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Bericht
Name des Laufes: | 30. real,- Berlin-Marathon mehr zum Lauf: VID184 |
Datum des Laufes: | 28.9.2003 (Sun) |
Ort: | Berlin |
Plz: | D1 |
Homepage: | http://www.berlin-marathon.com |
Strecken: | MA |
Beschaffenheit: | Asphalt |
Profil: | flach, WR-tauglich |
Wetter: | angenehm |
Teilnehmer: | 30766 im Ziel |
Name des Berichtenden: |
carsten LID2 nur für eingeloggte Benutzer sichtbar Bericht vom 4.10.2003 (Sat) |
Auch wenn es einige regelmäßige drsl-Leser langweilen mag, möchte ich etwas ausholen. Der Herbstmarathon---und einen anderen bin ich bisher nie gelaufen---ist für mich immer der letzte ernsthafte Wettkampf der Saison, so dass ein kleines Resumé angebracht erscheint. Irgendwie bin ich am Anfang des Jahres nicht so recht in Schwung gekommen, dann hatte ich leichte muskuläre Probleme, bin damit zwei schlechte Wettkämpfe gelaufen und habe das mit vier Wochen bezahlt, in denen ich nur sehr eingeschränkt trainieren konnte. Die 25km von Berlin liefen dann aber zumindest erfolgversprechend, und den Sommer über hatte ich im Training auch häufig das Gefühl, gut in Form zu sein, nur echte Wettkampferfolge stellten sich nicht ein. Das Ende des Sommers und der Beginn des Marathontrainings ist für mich in den letzten Jahren die City-Nacht gewesen. Vor zwei Jahren bin ich dort meine PB über 10km Straße von 34:2 gelaufen. In diesem Jahr lief es mit 34:45 bei weitem nicht so gut. Ich konnte versuchen, das mit Hitze und Wind zu erklären, aber das hilft ja auch nicht. In so einer Situation versucht man, die Leistung zu bewerten, indem man auf die Ergebnisse von Läufern schaut, die man kennt. Clemens, der schon zu Anfang des Jahres 10km in ungefähr 33:30 gelaufen war, nach gesundheitlichen Problemen aber den Sommer über auf der Bahn immer etwas langsamer als ich gewesen war, war 20s vor mir. Ich habe das mal als Zeichen dafür gewertet, dass seine Formkurve in die richtige Richtung zeigt, und mich für ihn gefreut. Mit Hans-Peter Wollny und Klaus Boesang hatte ich zwei starke M40er hinter mir gelassen, aber beide hatten einen Grund. Hans-Peter hatte wieder einmal eine Woche mit sehr hohem Umfang hinter sich---200km sind für ihn inzwischen nichts besonderes mehr---und Klaus hatte eine Woche vorher den Marathon in Rostock gewonnen. Eine Woche später bin ich dann aus dem Training heraus den Kreuzberger Viertelmarathon gelaufen, einfach weil ich den so nett finde. Die Zeit war in etwa wie im Vorjahr, ich war sogar eine Weile in der Spitzengruppe, habe dann aber abreißen lassen und bin Vierter geworden. Gewonnen hat Hans-Peter (sein erster Sieg!) vor Klaus und Desmond King. Des ist ein sehr sympatischer in Berlin lebender Ire, den ich bis dahin nur aus Ergebnislisten kannte, mit dem ich mich nach dem Lauf dann Weile unterhalten habe. Unter anderem erzählte er, dass er gerade eine Zwangstrainingspause hinter sich hatte (hört man immer gerne von Läufern, die einen geschlagen haben :-|) und dass er für einen Sub-2:40-Marathon trainierte. Das war auch mein Ziel, nachdem ich im letzten Jahr 2:40:20(PB) gelaufen war. Diese beiden Wettkämpfe an aufeinander folgenden Wochenenden zusammen mit dem einsetzenden Marathontraining waren wohl zu viel für mich. So lief der Halbmarathon in der Woche darauf wirklich schlecht. Ich hatte einfach schwere Beine. 