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Bericht

Name des Laufes:22. Marathon du Medoc
mehr zum Lauf: VID3740
Datum des Laufes:9.9.2006 (Sat)
Ort:Pauillac
Plz:F
Homepage:http://www.marathondumedoc.com
Strecken:MA
Beschaffenheit:30% Asphalt, 70% Schotter und Feldwege
Profil:wellig
Wetter:schön; d.h. Sonne pur und >>30°; d.h. zu heiß
Teilnehmer:ca. 7200 im Ziel
Name des Berichtenden:Hartmut Streppel
(Autor-LID zuordnen: Login und [Edit])

Bericht vom 12.9.2006 (Tue)
2. Teil meiner Trauerlauftrilogie
Für C.
Und für Elisabeth, die sich schon so lange auf diesen Bericht gefreut hat.
Und etwas länglich wird's wohl werden.

2 Tage hatte ich nach Altötting zu entscheiden, ob ich die Pauillac-Reise jetzt alleine auf mich nehme oder nicht. Aber nach der mentalen Schwäche beim HM musste einfach wieder was nach vorne gehen. Also musste ich hin und laufen. Außerdem war es ja nur ein etwas längerer Trainingslauf mit Verpflegung:-)

Um 6 klingelt der Wecker. Noch mal die Tasche kontrolliert, eine Tasse Tee getrunken und dann rein ins Auto. Die Startnummernaus....^B^B^B Na, so schnell geht das nicht. Also erst noch mal 1400km Autofahren durch die französische Wildnis, die mir aber wunderbar gefallen hat. Anstrengend war's trotzdem.

Donnerstag nachmittag trudele ich in Pauillac ein. Ein letzter Kummerkloß löst sich auf ob der Lebendigkeit des Ortes, der mit den Vorbereitungsarbeiten beschäftigt ist. Am Abend im Appartement, auf einem riesigen, tollen Grundstück Richtung Atlantik, treffe ich im Nachbarappartment Uli, der auch laufen will. Also sind wir schon zu zweit und Günther wird ja auch noch auftauchen. Und da sind dann noch 8000 andere. Also einsam wird es mir nicht werden.

Abends Nudeln in großen Mengen und etwas Rotwein als Vorübung. Am nächsten Morgen nach Pauillac, Startnummer holen und die andere verkaufen. Wir einigen uns schnell auf einen Preis. Die Nachfrage scheint nicht so groß wie das Angebot. Die Stimmung wächst. Es ist einfach toll hier. Vor den Zelten steht der Maibaum aus Pullach auf dem Pullacher Platz. An einem Stand esse ich Entenbrust in Baguette und trinke einen Rotwein. Das muss sein. An den vielen Ständen, 80% davon Wein, teste ich noch den einen oder anderen Bordeaux und kaufe auch ein paar Flaschen. Anschließen geht's noch nach Haut Marbuzet. Da hatte mir der Wein im letzten Jahr am besten geschmeckt. Vor der Tür die km36 Marke. Wenn ich da morgen vorbeikomme, habe ich es geschafft......

Auf dem Nachhauseweg kommen mir einige Passagen sehr bekannt vor. Mouton-Rothschild mit seinem riesigen Park. Direkt danach der Aufstieg (Sabine, verzeih mir - es sind nur ca. 20Hm) nach St. Estephe.

Die Abendveranstaltung mit Wein und Gesang verkneife ich mir. Stattdessen private Pastaparty mit den Nachbarn und Rotwein. Wie kann man überhaupt ohne Rotwein leben in anderen Teilen dieser Welt?

