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Bericht

Name des Laufes:27. Helsinki City Marathon
mehr zum Lauf: VID6377
Datum des Laufes:18.8.2007 (Sat)
Ort:Helsinki, Finnland
Plz:k.A.
Homepage:www.helsinkicitymarathon.com
Strecken:MA
Beschaffenheit:Asphalt, teilweise Kopfsteinpflaster
Profil:leicht hügelig
Wetter:wolkenlos, 23°C
Teilnehmer:5411 Finisher
Name des Berichtenden: CePeZet LID1513
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Bericht vom 6.9.2007 (Thu)
kolme, kaksi, yksi…(3,2,1…) Helsinki City Marathon, 18.8.07
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Eigentlich ist ja die Lufthansa schuld!

Warum müssen die auch so günstige Europaflüge anbieten? Für 99€ mal eben von Frankfurt nach Helsinki – da kann man kaum „nein“ sagen.

So war die Planung meines diesjährigen Marathons ganz einfach: Liste der interessantesten, europäischen 99€-Zielstädte mit den Marathonterminen versehen und als Ergebnis, mit dem passendsten Termin, kam die finnische Hauptstadt heraus. Dazu noch ein nettes Hotel am Hafen gebucht: Fertig ist die Marathonreise Marke Eigenbau.

Da meine Frau und ich noch nie in Skandinavien waren, haben wir uns gleich mal 6 Tage für die Reise reserviert und wurden mit durchweg Spitzenwetter belohnt (man konnte sogar noch in der Ostsee baden). Neben der Erkundung der „weißen Stadt des Nordens“ haben wir uns auch eine „Tageskreuzfahrt“ nach Tallinn (Estlands Hauptstadt mit der historischen Altstadt ist nur 2 Schiffsstunden entfernt) gegönnt.

Bevor ich endlich zum Marathonbericht komme, noch ein Wort zu unseren „Gastgebern“: Wir haben die Finnen als allesamt freundliche, hilfsbereite und vor allen Dingen mehrsprachige Mitmenschen kennengelernt – und das war auch unbedingt notwendig: Die finnische Sprache wird mir für immer ein Rätsel bleiben. Alle mir geläufigen Fremdsprachen sind in keinster Weise mit dem Finnischen verwandt.
In sämtlichen Texten, Schildern, Lautsprecherdurchsagen usw. habe ich nie auch nur ein Wort verstanden (außer „Sauna“, dem wohl einzigen finnischen Wort im deutschen Sprachgebrauch). Man ist jederzeit auf das Wohlwollen der Einheimischen angewiesen. Und hier zeigt sich, dass die Finnen mit Recht auf den vordersten Plätzen der Pisa-Studien stehen. Selbst kleine Kinder sprechen schon ein ausgezeichnetes Englisch und können aus praktisch jeder Not retten. Wahrscheinlich ist gerade die vertrackte Sprache „schuld“ an der Intelligenz der Finnen (es gibt nur 5 Mio. Finnen - ausländische Filme gibt es meistens nur mit Untertiteln und Bücher oft nur in Englisch). „Wer Finnisch lernen kann, kann alles lernen!“

Kleines Beispiel gefällig: Im Finnischen kennt man 15! Fälle (Kasus) – wir Deutschen haben ja schon mit 4 Fällen Probleme („Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod!“).
Aus diesem Grund kann schon mal ein ganzer Satz in einem Wort verschachtelt sein: „taloissanikinko“ bedeutet: „Auch in meinen Häusern?“ oder, noch besser: "Ausschuss zur Durchführung von Verhandlungen über die Einstellung von bewaffneten Feindseligkeiten" heißt auf Finnisch: "aseleponeuvottelutoimikunta".
Keine Angst, nicht dass jemand noch glaubt ich könnte jetzt doch das eine oder andere Wort – das ist alles nachträglich recherchiert und kopiert (selbst beim Abtippen würden mir bestimmt etliche Fehler unterlaufen).
Als Beweis nochmal der Straßenname unseres Hotels, den ich mir während der ganzen 6 Tagen nicht merken, geschweige denn aussprechen konnte: „Ruoholahdenranta“.