1:16:52 war keine Zeit, die auch nur im entferntesten mein Sub-2:40-Ziel gerechtfertigt hätte. Natürlich waren wieder die üblichen Verdächtigen vor mir, eine Weile waren wir auch zusammen. Doch während ich 13. wurde, lief Des noch auf einen guten 6. Platz in unter 1:15 vor. Hans-Peter lag zwischen uns, war aber wohl auch nicht ganz voll gelaufen. Bei Klaus Boesang schien man auch zu merken, dass die Wettkämpfe langsam zu viel wurden, aber vor mir landete er auch noch. Nach dem Halbmarathon blieben noch fünf Wochen bis zum Marathon, also, abgesehen von drei ruhigen Tagen, die ich mir nach dem Halbmarathon endlich gegönnt habe, drei Wochen hartes Training. Ich bin 113km, 142km und 143km gelaufen. Die Marathontempo-Läufe wurden zum Schluss wenigstens besser, nachdem sie zu Beginn des Marthontrainings doch sehr schwer gefallen waren. Die langen Läufe von 35km waren eigentlich in Ordnung, aber bei der Endbeschleunigung habe ich das Marathonrenntempo nicht erreicht. Insgesamt hatte ich das Gefühl, dass es gar nicht so schlecht liefe, ich aber früher mit diesem Training hätte anfangen sollen. So hielt ich an meinem Sub-2:40-Ziel hauptsächlich aus Trotz und Mangel an Alternativzielen fest. Ein paar Fragen muss man sich schon vor dem Marathon beantworten. Was für Kleidung soll ich tragen? Nun, das ist eine Frage, die sich nur im Winter oder weiter hinten im Feld stellt, weiter vorne zieht man möglichst wenig an und hofft auf kühles Wetter. Aber welche Schuhe sind die richtigen? Bei meinem ersten Marathon unter 2:50 (vierter insgesamt) vor zwei Jahren hatte ich die selben Schuhe an, die ich auch bei kürzeren Straßenwettkämpfen trage: Saucony Static Racers, in meiner Größe US11 wiegt das Paar 545g, womit sie wohl zu echten Wettkampfschuhen zu rechnen sind. Sie sind zwar nicht so hart wie beispielsweise der Asics DS Racer, aber es ist von ihnen nicht viel an Dämpfung und nichts an Führung zu erwarten. Nachdem ich 2001 ab Kilometer 30 Probleme mit der Oberschenkelmuskulatur hatte, habe ich daher 2002 mit Saucony Team Taya stärker gedämpfte Schuhe probiert. Da die Oberschenkelprobleme aber die selben waren, fand ich, dass ich in diesem Jahr auch zu den Static Racers zurückkehren könnte, da ich mich in ihnen einfach wohl fühle. Nächste Frage: Wie verpflege ich mich während des Rennens? Bisher hatte ich mich immer auf Wasser beschränkt, aber inzwischen hatte ich mich überzeugen lassen, dass es sich lohnt, Kohlenhydrate zu sich zu nehmen. Im Training habe ich dann einmal Kamillentee mit Maltodextrin (~80g/l) und einer Prise Salz (die ich in der Tat beim Test vergessen habe) probiert. Zumindest keine Probleme, das sollte also meine Wettkampfverpflegung sein. Eine Aufgabe in den zwei Wochen vor dem Marathon war nun, Leute zu finden, die mir die Flaschen im Wettkampf reichen würden. Da ich das mit Patrik gemeinsam organisiert habe, war das nicht so problematisch, am Ende hatten wir von Kilometer 15 bis Kilometer 35 alle 5km jemanden stehen, der uns und an zwei der Stellen auch Holger versorgen sollte. Das nenne ich Luxus! Meine mentale Vorbereitung bestand darin, dass ich die Marathonberichte von Kevin Beck (2:24 in Boston) unter