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Bericht

Name des Laufes:10. Ford Köln Marathon
mehr zum Lauf: VID2976
Datum des Laufes:8.10.2006 (Sun)
Ort:Köln
Plz:D5
Homepage:http://www.koeln-marathon.de/
Strecken:Marathon
Beschaffenheit:Aphalt, wenige 100 m Kopfsteinpflaster
Profil:ca. 93 Höhenmeter
Wetter:sonnig, 18 °
Teilnehmer:10.452 (M)
Name des Berichtenden: maerbinger LID1685
Hans-Götz aus

Bericht vom 22.10.2006 (Sun)
Nach genügendem emotionalem Abstand zu meinem persönlichen Waterloo in Köln versuche ich nun mal, diesem hervorragenden Event gerecht zu werden:
Am Vortag angereist, die Startunterlagen auf der Marathonmesse bereits abgeholt, konnte man den Sonntag geruhsam angehen, da der Start erst um 12.00 Uhr (Topläufer) stattfand.
Kurz vor 11 war ich am Deutzer Bahnhof und verschaffte mir einen ersten Überblick über die Startmeile. Zur Marathonmesse und zur Kleiderbeutelabgabe waren ca. 500 m zu laufen. Das hieß natürlich, sich rund 1 km durch die Massen von Läufern und Zuschauern zu kämpfen.
Die „Schutztüte“ (anstatt Müllbeutel), die uns der Veranstalter für das Warten am Start zur Verfügung stellte, brauchte ich nicht, da die Sonne angenehm mild alles erwärmte. Kurzum: das Wetter war absolute Spitze! Fast keine Wolken am Himmel und schätzungsweise 18° im Schatten.

Die Startaufstellung war schon ein Event für sich. Startblock reihte sich an Startblock. Ein Gewusel von tausenden von Läufern und Zuschauern aus allen Richtungen drängte sich an der Startmeile. Ebenso kämpften sich unzählige Halbmarathonis, die gerade ins Ziel eingelaufen waren, mit ihren Schutzfolien gegen den allgemeinen Strom.
Aprospos Strom! Hier stand ich das erste Mal unter demselben! Dieses rummelplatzartige Treiben, die Musik, das Anfeuern des Sprechers der startenden Inlineskatern sowie der kreisende Fernsehhubschrauber vermittelte mir erstmalig das Gefühl, Teil eines ganz herausragenden Ereignisses zu sein! Die ersten Schauer liefen mir den Rücken runter!
Ungefähr gegen 11.45 Uhr begab ich mich in meinen Startblock „orange“. (der 3.) Der Start, den ich auf ca. 12.20 Uhr für meine Gruppe schätzte, rückte immer näher. Nachdem die ersten Starts erfolgten, wurde unsere Gruppe blockweise immer weiter nach vorne geführt. Hatte ich vorher noch das Gefühl, der Zahnarzt warte auf mich, kehrte bei mir langsam Ruhe ein. (die vor dem Sturm!)

