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Bericht

Name des Laufes:30. real,- Berlin-Marathon
mehr zum Lauf: VID184
Datum des Laufes:28.9.2003 (Sun)
Ort:Berlin
Plz:D1
Homepage:http://www.berlin-marathon.com
Strecken:MA
Beschaffenheit:Asphalt
Profil:sehr flach
Wetter:Traumhaft, 11Grad, Sonnig
Teilnehmer:35000
Name des Berichtenden:Ralf Comtesse
(Autor-LID zuordnen: Login und [Edit])

Bericht vom 4.10.2003 (Sat)
Ich glaub ich bin der letzte, der seinen Bericht noch nicht abgeliefert hat. Dennoch will ich Euch den nicht vorenthalten, dass ihr nicht das Gefühl habt, in Berlin haben nur Leute teilgenommen, die 2:38 oder 2:28 laufen.

Dieser Marathon war das Ziel, auf das ich im letzten dreiviertel Jahr hingearbeitet habe. Einige werden sich noch erinnern, dass ich Anfang des Jahres die Frage stellte, ob es für mich als Laufanfänger - ich hatte gerade mal 6 Monate Lauferfahrung - möglich ist, den Berlinmarathon in 4:00 Stunden zu laufen. Damals gab es einiges an Diskussionen und einige von Euch haben mir mit Tipps und ihrem Erfahrungsschatz weitergeholfen. Dafür will ich mich erst mal bedanken.

Deswegen will auch ich die Gelegenheit nutzen für eine kleine Reflexion, nach diesem ersten Meilenstein in meiner Läuferkarriere.

Es fing eigentlich alles damit an, dass mir irgendwann im Juni letzten Jahres nachmittags die Zigaretten ausgingen. Eigentlich kein Problem, unten im Haus ist ein Getränkeshop. Diesmal war ich aber zu faul runter zu laufen und hab es
erst abends gemerkt, dass ich immer noch keine hatte. Am nächsten Tag hab ich mir gesagt, probiers einfach noch ein paar Stunden bevor du dir neue holst. Nach ner Woche hatte ich immer noch nicht geraucht. Da hab ich mir gedacht:
"Geh mal joggen. Dann ist die Chance geringer, dass du wieder anfängst." Und dann, gings mir wie wahrscheinlich jeden, der 2 Päckchen am Tag raucht, nach 2 Minuten brauchte ich ein Sauerstoffzelt. Im Internet hab ich dann gelesen,
dass 2min laufen 1min gehen schon ganz tapfer sind und man das steigern kann. Nach etwa 8 Wochen konnte ich dann ne Stunde ganz langsam durchlaufen und war stolz wie Oskar.

Danach hab ich unstrukturiert bis etwa Dezember trainiert, bin böse umgeknickt und konnte erst im Ende Januar wieder anfangen. Ein Freund von mir, der schon ein paar Mal den Berlin Marathon mitgelaufen ist, hat mich dann noch ein bisschen angestachelt: "Wir laufen zusammen die 25km von Berlin und den Marathon" und ich lies mich drauf ein. Das war auch die Zeit, als ich dachte, ein Trainingsplan bringt was und in dieser Newsgroup angefragt habe, ob ich ne Chance habe den Marathon unter 4 Stunden zu laufen.

Dann kamen auch ein paar Wettkämpfe: 10km im März: etwa 53min, 25km im Mai: 2:14:xx, 14km im Juli 1:09:52, und HM im August: 1:47:18.

Inzwischen hab ich auch mit Carstens Verein mittrainiern dürfen und dort enorm viel gelernt. Die Marathonvorbereitung selbst lief sehr gut bis zum HM. 4 Stunden waren jetzt eigentlich nur noch Minimalziel, heimlich schielte ich auf die 3:50 oder besser. Danach war ich zweimal eine Woche verletzt und hab zwei der umfangreichsten Wochen fast komplett ausfallen lassen. Im Nachhinein gesehen war ich zu ehrgeizig und hab wohl zu oft am Limit trainiert. Immerhin war mein Wochenumfang inzwischen bei etwa 80 km angekommen und das Beste war: mir hat jeder Lauf Spaß gemacht.

Donnerstags stand ich dann irgendwann auf der Marathonmesse hatte meine Startnummmer in der Hand und zum ersten Mal weiche Knie. Jetzt wurde es ernst.