http://www.kemibe.com/marathonraces.htm gelesen habe. Wie er den Laufsport als seine Leidenschaft und seine eigene Leistung als unbedeutend beschreibt, fand ich sympathisch. Wie er den Marathon als seine Wettkampfdistanz, aber eben auch nur das, nämlich einen Laufwettkampf beschreibt, fand ich inspirierend. Am Freitag vor dem Marathon habe ich meine Startnummer abgeholt, was völlig unproblematisch war, ganz ohne Gedrängel. Samstag habe ich noch die letzten Flaschen mit unserer Maltodextrinlösung zu einer Freundin, die in der Nähe von mir und damit in der Nähe von Kilometer 15 wohnt, gebracht. Danach habe ich mir ein Elektronikspielzeug gekauft, was eigentlich nichts mit dem Marathon zu tun hat, ich aber gerade deshalb erwähne, denn es zeigt vielleicht, dass ich nicht mehr ganz so auf das Ereignis fokussiert war wie in den letzten Jahren. Dann war ich noch mit Holger und TorstenS, den ich aus dem Lauftreff.de-Forum kenne und der zum Marathon aus Frankfurt angereist war, an der Strecke, um den Skatern zuzuschauen und danach zum Carboloading beim Italiener, auch wenn ich dafür seit Donnerstag auf Anraten meines Vereinskollegen Dietmar schon mit Maltodextrin nachgeholfen hatte. Der Rest des Tages ging dann so dahin, wobei ich langsam merkte, dass ich den Marathon betreffend nicht besonders motiviert war. So habe ich nicht einmal nach dem U-Bahn-Fahrplan geschaut und mich stattdessen mit meinem neuen Spielzeug heumgeärgert, was dazu führte, dass ich so gegen ein Uhr im Bett war. Am Wettkampfmorgen bin ich dann um 6.00 pflichtbewusst aufgestanden, habe etwas gefrühstückt (ich glaube zwei Aufbackbrötchen mit Marmelade und ein oder zwei Tassen Kaffee), geduscht, habe noch etwas Kamillentee mit Malto gemixt, um ihn vor dem Start zu trinken, und war mehrmals auf Toilette. Ich bin dann nicht so früh losgegangen wie gut gewesen wäre und habe auf dem U-Bahnhof festgestellt, dass die U-Bahn gerade weg war und die nächste 20min später kommt. Hier war meine Unaufgeregtheit wohl in Dummheit umgeschlagen. Zum Glück war aber dann weder die U-Bahn noch die S-Bahn, in die ich umgestiegen bin, besonders voll, da habe ich in den Vorjahren Schlimmeres erlebt. Ich war, glaube ich, kurz vor halb neun auf dem Marathongelände, was mir noch im grünen Bereich zu sein schien. Der Weg zu dem LKW, bei dem ich meinen Kleiderbeutel abzugeben hatte, war lang, aber gut ausgeschildert. Auf dem Weg habe ich Clemens gesehen und ihm zugerufen, aber er schien mich nicht zu hören, vielleicht war er aber auch nur zu sehr in Eile. Auf dem Weg zum Start wurde es dann sehr voll. Der Vorstartbereich war eingezäunt, und ich war mir nicht sicher, ob ich, wenn ich den umzeunten Bereich verlassen würde, vorne an meinem Startblock wieder hineinkäme, so dass ich zunächst im eingezäunten Bereich an den hinteren Startblöcken vorbei wollte. Hier wurde es aber sehr eng und man kam kaum vorwärts. Einige verließen die Umzäunung durch eine Lücke im Zaun, die dort sicher ursprünglich nicht gewesen war, und ich tat es ihnen, nun doch langsam nervös geworden, gleich. Von dort ging es ein Stück durch den Tiergarten, und tatsächlich kam ich vorne an meinen, den zweiten, Startblock heran. Zeit fürs Klohäuschen war nicht mehr gewesen, aber an einem Baum war ich