VWKGJ
Die mentalen Probleme hatte ich ja schon in meinem Altöttinger Bericht beschrieben. Was mich zusätzlich etwas beunruhigt, ist, dass der fürchterliche Muskelkater in meiner linken Wade selbst am Donnerstag immer noch zwickt. Da muss ich irgendetwas falsch gemacht haben am Sonntag. Die 6km am Strand am Freitagmorgen lockern zwar den gesamten Bewegungsapparat wieder etwas, aber die Skepsis bleibt. Und: ich schwitze wieder nach 500m, obwohl es nicht sehr warm scheint. Wir werden sehen.
EofVWKGJ
Um 6 Uhr klingelt der Wecker. Tee und zwei Honigbrote sollen den Hunger fern halten heute. Um 7 fahren wir los, um kurz vor 8 sind wir in Pauillac, wo wir in einer Seitenstrasse des Quaies parken, also nur 5min bis zur Startlinie. Wir schauen uns die vielen Verrückten an, die in den wahnsinnigsten Verkleidungen lachend und singend durch die Strassen ziehen (Es gab keinen Rotwein vor(!) dem Lauf.) Pünktlich trifft Günther am Rathaus ein, in einen Tropenanzug gewandet und die dicke Kamera in der Hand. Na ja. Uli läuft mit schwarz,rot,goldenem Irokesenschnitt und ich mit - aufgedruckten - bayerischen Hosenträgern und den Wappen von Pauillac und Pullach, die ja Partnerstädte sind. Auch Reiner, der vor 2 Jahren mit uns gelaufen ist in seiner Lederhose, schaut vorbei.

Für die, die nicht wissen, worum es beim Marathon du Medoc geht: Es ist eine vor 22 Jahren aus der Taufe gehobene Werbeveranstaltung für den Medocwein, bei dem
a) fast alle verkleidet laufen und
b) während des Laufs auch Wein verkostet wird,
c) und es auf die Zeit nun überhaupt nicht ankommt, auch wenn der Sieger immer so um die 2:30 läuft und dann in gutem Rotwein aufgewogen wird.

Der Plan: Locker laufen, viel Spaß haben und uns über eine 5 als erste Ziffer freuen. So sind wir uns schnell einig. Auch Günther hat keine größeren Ambitionen.

Vor dem Start stehen plötzlich weiß gekleidete Matrosinnen auf mehreren Podesten am Straßenrand und wiegen sich mit einem weißen Tuch zu den Ryhthmen der Musik, die von den Franzosen mit Freude und Inbrunst mitgesungen wird. Die Stimmung ist hervorragend. Fast kein Gedränge. Gute Laune, keine Aufregung.... Der Start wird mehrfach angekündigt und irgendwann geht es dann los. In mehreren Stunden werden wir 100m von uns entfernt über den roten Teppich wieder einlaufen...

Neben der Ziellinie auf dem Podest steht dann der Kapitän und grüßt die Läufer. Aha, das große Schiff wurde auf die Reise geschickt. Schaumermal, was sie uns bringt.

Der erste km wurde geändert, da er wohl bisher auf Grund der Enge in Pauillac immer wieder zu Staus führt. Allerdings haben die Organisatoren wohl nicht bedacht, dass auch auf der breiten Uferstrasse eine Engstelle existiert. Und prompt kommt es zu eimem Aulaufunfall, und eine Läuferin liegt mit blutender Lippe auf der Strasse. Auch am Ortsausgang gibt es Stau, weil da die Kapelle und die Zuschauer zu eng stehen. Eigentlich gibt es fast immer Stau auf den ersten Kilometern. Aber das sehen wir doch locker.

Was wir nicht locker sehen, ist, dass es die Sonne jetzt schon gut sticht und dass es an den ersten Verpflegungsständen kein Wasser mehr gibt. Riesige Menschentrauben stehen um die leeren Tische rum, heben Flaschen auf, um zu schauen, ob vielleicht doch noch was zu trinken drinnen ist. In diesem Trubel verlieren wir 3 uns dann auch aus den Augen, und sehen uns auch bis zum Abend, bzw. nächsten Morgen nicht mehr wieder. Ich versuche, ein wenig in einen Laufrhythmus zu kommen, aber die Beine sind schwer, und die Sonne brennt. Als ich auch am 2. Verpflegungspunkt nichts zu trinken bekommen, werde ich leicht panisch. Ich WILL diesen Marathon heute zu Ende bringen, und jetzt wollen die mich hier dran hindern. Aber da ist schon die 2. Weinprobe und so ist die erste Flüssigkeit, die ich im Lauf zu mir nehme, etwas Rotwein. Der geneigte Leser möge am Schluss des Berichts überlegen, ob das jetzt gut oder schlecht war. Ich glaube, es musste so sein, und es war gut so.