Samstag war der Tag der Vorbereitung. Ich hatte akribisch eine Liste zusammen getragen, mit Dingen, die ich tun müsse. Irgendwie hatte ich eine panische Angst, ohne Schuhe an den Füssen vor der S-Bahn zu stehen. Eigentlich wollte ich viele Kohlenhydrate essen, das beschränkte sich aber vor allem auf eine extra Portion Maltodextrin am Donnerstag und Freitag, weil ich wegen etwas Stress kaum zum geregelten Essen kam. Samstag dann eine Riesenportion Spaghetti und viel Müsli mit Malto. Nachmittags noch Kamillentee
mit Malto angerührt. Ich war sowieso langsam und wollte deswegen einen Trinkgurt mitnehmen. Dann noch soviel getrunken, dass ich nachts zweimal raus musste. Um 12 lag ich im Bett.

Um sechs klingelte der Wecker. Aufstehen, Duschen und Kaffee machen waren überraschenderweise kein Problem. Meist hab ich um die Zeit extreme Schwierigkeiten mit der Feinmotorik. Drei Aufbackbrötchen mit Marmelade waren mein Frühstück. Um etwa 7:20 bin ich aus dem Haus zur U-Bahn gegangen. Meine Tüte mit extra T-Shirt, Trinkgurt, zwei Maltomixes war am Mann, Schuhe an den Füssen und Chip an den Schuhen.

Bis zur Yorckstraße war die Fahrt OK. Dann sollte ich in die S1 steigen, die mich zum Start bringen sollte. Als ich auf dem Bahnsteig ankam, ist meine alte Liebe zur BVG wieder aufgeflammt. Wenn jemand einen merk- und lernbefreiten Verein sucht - das ist ein Prototyp. Erster Zug war brechend voll und dazu ein Kurzzug. Macht nix, sagt der Mensch am Lautsprecher, der nächste kommt in zwei Minuten. Auf meiner Uhr waren es dreißig. Inzwischen kam es fast zur Meuterei
unter den mehreren hundert Wartenden. Der nächste Zug war zwar auch rappelvoll, aber mit meiner eigenen Gewalt und der des Menschen, der mich noch
reinschob passten wir noch genau zwischen die Tür und die dicke Dame, die mich sicher nicht mehr grüßen wird.

Unter den Linden stieg ich aus und lief durchs Brandenburger Tor. Dort traf ich Dieter, einen alten Haudegen aus dem Verein und gemeinsam suchten wir den Eingang. Das Gelände war nämlich mit Gattern abgesperrt. Eigentlich eine gute
Idee. Leider waren Ein- und Durchgänge zu klein für die 35000 Teilnehmer konzipiert. Es entstanden ziemliche Schlangen und Wartezeiten. Da es aber ein neues Start- und Zielgebiet war, hoffe ich, dass der Veranstalter das nächstes
Jahr anders löst. Inzwischen war es 8:30 und ich war eigentlich viel zu ruhig. Die Ruhe verflog aber, als ich den Lastwagen zur Abgabe meines Beutels suchte. Der Stand natürlich am anderen Ende des Geländes, mehere hundert Meter entfernt. Also dorthin, in die Büsche, und wieder zum Start durchschlängeln. 3 vor neun war ich endlich dort. Als Anfänger durfte ich, wie etwa die Hälfte der Teilnehmer, aus Block H starten, der war aber inzwischen schon ziemlich voll und ich stand weit hinten. Dennoch war ich wohl kein Einzelfall. Ich sah immer noch Leute mit Tüte in der Hand, die noch zum LKW mußten.

Den Startschuß hab ich selbst nicht mitgekriegt. Irgendwo vorne gingen aber viele Ballons hoch. Also ich war auf meinem ersten Marathon.

Meine Planung sah folgendermassen aus: km 1-5 etwa 5:30, dann auf 5:25 gehen, das wäre eine Zeit um 3:50 gewesen. Wenn's mich packen sollte und ich noch Luft habe, wollte ich irgendwo zwischen km 25 und 32 vielleicht noch etwas
anziehen.

Das Wetter war traumhaft. 11 Grad am Start und sonnig mit ganz leichter Bewölkung. Das haben die Organisatoren hervorragend hingekriegt.

Ich weiß, das war schlecht, aber Vorwettkampfgejammere muß ich noch üben.