auf dem Weg noch. So war ich dann also gegen 8.55 an meinem schon sehr vollen Startblock angekommen. Ich schätzte ein, wo ich in etwa hingehörte (dabei bin ich immer zu schüchtern), bat die an der Absperrung stehenden Zuschauer um Durchlass und kletterte über die Absperrung. Zumindest nachdem ich mein T-Shirt, das ich, da es noch etwas kühl war, über das Singlet gezogen hatte, gelupft hatte, um die Zuschauer(!), die in diesem Bereich übrigens überhaupt nicht hätten sein sollen, davon zu überzeigen, dass sich auf meiner Startnummer tatsächlich der Buchstabe B befand, so dass ich hier richtig war. Natürlich könnte man argumentieren, dass die Startblöcke trotzdem Eingänge haben, doch solche Skrupel habe ich schon lange abgelegt. Endlich im Startblock, und es sind tatsächlich noch einige Minuten bis zum Start! Dort sehe ich das schnellste Ehepaar unseres Vereins, Imke und Dietmar. Ich frage, was Dietmar laufen möchte. Da er nicht in der Form des Vorjahres ist, möchte er mit unserem Vereinskollegen Atsushi auf 2:44 angehen, was für letzteren PB wäre (bisher 2:55 in der Hitze Wiens, wenn ich jetzt nicht den Überblick verloren habe). Das heißt, 3:53/km, und weil ich ohnehin vorsichtig angehen will, beschließe ich, mich auf den ersten Kilometern an Dietmar zu orientieren, in dessen Tempogefühl ich Vertrauen setze, denn als M50er ist er doch schon ein paar Marathons mehr als ich gelaufen. Nach dem Start ist es zunächst noch recht voll, aber da das ja auch nicht mein erster Marathon ist, lasse ich mich davon nicht beirren. Ich bin zwar nicht direkt bei Dietmar, habe ihn aber im Blick. Nach zwei Kilometern versuche ich dann selbst, das richtige Tempo zu erfühlen. Im Gegensatz zu den Vorjahren gibt es, sicher durch die geänderte Streckenführung, auch hier schon einige Zuschauer, was es mir nicht leichter macht, meinen Rhythmus zu finden, aber ich denke, dass sich die meisten Läufer darüber freuen werden und nehme es daher wohlwollend zur Kenntnis. 3:55 3:56 3:48 3:47 3:55 --- 19:21 (Die kommenden Zeiten werden teilweise interpoliert sein.) Irgendwo in der Nähe von Kilometer fünf läuft Des zu mir auf. Wie er später erzählte, war er von einer Pinkelpause aufgehalten worden. Jedenfalls frage ich ihn, ob er auch unter 2:40 laufen möchte. Er antwortet, ich verstehe die Antwort nicht ganz, nehme aber an, dass er es will und laufe mit ihm mit, obwohl er etwas schneller unterwegs ist als ich geplant hatte. Aber davon lasse ich mich nicht irritieren. Einerseits habe ich zu diesem Marathon sowieso ein leicht fatalistisches Verhältnis---wenn es schief geht, geht es halt schief. Andererseits hatte ich nach dem letztjährigen Marathon das Gefühl, zu sehr an meiner Tempotabelle geklebt zu haben, anstatt einfach ein Rennen zu laufen. Dieses Jahr werde ich die Möglichkeit, mit einem guten Partner mitzugehen, nicht ungenutzt verstreichen lassen. Das erste Mal nach Kilometer fünf schaue ich bei Kilometer neun auf die Uhr. Genau fünfzehn Minuten für die letzten vier Kilometer. Das ist zwar nicht das Tempo, das ich zu diesem Zeitpunkt des Rennens laufen wollte, aber durchaus ein Tempo, das völlig im Rahmen liegt, also mache ich mir keine Sorgen. So passieren wir die 15km-Marke etwas schneller als in den in drsl angekündigten 