Um 12.28 Uhr war es nun soweit: ich überlief die Startlinie! Kurz darauf ging es auf die Deutzer Brücke und ich lief bewusst zurückhaltend in einer 5:25er Pace. Aber hoppla, an dem bisschen Steigung schon Puls 156!? Na ja, die Aufregung halt! Die Deutzer Brücke hinab und am Heumarkt vorbei war mein Puls wieder im gewohnten Bereich. Weiter am Neumarkt vorbei zum Rudolfplatz, einem sogenannten Hotspot, wo wir Läufer insgesamt 3 x vorbeikamen, gab es wieder eine große Zuschauermenge, die uns unterstützt von einem Moderator anfeuerte. Nun, nach 4 – 5 km merkte ich nach wiederholtem Kontrollblick auf meinen S625X, dass etwas nicht stimmte! Mein Puls näherte sich schon der 160, obwohl ich immer in meiner geplanten Pace lief! Nachdem nach weiteren paar km der Puls sich Richtung 165 bewegte, wurde mir bewusst, dieser Lauf wird ein Desaster werden! Der Hintergrund war mir natürlich auch klar: ich hatte mir vor knapp 3 Wochen eine Erkältung eingefangen. Nach einer Woche wenig Training stieg ich wieder recht erfolgreich in mein Trainingsprogramm ein. Aber Reste dieser Erkältung, wie eine laufende Nase, war ich auch noch an diesem Sonntag nicht 100%-ig los. Aber dass es mich so beuteln würde, damit hatte ich bei weitem nicht gerechnet! Jetzt hieß es, meine Laufstrategie umzuwerfen, denn so würde ich früher oder später am Straßenrand enden! Die neue Strategie durfte nur heißen: ankommen! Denn immerhin hatte ich ja schon ein Finishershirt erworben; wie hätte ich dieses jemals ruhigen Gewissens anziehen können? Die Pace war ab jetzt totale Nebensache, nur der Puls zählte. Nachdem dieser bis 170 orgelte lief ich nun so, dass er sich zwischen 160 und 165 einpendelte, einem Wert unterhalb meiner anaeroben Schwelle, den ich imstande war, längerfristig durchzuhalten. Aber noch rund 30 km!? Und die quasi auf dem Zahnfleisch!? Oh je! Gibt es ein schlimmes Ende?
Soweit, so gut; nun weiter zum allgemeinen Laufgeschehen:
Durch die Stadtteile Bayenthal, Neustadt Süd kam ich bei km 15 an der Uni vorbei. Hier auch ein Hotspot, an dem sich die Massen für unsere Motivation bemühten. Bei mir war Hopfen und Malz verloren. Meine Motivation war Masochismus! Leidensfähigkeit war gefragt. Es folgten Lindenthal und Braunsfeld. Nach km 19 näherte ich mich wieder dem Rudolfplatz. Hoppla, war das noch derselbe? Die Zuschauermassen müssen sich verdoppelt haben! Wahrscheinlich ist alles von der Deutzer Brücke dazugekommen! Trotzdem reicht es (noch) nicht zu einem Runner’s High bei mir.
Hinter km 20 hatte ich Eigenverpflegung deponieren lassen. Diese Flasche mit Iso und Salz hauchte mir wieder etwas Leben ein, aber die Betonung liegt auf Hauch.
Bei km 21 unsere Supergroupies mit Reni, Twiggi, Karen und wie ich später erfuhr, noch Trude und J.lo. Ein kleiner Freudentaumel und weiter durch Ehrenfeld! Mittlerweile musste ich, um meinen Puls im Zaum zu halten, auch Gehpausen einlegen. Zuerst „versteckt“ an den Verpflegungszonen, nun auch „offen“ vor allen Zuschauern! Zumindest gesellte ich mich zu anderen Gehern, um mich nicht so alleine zu fühlen. Nach jeweils ca. 100 m lief ich wieder an und biss weiter auf die Zähne. Ab ca. km 24 ging es ca. 2 km auf dem Kaiser-Wilhelm-Ring, dem Hansaring, dem Ebertplatz und der Riehler Strasse mit „Gegenverkehr“ entlang (man, wie viele tausend sind denn da schon runde 8 km weiter wie ich!?) durch Neustadt-Nord nach Köln-Nippes. Dort gab es bei km 28 wieder einen Hot Spot. Da war der Bär los! In so einem Vorort? Eine sicher 4-stellige Zuschauermasse bildete ein Spalier von 3 m Breite und brüllte und pushte uns vorwärts! Die Schleife von