Da war doch noch was? Ach ja, der Marathon!

Mir kam es fast so vor, als hätten die Finnen den auch vergessen. Es gab in der ganzen Stadt keine Plakate, Werbebanner, Absperrungsgitter etc., wie man das von den größeren deutschen Stadtmarathons kennt. Geht es auch ohne das alles? Es geht! Die Finnen sind anscheinend Improvisationstalente, wie sich später zeigen wird.

Freitags holen wir die Startunterlagen im Olympiastadion ab. Mit dem ÖPNV-Touristenticket kommen wir problemlos per Straßenbahn überall hin. Startgebühr 65 € inklusive Nike-Funktionsshirt und Medaille, sowie Leih-Championchip (eigene dürfen nicht verwendet werden).
Die Marathonmall beschränkt sich auf 12 kleine Stände im Flur des Stadions und einen größeren vom Hauptsponsor (Nike). Wer hier viel shoppen wollte wurde enttäuscht.

Der Renntag: Samstag, 18.8.07:
So ein später Starttermin (15 Uhr) hat schon seine Vorteile. Man kann den Tag erstmal gemütlich anfangen, noch ausgiebig frühstücken und sich langsam auf das Rennen vorbereiten.
Kurz nach 13 Uhr breche ich auf Richtung Olympiastadion.
Meine Frau macht derweil eine Shoppingtour.
Vor dem Stadion sind noch einige Bilder an der Paavo-Nurmi-Statue Pflicht.
Dann folgt wieder ein Rätsel auf Finnisch: Was heißt „Lähtö“ über dem großen aufblasbaren Tor: „Start“ oder „Ziel“? Es sollte sich später herausstellen, dass es „Start“ heißt, „Ziel“ heißt „Maali“.

Um 14 Uhr beginnt ein leichtes Aufwärm- und Dehnungsprogramm auf dem Rasen des Olympiastadions. Noch'n Banänchen essen, Tasche wie alle anderen auf der Tribüne deponieren (Das geht auch! Wer Wertsachen hat, kann diese natürlich auch gesondert abgeben) und ab in die Startaufstellung. Der Sprecher kann auch deutsch und begrüßt die deutschen Gäste.

Nach dem Countdown (kymmenen, yhdeksän, kahdeksan, seitsemän, kuusi, viisi, neljä, kolme, kaksi, yksi) der Startschuss und Ballons werden steigen gelassen. Auf den ersten 5 Kilometern ist es sehr eng auf der Strecke. Ich laufe dicht hinter den 4h Pacemakern. Zusätzlich läuft der normale Verkehr weiter und es gibt kaum Zuschauer. Das Läuferfeld ist nur durch einige kurz zuvor aufgestellte Pylonen vom Autoverkehr getrennt. Das macht das Rennen am Anfang etwas "ungemütlich".

Dann überhole ich die Pacemaker in einem Gefälle und es wird lichter im Feld. Aprospos Gefälle: es ist schon ein unheimlich welliger Kurs mit über 300HM über Brücken und ansteigende Straßen. Dazu ist es relativ warm bei 23° und wolkenlosem Himmel. Gut dass in den Häuserschluchten die Schatten immer länger werden und permanent ein kräftiger Wind bläst. Der Belag ist auch nicht immer optimal: viele Passagen mit z.T. sehr grobem Kopfsteinpflaster und vor allem ständigem Springen auf Bürgersteige.