Acht Minuten nach dem Startschuß überquerte ich die Startlinie und konnte auch langsam mit joggen anfangen. Das hatte ich erwartet und dachte, dass es in zwei Kilometern besser wird. Schließlich liefen wir auf dem 17. Juni und konnten dort sechs Spuren benutzen. Der erste KM verging auch nach etwa 5:59min. Das Feld war sehr dicht und ich wollte nicht zuviel überholen und meine Kraft mit Zickzacklaufen verpulvern. KM zwei war im Plan mit 5:32min. Jetzt konnte es los gehen. Und es ging los. Wir bogen nach rechts in die
Franklinstr und hier waren es nur noch zwei Spuren und der Zug kam zum Stoppen. Und ab jetzt kam er auch nie wieder richtig in Gang. Die
Geschwindigkeit der Läufer in meinem Bereich war einfach zu unterschiedlich und die Strecke zu voll. Zumindest hatte ich einen netten, älteren Schweizer kennen gelernt, nachdem wir uns zum vierten Mal angerempelt hatten. Wir entschlossen uns dann eine Weile langsamer zu machen und uns das Schauspiel anzuschauen. Aber auch ein gemütliches Laufen bei reduziertem Tempo war nicht möglich, da dann Läufer von hinten versuchten in die Lücken zu springen, so dass ich trotzdem wieder abbremsen mußte. Bis KM 5 hatte sich nicht viel geändert und ich entschied mich, selbst wieder etwas schneller zu laufen. Am äußersten Strassenrand kam man durch, da hier auch nicht soviele Zuschauer standen. Die nächsten KM Zeiten waren dann auch alle zwischen 5:20 und 5:30, also wieder gut im Plan. Nur an den Verpflegungsstellen war ein Gedränge, dass man dachte, die Leute haben seit Tagen kein Wasser mehr gekriegt. Es stand auch jeder vorne an, sodass die Schlange die ganze Straße sperrte.

So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Mir war zwar klar, dass es voll werden wird, aber hier war die Strecke wirklich an ihrer absoluten Kapazitätsgrenze. Ich konnte überhaupt nicht meinen Rhythmus laufen, weder langsam noch schnell. Entweder ich wurde durch den Vordermann gebremst und lief zickzack oder jemand nutze die entstehende Lücke und bremste mich aus. Die Strecke selbst führte zwischen KM 10 und 20 durch Neukölln und Kreuzberg, wo ich wohne. Hier war auch zum ersten Mal die Stimmung richtig gut. Die Beine fühlten sich sehr gut an. Der Puls war in Ordnung und eigentlich konnte mir vor KM 35 nix passieren. So fühlte ich mich auf meinen langen Läufen und die gingen auch soweit. Das einzige waren die vielen Läufer. Das Feld zog sich einfach nicht auseinander und irgendwo in mir begann ein gewisser Frust zu nagen. Die KM Zeiten waren zwar immer noch im Bereich von 5:20 aber heute machte mir das Laufen keinen Spaß. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich nicht unbedingt der Herdenmensch bin. Andere fanden es ganz toll, ohne Druck zu laufen, die Zuschauer und die Bands zu beobachten, mir sind die Leute ziemlich egal, heute störten sie mich einfach beim Laufen.