Der Kampf ums Wasser geht weiter. Ich ergattere dann doch einen Becher (den ich bis km35 mit mir trage und der mir gute Dienste leistet, z.B. dann wenn beim Verkosten mal wieder die Gläser aus sind) und kann einem Mitläufer einen Becher aus seiner 1,5l Flasche abschwatzen. An jedem größeren Hof sind die Außenwasserhähne umlagert und Massen von Leuten versuchen, Ihre Flaschen zu füllen. Ich vermute, dass der eine oder andere auch aus den Wassertonnen für die Schwämme getrunken hat. Solche Ideen kamen mir auch.....

Das war wirklich skandalös und wird noch einen bösen Brief von mir zur Folge haben.

Ich stoppe immer meine km-Zeiten und sie bewegen sich zwischen 6:30 und 10:00. Die langsamen km deuten immer auf einen Verpflegungs- oder Degustationsstop hin, bei dem ich mir Zeit lasse. Ich verliere allerdings völlig die Gesamtzeit aus den Augen und wundere mich, dass die Uhr bei km10 schon 1:24 zeigt. Oh!! Na ja, das kann ja heiter werden.

Die Sonne brennt jetzt immer unerbittlicher. Aber die Chateaus sind trotzdem schön. Branaier-Ducru (die Dame steht wie immer auf dem Balkon und grüßt), St-Pierre, Gruaud-Larose mit seinen riesigen Bambus-Hainen, Lagrange, Trintaudon. Ich weiß schon gar nicht mehr, wo es überall Wein gab, aber im Zweifel überall. Viele Läufer legen auch immer eine Fotostop ein, um sich vor den Schlössern zu verewigen. Bis km20 schaue ich nicht mehr auf die Uhr. Zwischendurch halte ich noch den einen oder anderen Schwatz, u.a. mit einem kölsche Jong, der dann doch meint, dass der richtige Marathon ja erst in Bälde in Kölle stattfinde. Na ja. Plötzlich sind 2:45 um. Ich bin etwas durcheinander. Da hatte ich ja in München schon 30, und heute noch nicht mal 20km.. Angst macht sich breit, es nicht schaffen zu können. Die Sonne steht jetzt am höchsten und brennt einem die Energie aus dem Körper. Immer wieder Gehpausen, spätestens vor und nach der Verpflegung. Nach einem Rotwein geht es immer wieder mal besser, und so laufe ich auch den km28 als einzigen unter 6 Minuten. Es wird immer härter. Bei km27 kann man abkürzen. Aber das geht nicht. Heute wird gekämpft. Wofür das ganze mentale Training, wenn nicht heute es verpulvern für den Sieg über sich selbst. Also weiter Chateau Batailley, Pontet-Canet, Mouton-Rothschild mit seinem wunderschönen Park, Lafite-Rothschild, Pomys, Marquis de St.Estephe.

Ich warte auf km 30. Dann werde ich durchhalten. Bei ca 4:15 habe ich sie endlich. Ein Rot-Kreuz-Zelt und ein freier Stuhl laden zum Verweilen ein. Der rote Streifen, der auf meinem weißen T-Shirt nach unten läuft ist ärgerlich. Außerdem tut es weh. Mein Reservepflaster ist noch relativ trocken(!) und hält. Und weiter geht's. 1km laufen, immer in ca. 6:30, dann wieder mindestens 500m gehen. Mehr geht nicht mehr. Ein Glück, dass ich keinen Pulsmesser dabei habe. Der hätte mich zum Herzinfarkt gebracht. Ich schätze die Temperatur im Schatte auf einiges über 30°. Dazu die sengende Sonne. Ich halte meinen Körper inzwischen in jeden Wasserstrahl, der von freundlichen Anwohnern in die Menge gehalten wird. Beim Trinken geht immer ein Becher nach innen und 2 über den Kopf. Die Masser der Läufer geht. Ich rechne. Wann werde ich das Ziel erreichen? Chateau Lafite-Carcasset, Phelan-Segan.

Irgendwo nach km30 werden die Augen dann doch noch mal feucht. Ist es die Erinnerung, oder doch "nur" die gute Band und die Gewissheit, dass man sich jetzt nicht mehr vom Sieg abhalten lassen wird. Ich weiß es nicht.