Optimal ist dafür die Verpflegung auf der Strecke: sobald der leiseste Bedarf nach Erfrischung aufkommt, gibt es Posten mit Gatorade und Wasser sowie im Wechsel Wasserschwämme. Wegen der Hitze und fehlender Eigenverpflegung lasse ich keinen dieser Erfrischungspunkte aus. Nur unter den aufgebauten Duschen laufe ich nicht durch: Das Laufen in nassen Schuhen ist nicht sehr angenehm. Zu Essen gibt es ab Rennmitte Rosinen, Bananen und Dörrpflaumen. Das alles vertrage ich sehr gut, bloß die öfters angebotenen sauren Gurken sind furchtbar: die werfe ich nach zwei Bissen weg, weil ich sie sonst auf anderem Weg schnell wieder loswürde. 3km vor dem Ziel und vor der letzten größeren Steigung gibt es kleine Becher mit Magnesiumlösung. Super! Ich habe keine Andeutungen von Krämpfen. Vorsichtshalber hatte ich bei km 30 schon mein eigenes Magnesiumpulver eingenommen.
Kurz vor dem Ziel gibt es auch Bonbons - mit denen kann ich zu diesem Zeitpunkt aber nichts anfangen.

Nochmal zur Strecke: Es handelt sich um eine Wendestrecke, bei der allerdings Hin- und Rückweg durch unterschiedliche Routenführung nur teilweise überlappen. Sie geht an zahlreichen historischen und architektonisch interessanten modernen Gebäuden vorbei und ich fotografiere mit meinem Handy (das ich immer in meiner Hand trage) vieles, außerdem verläuft sie häufig am Wasser entlang, sodass es nicht langweilig wird.
Highlight: Bei ca. km13 geht es an der Nokia-Zentrale vorbei und hinter den futuristischen Gebäuden beginnt ein See auf dem eine künstliche Insel mit runder Plattform ist. Auf dieser spielt eine Rockband mit einem Supersound! Die ganze Läufermenge ist begeistert.

Ca. bei km 18 kommen mir die späteren Sieger (Kenianer) entgegen. Sie werden von uns ordentlich angefeuert.

Kurz vor unserem Hotel bei km 20 werde ich von deutschen Zuschauern wegen meines "von null auf 42" T-Shirts besonders angefeuert. Seltsamerweise verläuft die Strecke nicht, wie eingezeichnet direkt vor dem Hotel entlang, sondern dahinter, aber da meine Gattin ja sowieso beim Shoppen ist, rechne ich auch nicht mit ihr als Zuschauerin.

Dann, bei km25, nach der grandiosen Strecke auf den Hafen zu und die weiße Kathedrale vor unseren Augen, höre ich meinen Namen zweimal: Meine Frau! Sie steht am Marktplatz und winkt mir zu. Obwohl ich schon vorbei bin, drehe ich natürlich um und es gibt erstmal Küsschen und Fotos. Dadurch nochmals emotional aufgeputscht geht es weiter auf die verbleibenden 17 km. Hinter dem Marktplatz am Esplanadi-Park stehen die meisten Zuschauer an der Strecke (in mehreren Reihen hintereinander) und es ist ein tolles Gefühl von ihnen angefeuert zu werden.

Jetzt kommen uns die langsameren Läufer entgegen und das motiviert wiederum ungemein. Die entgegenkommenden werden natürlich immer langsamer und zeigen teilweise ein Bild des Elends. Aber auch auf meiner Seite haben viele Läufer konditionelle Probleme. Anfänglich hauptsächlich an Steigungen, später auch auf normaler Strecke, ziehe ich an etlichen Wanderdünen vorbei. Mir gibt das wieder zusätzlich Power, denn ich weiß, dass ich gut vorbereitet bin. Ich kann sogar erneut Gas geben, denn 4km vor dem Ziel brauche ich nicht mehr mit den Kräften haushalten. Eine Zeit unter 4h ist mir jetzt schon sicher, auch wenn ich die letzten Meter wandere - aber weniger als 3:50 wäre ja auch nicht schlecht. Also weiterhin locker laufen, etliche Sportskameraden einsammeln und auf das Ziel freuen.