57:xx. 3:45 3:45 3:45 3:45 3:46 --- 18:47 --- 38:08 3:41 3:39 3:46 3:47 3:49 --- 18:42 --- 56:50 Kurz nach Kilometer 15 kommt meine erste private Verpflegungsstelle. Ich sehe die Freundin mit der Getränkeflasche rechtzeitig und kann die Flasche ohne Probleme greifen. Probleme dabei hatte ich aber ohnehin erst später erwartet, noch ist ja meine Koordination uneingeschränkt vorhanden. Bei Kilometer 16 sehe ich dann eine 3:40 auf der Uhr. Da ich das doch etwas schnell finde, gebe ich die Information an Des weiter. Etwas später ist eine Situation, die ich komisch finde. Ein Läufer, den ich nur vom Sehen kenne und der offenbar schneller ist, als ich dachte, läuft von hinten auf mich auf, spricht mich an, ich wäre doch vom Post SV, und fragt, wo den Dietmar wäre. Ich antworte, er wäre weiter hinten und würde auf 2:44 laufen. ``Der kann doch aber schneller.'' Ich muss das zugeben, wende aber ein, dass er in diesem Jahr wohl nicht schneller könne. Ich glaube, so viel habe ich mich noch nie bei einem Wettkampf unterhalten. Auf dem Bild unter http://www.fu-mathe-team.de/bm03/Kilometer16.jpeg sieht man mich (23664) mit Des an meiner rechten Schulter und dem an Dietmars Verbleib interessierten Läufer im T-Shirt. 3:41 3:44 3:45 3:45 3:53 --- 18:48 --- 1:15:38 Meine zweite Flasche bekomme ich bei Kilometer 20,5. Ich biete sie Des mit den Worten ``Kamillentee mit Maltodextrin'' an, aber er scheint das nicht verlockend zu finden. Bei der Halbmarathonmarke gehen wir in 1:19:40 durch. Etwas schneller als geplant, aber völlig in Rahmen, und ich muss auch zugeben, dass es psychologisch angenehmer ist, zu wissen, dass man die zweite Hälfte etwas langsamer als die erste laufen kann. Des fragt mich, wie es mir geht. Ich antworte, dass es meinen Oberschenkeln nicht gut geht. Er antwortet, dass es ihm auch nicht gut gehe. Es ist also alles in Ordnung, und wir laufen unser Tempo weiter. In der Tat hat meine Muskulatur bei diesem Marathon sehr früh angefangen, sich bemerkbar zu machen. Das ist definitiv kein gutes Zeichen. Andererseits ist mir aus der Erfahrung der letzten beiden Jahre klar, dass meine Oberschenkel gegen Ende schmerzen werden und dass die Frage nur ist, wann und wie stark. Daher mache ich mir keine zu großen Sorgen. 3:39 3:42 3:46 3:46 3:44 --- 18:37 --- 1:34:16 Ab und zu bleibe ich ein paar Meter hinter Des zurück. Manchmal blickt er zurück, wo ich bleibe, und noch schließe ich die Lücke immer wieder. Die Flasche, die bei Kilometer 30 auf mich wartet, bereitet mir eine Überraschung. Ich sehe die beiden Frauen, die meine private Verpflegungsstelle bilden, zwischen zwei Tischen der regulären Verpflegungsstelle stehen. Nicht besonders glücklich, denn hier kann es schon einmal Gedrängel geben, und eigentlich war ich bisher immer zufrieden, die regulären Verpflegungsstellen ignorieren zu können oder mir höchstens einen Becher zu greifen, um ihn mir über das Hemd zu schütten, denn langsam wird mir warm. Etwas irritiert und langsam weniger koordiniert ergreife ich die Flasche mit beiden Händen. Sicher nicht besonders elegant, aber ich habe sie. 3:45 3:45 3:47 3:40 3:44 --- 18:42 --- 1:52:57 Nach Kilometer 30 führt die Strecke etwas bergab, und wir nehmen Fahrt auf. Natürlich merke ich inzwischen die Anstrengung, und