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Bericht

Name des Laufes:26. Syltlauf
mehr zum Lauf: VID4962
Datum des Laufes:18.3.2007 (Sun)
Ort:Hörnum / Sylt
Plz:D2
Homepage:http://www.syltlauf.eu/html/syltlauf.html
Strecken:33,333 km
Beschaffenheit:Asphalt, feste Naturwege
Profil:Steigungen im letzten Drittel
Wetter:Sturm mit Böen bis Stärke 11, meist Sonne
Teilnehmer:1300
Name des Berichtenden: harriersand LID590
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Bericht vom 20.3.2007 (Tue)
Der Sturmlauf: mein dritter Syltlauf am 18.März 2007:

Schon in der Nacht zum Sonnabend heult und tost der Wind um unsere FeWo unter’m Dach. Die Vorhersage ist nicht gerade beruhigend: Windstärke 7-8, in Böen auch mehr. Beim Strandspaziergang am Sonnabend ist das Meer aufgewühlt, Gischtflocken sausen über den Sand, hohe Wellen brechen sich mit Getöse, der Sturm ist außerdem sehr kalt, dass mir das Gesicht bald wehtut. Oh je, das kann ja was werden – meine tchibo-Sturmhaube liegt natürlich zuhause. Nachts prasseln die Schauer auf unsere Dachfenster, na toll, Sturm UND Regen, das freut die Läuferseele: keiner soll nass sein, ohne zu frieren!
Abends sagt der Wetterbericht Sturm bis Stärke 9 voraus, Böen bis 126 km/h.

Am Sonntagmorgen ist es wenigstens trocken. In der Kurverwaltung in Hörnum treffe ich die Leutchen aus Hübis Forum und aus laufen-aktuell; aufgeregtes Hinundherschwatzen über Ziele und Form und überhaupt. Und plötzlich geschieht, was keiner erwartet hätte: die Sonne kommt heraus! Wird sie bleiben?
Es wird Zeit, zum Start vorzulaufen. Der Sturm hat das Startbanner weggerissen! Der traditionelle Anfeuerungsruf ertönt: „Seid ihr reif für die Insel?!“ Vielstimmiges Gegröle ist die Antwort, der Startschuss – und los geht’s. Ich bin unterwegs.
Meine Strategie hatte ich mir so zurechtgelegt: 6:30 pro km kann ich locker schaffen und spare mir gleichzeitig Kräfte für die Dünen auf dem letzten Drittel. Selbst wenn ich für einige km auf einen 7er Schnitt zurückfalle, klappt es mit einer neuen PB. Ich will aber nach Puls laufen, und der darf 150 nicht nennenswert übersteigen bei dem angepeilten Tempo.

Km 10: die Uhr zeigt 1:05 nochwas. Na prima, klappt doch!
Meinem Mann habe ich gesagt: um 11.45h bin ich etwa in Westerland; er will an der Promenade auf mich warten. Und als ich dort langkomme, zeigt die Uhr exakt 11.45h, ich bin gelaufen wie ein Uhrwerk, obwohl ich die Durchgangszeiten überhaupt nicht beachtet hatte, nur den Puls!

Aber noch bin ich auf dem ersten, etwas langweiligen Stück nach Rantum. Der Sturm kommt heftig von links und pustet mich schon mal kurzerhand von der rechten Seite des Radwegs, auf dem wir laufen, auf den Grasstreifen. Die Startnummern der Läufer um mich rum knattern laut (wie schon in 2004), es ist eine unglaubliche Geräuschkulisse aus Sausen, Tosen und Knattern um den Kopf.
Rechts, an der schmalsten Stelle der Insel das Meer, ansonsten braune Heide, Dünen – eine karge Mondlandschaft- eindrucksvoll.
Endlich erreichen wir Rantum. Überall stehen Zuschauer an der Straße, klatschen und feuern an; da ist die erste Getränkestelle. Schnell einen Becher Wasser (warm, das ist gut für den Darm!) eingegossen und weiter!
Hinter Rantum gesellt sich ein Läufer zu mir. Offenbar passt ihm mein Tempo, er bleibt immer neben mir. Schweigend, aber einträchtig traben wir nun nebeneinander her.
Vor Westerland kommt der Streckenabschnitt, wo man direkt gegen den Wind an muss. Uff!! Laufe ich gegen eine unsichtbare Wand? Ich stemme mich dagegen, versuche, im Laufen zu bleiben, mein Puls klettert um 12 bpm! Endlich biegt die Strecke wieder nach rechts ab, es geht auf die Westerländer Promenade zu, wo mein Mann auf mich wartet. Ein Foto, kurzes Winken, weiter.
Der Blick auf das Meer ist überwältigend. Diese Riesenbrecher! Das Getöse – alles ist grünweiß und voller Gischt. Und düster drohen dunkelgraue Wolken im Westen, aus denen graue Regenschleier fallen. Ein imposanter Anblick, der bedeutet: da kommt ein Unwetter! Die starken Böen, die der Front vorangehen, schubsen mich fast um, ich kann kaum Kurs halten. Am Ende der Promenade, an dem Holzsteg, erzeugt der Orkan ein Sandstrahlgebläse, pfui, das geht auch in die Augen. Und nun regnet und graupelt es, was das Zeug hält. Mir tun die Helfer leid, die am Ende der Promenade stehen und die Läufer nach rechts weisen: wir laufen nun in einen etwas windgeschützten Bereich, sie aber müssen stehen bleiben.
Der Schauer lässt meinen Mitläufer und ich die ersten Worte wechseln. Immerhin traben wir schon gut sechs km nebeneinander her…
Und weiter im Schutz der Dünen, für ein kleines Weilchen, zur Erholung. Bei km 20 stelle ich fest, dass ich nicht mehr genau in der Zeit liege, bin etwa 2 Minuten verzögert. Huch?!