Etwas Bammel habe ich noch vor der letzten großen Steigung bei km 40, aber auch hier komme ich gut rüber. Dafür wird die Zeit bis 3:50 knapp. Das Olympiastadion ist schon in Sicht, da geht es nochmal hoch, weil es auf einem Hügel liegt. Hier wird ein benommener Läufer am Rand von einem Arzt versorgt. Der letzte halbe km zieht sich und ich hoffe, dass es mir nicht genauso geht.

Aber die Zweifel sind verflogen, als es durch das Marathontor ins Stadion geht. Damit hatte ich nicht gerechnet, denn der Streckenplan zeigte das Ziel neben dem Stadion. Und jetzt das: Eine volle Tribüne mit applaudierenden Zuschauern, der Stadionsprecher heizt noch zusätzlich ein und ich laufe über die Bahn der Leichtathletik-WM von 2005. Ein letzter Blick auf die Uhr: 3:49:37 und noch ca. 100m zu laufen. Also Sprint! Dafür gibt es Extra-Applaus vom Publikum und nach 3:49:50 bin ich im Ziel!

Jaaaa! Geschafft!

Ich stütze mich auf der inneren Absperrung ab und muss erst mal weinen! Marathon Nr. 5 liegt hinter mir. Die Glückshormone fahren in mir Achterbahn. Fast verpasse ich die Anzeige meines Namens auf der großen Stadionanzeige. Ich gehe ein paar Meter und bekomme von einem kleinen Mädchen meine schwere Medaille. Wieder kommen die Tränen geschossen.
Einige Meter weiter wird von kleinen Jungs der Leihchip mit dem Seitenschneider entfernt. Jetzt kommen Verpflegungsstände mit Eistee, Trinkjoghurt, Lakritz, Eis - das kommt alles in die Tüte. Danach gibt es noch Gatorade, Wasser, Brot und Kaffee. Auch beim Kaffee stelle ich mich an (obwohl ich keinen mag), denn es gibt Schokoladenmedaillen. Ich nehme welche für meine Kinder mit, die bei den Großeltern untergebracht sind.

Dann setze ich mich auf ein freies Fleckchen der Laufbahn, esse mein Eis und schreibe meiner Frau eine SMS mit meinem Ergebnis, während der Stadionsprecher weiterhin die nachkommenden Finisher begrüßt. Die ausländischen Sportler werden oft namentlich genannt; auch einige Deutsche sind darunter. Ich trinke noch meinen Eistee, esse das trockene Brot und mache mich auf den Weg zum Olympia-Schwimmbad.
Nach dem Duschen gehe ich zum Schwimmbecken (nur Freibad). Ich halte es genau 10 Sekunden aus, dann fange ich dermaßen an zu schlottern, dass ich sofort wieder ins Warme muss. Zum Glück gibt es 2 Saunen. Ich bekomme zwar nur einen Stehplatz in der mit ca. 50 Mann besetzten Sauna, aber die Wärme tut gut. Danach brause ich mich erneut ab, ziehe mich an und mache mich auf den Weg zur Straßenbahn. Unterwegs kommen mir noch die letzten Mohikaner entgegen. Alles Zeiten 5h und aufwärts. Ein alter Mann läuft so gebückt, dass man Angst haben muss, er kippt vorne über.

Ich bin glücklicherweise noch relativ fit und freue mich aufs Abendprogramm.

Im Hotel angekommen treffe ich sofort meine Frau auf dem Zimmer und nach dem Umziehen fahren wir nochmal mit der Straßenbahn in die Stadtmitte. Hier ist was los! Alle Restaurants und Bars sind gut besucht, es gibt Livemusik und gute Stimmung (obwohl des Bier sehr teuer ist). Spät erreichen wir mit der letzten Straßenbahn unser Hotel.

Schön, dass wir danach noch einige Tage in dieser schönen Stadt verbringen konnten.

Ich bin schon gespannt, wo uns der Flugplan im nächsten Jahr hinführt.

Kiitos (Danke) für Eure Aufmerksamkeit.

CePeZet


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