das Ziehen in den Oberschenkeln wird langsam zu einem echten Schmerz. Eine der wenigen Zeiten, die ich mir vor dem Lauf eingeprägt habe, ist die bei Kilometer 32. Mit einer 2:01 wäre ich gut auf Kurs. Ein Blick auf die Uhr: 2:00:13! Das gibt Auftrieb. Natürlich ist das Laufen anstrengend, aber 10km oder gar 15km Endbeschleunigung am Ende eines langen Laufes sind es auch, und aus dem Training weiß ich, dass man sie aushält. Bei der Endbeschleunigung habe ich es immer nicht geschafft, das Marathonrenntempo zu halten, aber ich sage mir, dass es wichitger ist, die Anstrengung *jetzt* zu leisten. So zeigt mir die Uhr bei Kilometer 34 an, dass ich die letzten beiden Kilometer in 7:27 gelaufen bin. Das gibt mir weiteren Mut: Obwohl ich keuchend mit schmerzenden Beinen laufe, kann ich das Tempo halten und überhole dabei sogar noch. Wie ich am Abend in einem ungewohnten Anflug von Machismo noch mehrmals sagen werde: Ein Marathon ist halt kein Kindergeburtstag. 3:37 3:39 3:44 3:44 3:43 --- 18:26 --- 2:11:24 Bei Kilometer 35,5 bekomme ich das letzte Getränk. Viel geht nicht mehr in den Magen. Dass ich jetzt doch den Anschluss an Des verliere, ist gar nicht so wichtig, zumal der Abstand dann doch so bleibt, dass ich ihn immer noch im Auge habe und mich an ihm orientieren kann. `Moral drafting' nennen das die Triathleten auf der Radstrecke wohl. Ich fange an zu rechnen. Sollte man vielleicht nicht, aber nachdem ich bei Kevin Beck gelesen habe, dass er das tut, wird es mir auch erlaubt sein. Bei Kilometer 37 weiß ich, dass nun ein Viererschnitt ausreicht, um unter 2:40 zu bleiben. Ich weiss, dass ich es schaffe. Kein Grund nachzulassen, aber so ganz halte ich das Tempo nun doch nicht mehr. Die 4:08 bei Kilometer 40 sehe ich zum Glück nicht auf der Uhr. Hinterher werde ich lesen, dass auch andere hier eine hohe Zeit hatten. Vielleicht stand das Schild falsch, vielleicht war es aber doch nur eine leichte Steigung, die sich bei unseren müden Muskeln mehr als sonst ausgewirkt hat. Die interessanteste, wenn auch etwas abwegige, Theorie besagt, dass die 42m, die eine M-Strecke prinzipiell zu lang vermessen wird, alle diesem Kilometer zugeschlagen wurden ;-) 3:42 3:48 3:48 3:54 4:08 --- 19:19 --- 2:30:43 Auf die zwei Kilometer lange Zielgerade eingebogen, versuche ich noch einmal, das Tempo hochzuhalten. Um mich herum sind einige Läufer mit ähnlichem Tempo. Ich laufe noch auf eine Frau auf, und habe wohl auch noch etwas zu ihr gesagt, um sie anzuspornen. Ob das angemessen war, weiß ich nicht, zumindest wird sie es nicht verstanden haben, denn inzwischen habe ich in der Ergebnisliste gesehen, dass sie Finnin ist. Wer noch eine Aufzeichnung der ARD-Übertragung hat, kann sie beim Start nervös scheinend mit der Startnummer F43 in der ersten Reihe stehen sehen. Ich sehe, dass ich näher an Des heran gekommen bin. Ich denke, dass es keinen Grund gibt, dass wir nicht beide noch etwas schneller laufen, und beschleunige. In Rufweite an ihn herangekommen, schreie ich ihn an, er solle laufen. Ich gehe trotzdem an ihm vorbei, aber wie er mir hinterher erzählt, hängt er sich an meine Hacken. Wenn ich ihm hier noch ein paar Sekunden eingebracht haben sollte, würde es mich freuen, er war für mich bei diesem Rennen noch viel hilfreicher. Die Großuhr am Ziel spornt mich noch ein wenig an, und ich stoppe meine Uhr mit 2:38:58 auf der Ziellinie. 