach 3:54:42 ins Ziel. Was für ein Moment! Ich bin völlig überwältigt, muss erst mal auf die Knie und mit der Stirn den Boden berühren - heiliger Boden für jeden Sportler und vor allem jeden Marathoni, das ganz aus Marmor bestehende Olympiastadion der ersten Olympischen Spiele der Neuzeit am Ort des antiken Olympiastadions von Athen. Kann es noch größere Momente geben?

Ich brauche eine Weile bis ich mich wieder einkriege. Die Hinterzielorganisation ist wieder perfekt: Wärmefolie, Verpflegungsbeutel, Chipabgabe, Kleiderrückgabe, alles klappt wie am Schnürchen. Hinterher sitze ich in die Folie gehüllt am Zieleinlauf, freue mich über jeden Läufer der nach 4, 5 oder 6 Stunden ins Ziel kommt, lache über die herrenlosen Hunde, die sich vor den Zieleinlauf legen. Später sitzen wir gegenüber auf den oberen Stufen des Stadions, schauen ergriffen hinüber zur sonnenbeschienenen Akropolis und lassen den Moment in uns nachklingen. Auch wenn es kitschig klingen sollte: Solche Momente vergisst man nie wieder.

[Danach]

Abends noch ein Stück durch die Plaka, eine große Portion salziges und fettes Essen und ein großes griechisches Bier und am Montag dann die Heimreise.

Und nun? In mir klingt dieses Erlebnis noch immer nach; das wird wohl noch ein paar Tage so bleiben. Nur: Was kommt jetzt? Meine 3 Wünsche habe ich mir erfüllt. Jetzt brauche ich ein neues Ziel am Horizont, von dem ich noch ein paar Jahre träumen und darauf hinarbeiten bzw. hinlaufen kann...

"Die Ferne ist ein schöner Ort, doch wenn ich da bin ist sie fort.
Die Ferne ist, wo ich nicht bin. Ich geh und geh und komm nicht hin."
(Silly: Die Ferne. In memoriam Tamara Danz [1953-1996])

Vielen Dank fürs Lesen.
Heiko

P. S.: Wie lang war doch gleich der richtige (tm) Rennsteiglauf?


Diese Seite ist zu erreichen unter www.kmspiel.de/?bericht=2303


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