Mein Mitläufer bleibt mir treu. An den Getränkestellen hält er sich länger auf als ich, läuft aber immer wieder ran. Etwa an der HM-Marke stürzt eine Zuschauerin mit dem lauten Freudenschrei „Horssi!!!“ auf ihn zu und begrüßt ihn ausgiebig. Aha, also Horssi. Er bleibt stehen, ich lasse ihn zurück, aber wieder kommt er ran und läuft weiter mit mir.
Der Orkan scheint noch stärker zu werden. Ich fühle mich wie sein Spielball. Es ist, als ob unsichtbare Zuschauer an der Strecke stehen und einen aus Jux kräftig schubsen, mal von hinten, mal von der Seite, und manchmal stellen sie sich entgegen und stemmen einen zurück. Ich gerate aus der Spur, falle ein paar Mal fast hin, werde gebremst, beschleunigt. Auch Horssi hat seine Probleme.
Zwischendurch aber geht mein Blick über die düsteren Dünen und das Meer, es sind unglaublich schöne Szenerien, die sich dem Auge darbieten. Man hätte doch den Foto mitnehmen sollen, vor allem, da auch noch die Sonne scheint! Die Luft ist klar, man sieht sehr weit. Und die Läuferschlangen, die sich die Anstiege hochwinden, der riesige norddeutsche Himmel über der Dünenlandschaft– nur leider singen heute, bei dem Sturm, keine Lerchen.

Das erste Mal habe ich bei diesem Wettkampf einen MP3-Player dabei. Die Musik lenkt von dem einen oder anderen Wehwehchen gut ab und feuert an. Manchmal passen die Songs auch richtig gut: Led Zeppelin „When the levee breaks…“ ja, das sollte auf Sylt nicht passieren. „Locomotive breath“… auf den letzten km vielleicht! „Gimme shelter“ kommt gerade, als ich in den Windschutz einer Düne reinlaufe, gut getimed. „Paint it, black“ – das war die dicke schwarze Wolke von Westerland. Curt Cobain gröhlt „Here we are now, entertain us“, das würde ich denjenigen Zuschauern, die bloß langweilig rumstehen, gerne mal ins Gesicht singen, aber wenn die den Song nicht kennen, schicken die mir noch den Saniwagen hinterher! „Sympathy for the devil“ – hm, sag ich nicht. Eine Zeitlang verbringe ich damit, den Text von Seeeds „Aufstehn“ aufs Laufen umzudichten, ha, das klappt sogar - mehr oder weniger.
Km 28. Immer noch ist Horssi neben mir. Es wäre doch lustig, zusammen ins Ziel zu laufen, wo wir schon so lange… doch leider reißt mich ein unangenehmes menschliches Rühren aus meinem Dahintraben. Ich versuche es zu ignorieren, schließlich gibt es kein Dixi (mit dem wäre man bei dem Sturm auch wohl weggeflogen) und das Gebüsch ist nur rudimentär vorhanden. Aber es lässt sich weder ignorieren noch wegignorieren, schließlich versuche ich es einfach gar nicht zu ignorieren, aber nichts hilft. Ich lasse Horssi ziehen und springe hinter kniehohe Kiefernkuscheln, voll peinlich, aber nicht zu ändern.
Die Auszeit lohnt sich, hinterher fühle ich mich besser und versuche, „im Arbeitstempo Teerrabb“ Horssi wieder einzukriegen. Der Sturm schiebt jetzt richtig, ich komme flott voran.
Die letzte Steigung auf List zu, ha, das ist doch jetzt ein Klacks. Massive Attack spielt im Player, na dann mal los. Horssi bleibt leider verschollen. Die letzten 500m, die Strecke biegt ab – und jetzt macht der Sturm eine massive Attacke! Was ist denn das?! Ich laufe gegen eine Wand, die Ohrstöpsel werden mir zack! aus den Ohren gerissen (wo sie immerhin 33km drin saßen), ich mache mich möglichst klein und denke, diese letzten Meter dauern ja so lange wie ein ganzer km vorher. Nach rechts in die Zielgerade, hurra, man kann noch mal einen Schritt zulegen: 3:42:58, etwa vier Minuten schneller als 2005. Ohne Gebüschpause und mit Horssi wären es noch mal 1,5 Minuten schneller gewesen, wie ich später der Ergebnisliste entnehme.
Medaille geholt, ein Gatorade, mehr nicht. Letztes Mal wurde mir beim Stehen in der Halle flau, deshalb gehe ich gleich wieder an die frische Luft.

Ich bin zufrieden, denn meine Strategie des langsamen Laufens nach Puls hat sich ausgezahlt. Hat mir zu neuer PB verholfen. Die Jahre vorher bin ich deutlich schneller angelaufen, aber dann viel langsamer geworden. Hach, Syltlauf ist toll!

Zum Bus, nachhause, und in die Badewanne! Als das Wasser abgelaufen ist, liegt eine kleine Sandschicht am Boden.

Auf dem Weg zur Siegerehrung reißt uns der Sturm fast um. Ich kann es kaum glauben: Bei diesem Wetter bin ich gerade 33,333 km gelaufen?? Unfassbar!

Danke für's Lesen, ist ja etwas lang geraten, der Bericht!


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