3:51 3:41 43 --- 8:15 --- 2:38:58 Nach dem Ziel bin ich so glücklich wie schon sehr lange nicht mehr nach einem Wettkampf. Die Ich-bin-im-Ziel-angekommen-Medaille lasse ich mir gerne umhängen. Ich quatsche noch ein wenig mit Des und einigen anderen Läufern. Ich bin sehr erschöpft, aber das Gehen geht ganz gut, die langen Wege im Zielbereich finde ich nicht störend. Ich gönne es mir noch, mir von zwei Physiotherapie-Schülerinnen die müden Beine massieren zu lassen. Sie meinen auf Nachfrage, man merke der Muskulatur die getane Arbeit an, sie fühle sich aber nicht so schlimm an, wie sie es erwartet hätten. Ich treffe noch einige andere Post-SV-ler, denen es auch gut ergangen ist. Hier die Ergebnisse von einigen der im Bericht erwähnten: Wollny, Hans-Peter Laufvermögen Berlin GER 2:31:58 (HM 1:13:46) Boesang, Klaus Helios Berlin GER 2:38:15 (HM 1:15:41) Schultz, Carsten Post SV Berlin GER 2:38:58 (HM 1:19:40) King, Desmond SCC Berlin IRL 2:39:00 (HM 1:19:41) Klocke, Dietmar Post SV Berlin GER 2:42:49 (HM 1:21:57) Itabashi, Atsushi Post SV Berlin JAP 2:44:57 (HM 1:21:56) Micus, Clemens Berliner SV 1892 GER 2:58:31 (HM 1:20:51) Wenn man bedenkt, dass meine HM-PB bei 1:15 liegt, muss ich wohl nicht grämen, wenn in der Vorbereitung Hans-Peter und Klaus Boesang meist vor mir lagen. Wenn die beiden langsamere zweite Hälften hatten, so liegt das wohl auch daran, dass sie schon viele gute Maerathons hinter sich haben und nun für einen richtig guten auch mal etwas riskieren müssen. Für Clemens tut es mir leid, ich habe noch nicht mit ihm gesprochen, woran es lag, aber er hatte schon in der Woche vor dem Marathon erzählt, dass er sich völlig erschöpft fühlte. Ich bin im Nachhinein immer noch sehr zufrieden mit meinem Rennen. In den letzten beiden Jahren bin ich (allerdings auf geringfügig anderem Kurs) die letzten fünf Kilometer in 19:5x gelaufen, dieses Jahr war es in 19:20, die letzten 10km in 38. Natürlich frage ich mich inzwischen, ob die letzten 5km nicht noch etwas schneller gegangen wären, und hätte ich gewusst, dass die Form gut genug ist, hätte ich die ersten 5km wohl nicht ganz so vorsichtig angehen müssen. Aber das alles macht weniger als eine Minute. Ein nahezu optimales Rennen. Gegenüber der ersten Ergebnisliste im Netz wurde die Bruttozeiten inzwischen um eine Sekunde nach unten korrigiert. Dadurch stimmt sie nicht nur exakt mit meiner selbst gestoppten überein, unser Mannschaftsergebnis ist auch gerade noch unter 7:50 gerutscht: Holger 2:28:11 ich 2:38:58 Dietmar 2:42:49 ------- 7:49:58 Das ist etwas langsamer als im letzten Jahr (Holger, Dietmar, Ralf) und die einzige Art, wie ich in die Deutsche Jahresbestenliste komme ;-) Im Internet konnte man sich noch einmal den eigenen Zieleinlauf ansehen. Ich gestehe, dass ich es etwas ernüchternd fand, wie voll es bei mir (156. Platz gesamt) schon war. Der Berlin-Marathon ist groß. Um einen Eindruck zu vermitteln: Im Bereich von 2:35 bis 2:40 kamen 69 Männer ins Ziel, davon waren 28 Deutsche und von diesen 8 Berliner. Um die langweiligen statistischen Details zu beenden: Der Muskelkater kam am Montag heftig und war am Mittwoch fast weg. |