Irgendwann kam dann auch die Halbmarathonmarke, die ich bei 1:55:55 durchlief. Also etwa genau so schnell wie die ersten 10 km. Ich überholte auch immer noch einen Großteil von Läufern und wurde sehr viel seltener selbst überholt. Trotzdem lag KM 23 dann schon bei 6 Minuten. Immer mehr Leute nutzten jetzt die Verpflegungsstellen zu ausgedehnten Pausen und hielten dort sogar kleine Schwätzchen. Einige wenige gingen auch schon. Das sollte später noch schlimmer werden. Die nächsten zwei Kilometer waren dann in 5:08 dran. Wenn ich mich recht erinnere, ging es da aber auch etwa bergab. Dann kam der Wilde Eber - einer der Höhepunkte. Früher war hier KM 37 und es war Tradition, dass die Läufer nochmal einen richtigen Schub kriegen. Den kriegen sie immer noch, wenn da ne Sambaband spielt und hunderte von Zuschauern rhythmisch auf die Absperrungen schlagen. Jetzt war aber KM 27 und ich fühlte mich immer noch prächtig. Ich merkte zwar die Strecke aber es fühlte sich genau so an wie bei einem langen Lauf. Sorgen hatte ich mir noch wegen der Entzündung einer Sehne am Knie gemacht. Aber die einwöchige Laufpause und dann fast nur langsame Läufe in den letzten zehn Tagen schienen die völlig auskuriert zu haben.
Die 30km Marke hatte ich in 2:45:26 passiert. Ich überholte immer noch Leute und fühlte mich den Umständen entsprechende gut. Ich wußte zwar, dass es nix mer mit den Traumzielen werden würde aber die Zeit war OK. Das einzige was mich jetzt noch stoppen konnte war der Hammermann. Vor dem hatte ich ordentlich Respekt. Jedoch hatte ich seit KM 5 regelmäßig an meinem Maltomix genuckelt und dann mit Wasser nachgespült. Aber man wußte ja nie. So richtig traute ich mich auch noch nicht zu beschleunigen, denn immer noch war die Strecke dicht. Die Zuschauer standen teilweise bis nahe an die blaue Linie. Das sieht dann zwar schön wie die Tour de France aus aber selbst wenn sich das Feld inzwischen etwas auseinander gezogen haben sollte; ich merkte es nicht und hatte immer noch keinen Laufrhythmus gefunden. Die Zeiten lagen jetzt auch meist um die 5:30 bis 5:40 und ich war etwas genervt. Die Beine waren zwar dann etwas schwere als am Anfang aber 5:20er Zeiten wären vielleicht drin gewesen, hätte aber bedeutet, dauernd zickzack zu laufen. Also lies ich es und entschied mich, nur sicherzustellen, dass ich unter 4 Stunden ankam. Auch das sah ich nzwischen nicht mehr als selbstverständlich an, da die Zeiten bei Verpflegungsstellen schon mal bei 6:15 lagen.

Kudamm war dann wieder was für die Stadtmarathonfetichisten. Potsdamer Straße
Leipziger Strasse und Gendarmenmarkt bis zu Unter den Linden hatten danach eher das Flair einer Geisterstadt. Und das war schade, waren das doch die meist schweren KM 36-40. Direkt vor der Einmündung nach Unter den Linden war dann auch die letzte Verpflegungsstelle. Hier schien jeder nochmal eine besonders lange Pause einzulegen: 6:39/km. Danach sollte es mit frischen Kräften auf den Prachtboulevard gehen an den nun massenhaft vorhandenen Zuschauern vorbei. Das Brandenburger Tor lag vor mir und nun kam doch sowas wie Genugtuung auf. Noch 300m bis zum Ziel und ich war meinen ersten Marathon gelaufen. Die Zeit blieb bei 3:55:11 stehen und ich war zufrieden.

Auf dem Rückweg hatte die Polizei den S-Bahnhof Unter den Linden gesperrt und lies die Leute nur noch in Wellen rein. Das gab den Megastau, weil es auch die einzige Möglichkeit war auf die andere Strassenseite zu kommen. Anscheinend hatte sich vorher keiner eine Strategie überlegt, denn die Polizisten waren am diskutieren, wie sie das am besten handhaben sollen. Nach 30 Minuten im Stau kamen meine Frau und ich durch zum nächsten Eingang und mußten feststellen, dass unten sher viel Platz war. Ein BVG Männeken stand da mit Funkgerät und erzählte den Polizisten oben, dass sie nicht soviele Leute runter lassen sollen. Danke!!


Fazit:

- Vor einem Jahr hätte ich jeden für verückt erklärt, der mir gesagt hätte, ich laufe einen Marathon. Und das war das schöne Gefühl, dass ich es geschafft habe. Leider kann ich immer noch nicht sagen, dass mir das Laufen an dem Tag Spaß gemacht hat.

- Der Berlinmarathon ist ein schöner Lauf, wenn man die Massen mag. Einige kleinere organisatorischen Mängel hatten sicher mit der neuen Streckenführung und der Enge im neuen Start-/Zielgebiet zu tun und ich bin mir sicher, dass das im nächsten Jahr besser ist. Blockstarts bei 35000 Teilnehmern wären auch eine Maßnahme, die diskussionswürdig ist. Für 50 Euro Teilnahmegebühr wünsche ich mir schon ein bisschen Platz zum Laufen.

- Die Zuschauer sind top.

- Mein Tipp: Wer schneller als 4 Stunden läuft, sollte das erst woanders tun, Dann kann man in einem vorderen Block starten. Dort gab es wohl nur auf den ersten 5-10 km Probleme mit der Kapazität der Strecke. So kann man den Lauf auch geniessen.

Ich komme auf jeden Fall wieder schau mir aber vorher noch irgendeinen kleineren Marathon an.


Diese Seite ist zu erreichen unter www.kmspiel.de/?bericht=205


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