Bei km36 Haut Marbuzet. Der Wein ist köstlich und gibt wieder Kraft. Da es jetzt auch gleich wieder bergab geht, beschließe ich, mal wieder einen ganzen km zu laufen. Er geht in ca. 6:15. Siehe da. Aber nach dem km ist wieder Feierabend. Aber bald steigen die Grillgerüche in meine Nase. Das Entrecote ruft. Unter einem Zeltdach, Schatten!!!!!, werden Teller mit Kurzgebratenem gereicht. Ich greife direkt 2 Mal mit den dreckigen Fingern rein und es schmeckt göttlich. Dazu 2 Becher Wein. Lange nicht mehr so lecker getafelt. Einige Läufer führen ein Tänzchen auf, die Stimmung ist auf dem Höhepunkt. Diesen km stoppe ich mit mehr als 13:00. Aber er war es wert. Ich weiß, dass ich die 6h knacke. Noch 2,2km. Das kriegen wir jetzt auch noch hin. Also noch ein paar Meter gegangen, ich will mich ja schließlich nicht überanstrengen. Und dann setze ich zum Endspurt an. Die wirklich letzten Kräfte werden mobilisiert und ich laufe noch mal einen km in 6:05 Dann der rote Teppich. Endlich. Das Zielband, die frenetische Zuschauermenge; ich möchte nur noch Schatten, Trinken und Sitzen. Durchs Ziel: 5:57:51 netto. (Wie ich später in den Ergebnislisten feststelle, habe ich damit immer noch fast 3000 Läufer von 7200 hinter mit gelassen. Uli kam in ca. 6:10 und Günther in ca. 6:20 ins Ziel) Der Wahnsinn. Die Medaille und die Geschenke entgegengenommen (Wein und Rucksack; das T-Shirt gab es schon am Tag vorher) und ab ins Fresszelt. Dort labe ich mich an den Köstlichkleiten, vor allem Quarkbrote und Bier. Ich glaube ich hätte jetzt locker eine Maß auf Ex trinken können.

Draußen treffe ich noch ein paar nette Leute und alle sind begeistert und fertig zugleich. Als dann ein paar Kölner, ich meine echte Kölsche Jungs, auf meinen Vergleich mit dem Rosenmontagszug ernsthaft meinen, dass das hier viiiieeeel besser als de Zoch sei, bin ich auch wieder überzeugt. Trotz des Wasserskandals ist das hier der Wahnsinn schlechthin.

Der Tag danach
Gut geht es mir. Ich muss zwar um 8:30 schon aus dem Haus, da ich mich zur "Ballade" angemeldet hatte, aber die Beine sind locker, dass ich richtig überrascht bin. Auch die Nacht war ok. abe zwar nicht durchgeschlafen, aber war schon ok.


Um 9:15 bin ich beim Chateau Ducru-Beaucaillou und treffe sofort auf Günther. Jetzt machen wir den 12km Spaziergang mit 4 Weinproben gemeinsam. Locker gehen wir an, überall einen oder auch 2 Schluck (auch einen Weißen gab's, der aber nicht so gut war) und dann locker weiter durch
die endlosen Weinberge. Das ist eine schöne Entspannungsübung und es gibt auch kaum Leute, denen man am Gehstil ansieht, dass sie gestern so eine Strapaze hinter sich gebracht haben.

Letzter Programmpunkt ist dann noch das große Mittagessen als Buffet organisiert. Und irgendwas läuft da schief. Entweder gab es wirklich zu wenig, oder die Läufer hatten von gestern gelerntund packten sich auf Vorrat auf ihre Teller. Jedenfalls haben wir ca. eine Stunde gebraucht, bis wir dann auch noch etwas auf unseren Tellern hatten. Was es immer gibt ist Wein. Auf den Tischen stehen Flaschen, die man dann selbst an mehreren Weinfässern wieder auffüllen kann. Leider hatte ich noch ein paar km Autofahren vor mir und musste mich dabei zurückhalten.

Das Ende
So, wer denkt, hier sei die Geschichte zu Ende, dem sei gesagt, dass es in meinem Plan noch einen Lauf gibt; in 2 Wochen in Berlin. Da laufen wir dann getrennt zusammen, oder alleine gemeinsam, oder.... Ich weiß es nicht. Aber da habe ich ja dann noch mehr Gesellschaft.

Danke fürs Lesen
Hartmut


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