ca. 4 km durch Nippes führte dann wieder auf die vorgenannte Strecke mit Begegnungsverkehr. (man, wie viele tausend waren denn da noch hinter mir!) Oh, diese Strecke zog sich wie Gummi, zumal schon km 31 erreicht war! Und nun meldeten meine Waden Alarm! Es zwickte und zwackte, Krämpfe wollten sich ankündigen. Jetzt legte ich die Gehpausen ein, um den drohenden Krämpfen vorzubeugen. Dadurch weiter eingebremst lief ich nun in einem Pulsbereich von 148 – 155; normalerweise grüner Bereich, aber heute? Schneller war echt nicht drin, obwohl das der Puls vorgaukelte. Bei km 32 noch mal meine Droge Eigenverpflegung mit Salz. (vielleicht kamen deshalb die sich ankündigenden Krämpfe nicht!?) Und bei km 33 wieder Unterstützung unserer Supergroupies.
Dann kam bei km 34 wieder der Rudolfplatz. Kam? Es war wie eine Explosion! Hier brannte die Luft, hier b****e der Papst, hier war Land unter!!! Ich kam mir vor wie Lance Armstrong in den Kehren von Alpe d’Huez! Genauso ging es zu, nur dass keiner mitlief! Links und rechts brüllten dir tausende von losgelassenen Wilden ins Ohr, klatschten mit den Händen, tröteten auf Trompeten, schwangen ihre Rasseln unterstützt von Stimmungsmusik und einem Moderator. Wo sind die, die die Kamellen werfen!? Wer hier keinen Runner’s High kriegt, ist nicht von dieser Welt! Und ich war tatsächlich noch auf ihr!!! Beim Schreiben dieser Zeilen laufen mir noch die Schauer den Rücken rauf und runter! Jetzt war es klar: die fehlenden 8 km schaffst du auch noch!
Weiter am Neumarkt vorbei noch einen Schlenker in die Altstadt Süd , eine letzte Verpflegungsstation bei km 39 und anschließend durch die Fußgängerzone Richtung Dom. Hier meine eigenen Supergroupies! Auf der Domplatte natürlich auch eine große Zuschauermenge, im Zaum gehalten durch Absperrgitter. Aber was war das!? Die Domglocken läuteten! Für mich? Natürlich nur für mich!!! Also das hatte Stil! Das war ein stilvoller Runner’s High, der mich erschauerte!
Durch die Altstadt und über kritisches Kopfsteinpflaster (vor mir legte sich einer lang hin) ging es zum Heumarkt und wieder auf die Deutzer Brücke. Gesäumt von einer riesigen Zuschauerzahl gelang es mir sogar, die Steigung laufend zu überwinden. Auf der anderen Seite kam nach wenigen hundert Metern das Ziel ins Auge. Gott sei Dank, alles einigermaßen schadlos überstanden. Siegermedaille in Empfang genommen und am Ende der Zielgeraden mich im Ruhm und der Nachmittagssonne gesonnt. Da wurde gerade einer bewusstlos auf der Bahre an mir vorbei ins Sanizelt getragen, dem es offensichtlich noch schlechter ergangen war wie mir. Aber ehrlich gesagt, hatte ich mich während des Laufes auch schon ein paar Mal auf solch einer Trage gesehen!
Nun denn, ich hatte es geschafft; die Zeit von 4:35:33 war mir noch recht akzeptabel, angesichts der anderen Alternative Aufgabe oder Zusammenbruch!
In der Verpflegungsmeile stärkte ich mich noch ein wenig, bevor ich mich Richtung Duschen davonmachte. Alles in Allem doch noch ein tolles Erlebnis geworden. Und im Nachhinein, da ich nicht an meinem „orthopädischem Limit“ lief, keinerlei Probleme mit Gelenken, Muskeln oder auch nur Blasen oder wunden Stellen!

Noch ein wenig Statistik: 42,195 m, 93 Höhenmeter, 750.000 Zuschauer, 10.452 Marathon- und 5.050 Halbmarathonläufer.
Und eine kleine Anekdote zum Nachdenken: Beim Marathon lief ein Ehe?paar mit, wo der Mann bereits nach 4 km vom Besenwagen aus dem Rennen genommen wurde und die Frau nach 8 km, nachdem sie bewusstlos zusammengebrochen war! Glaubten die, so etwas ist ein Spaziergang?



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