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Bericht

Name des Laufes:18. Göttinger Altstadtlauf um den Novelis-Cup 2006
mehr zum Lauf: VID4200
Datum des Laufes:19.7.2006 (Wed)
Ort:Göttingen
Plz:D3
Homepage:http://www.lggoettingen.de/
Strecken:700m, 1800m 5,2k, 10,4k
Beschaffenheit:Innenstadtkurs, einige Bordsteine und teils Kopfsteinpflaster
Profil:nur minimale Steigungen
Wetter:30 Grad, sonnig, in der Innenstadt kein Windzug
Teilnehmer:Langstrecke über 1200
Name des Berichtenden: Sebastian LID55
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Bericht vom 20.7.2006 (Thu)
Heimspiel.
Hitze. Hölle.
Der Altstadtlauf Göttingen Mitte Juli ist immer heiß. Aber dieses Jahr konnte man auf dem Pflaster der Fußgängerzone Spiegelei braten. Nicht gerade lecker vor einem Lauf.

"Heimspiel" heißt, dass mein engster Freundeskreis an der Strecke steht.
"Heimspiel" heißt, dass alle LGer ihr bestes zeigen wollen und in „ihrer“ Innenstadt den Menschen zeigen wollen, wofür sie sich das ganze Jahr quälen.
„Heimspiel“ steht für fanatische Göttinger, die jedem gelben Trikot bedingungslos zujubeln.
„Heimspiel“ heißt, dass es hier keine Kompromisse gibt – nur sechs Runden Innenstadt, 10,45 Kilometer Leistungslimit und eine irre Stimmung auf der Tribüne auf dem Marktplatz und überhaupt entlang der Strecke.

17:45 Uhr, Helfertreffen. Einweisung in "Abschnitt neun", Streckenabsperrung beim Youngsterlauf über 700m. Die nächste Stunde verbrachte ich also damit, diese Strecke vorzubereiten. Als das fertig war, habe ich mir noch schnell zwei Bananen für meinen hohlen Bauch gekauft. Praktisch so ein Innenstadtkurs. Warum wohne ich so außerhalb? Gut, dafür habe ich da den Wald und ein Stadion vor der Nase.

19:30 Uhr, eine Stunde vor dem eigenen Start auf der Langstrecke. In Ruhe im Saal des alten Rathaus einquartiert und die anderen Läufer begrüßt.
Topfavorit Jürgen Austin-Kerl, GW Kassel, früher LG Göttingen, neunmaliger Sieger der Langstrecke. Dieses Jahr schon mehrmals unter 32 Minuten gelaufen, Bestzeit unter 30.
Florian Reichert, TSV Kirchdorf. Dieses Jahr auch schon 31:24.
Jannis Kellermann, Wedel-Pinneberg, 31:30.
Knut Höhler, Triathlet, eine 32er-Zeit stehen.
Bei uns fallen mit Christian (krank) und Frerk (verletzt) zwei Mitstreiter aus, so dass ich diese Kastanien wohl selber aus dem Feuer der Innenstadt holen muss.

Während Ingo den Lauf über 5,26 km für sich entscheidet und damit das Publikum das erste Mal zur Höchstform aufschaukelt, laufe ich mich in den Gassen abseits der Strecke ein. Heiß heiß heiß.

20:40, etwas verspätet, Startaufstellung direkt vor der Tribüne – und auf der sitzen meine engsten Freunde aus dem Studium – was für eine zusätzliche Motivation! Hier *muss* einfach ein Platz auf dem Treppchen her! Das obligatorische Abklatschen in der ersten Reihe mit allem Favoriten, den Startschuss gibt Jacob Minah, unsere große 10-Kampf-Hoffnung für Peking 2008. Langsam fühle ich mich etwas mulmig ob so viel Spitzenpower um mich rum – kann ich meinen eigenen Erwartungen gerecht werden? Zum Glück kommt der Countdown, der Startschuss, und ich kann endlich das tun, was ich kann – rennen. Sofort bildet sich eine Spitzengruppe aus Jürgen, Florian und Knut. Jannis macht die Lücke zu, ich auf Platz fünf.

Ein irres Tempo nach den ersten Kurven. Im Tiefflug an der ersten Wasserstelle vorbei. Nach etwa 700 Metern bin ich schon dankbar dafür, mir den ersten Becher über den Kopf zu kippen – das hier ist Temperaturhölle! Jetzt reißt ein Loch auf, die drei Jungs vorne setzen sich ab, Jannis lässt reißen - *danke*! Nach 1,4 Kilometern geht es zurück in die Fußgängerzone und geradeaus bis zum ersten Durchlauf an der Tribüne. Die Stimmung kocht. Neben Jannis gehe ich in 5:30 durch, das ist 3:08/km, nur drei Sekunden über der Pace meiner 5000m-Bestzeit. Nur, dass diese Strecke hier mehr als doppelt so lang und das Wetter ungefähr doppelt so heiß ist wie in Koblenz! Nach vorne sind schon 10 Sekunden Lücke. Was rennen die denn da vorne?! Unter dem Jubel der Zuschauer geht es in Runde zwei.

Die Wasserstation nutze ich diesmal, um einen einzelnen Schluck zum Mundausspülen zu nehmen, der Rest geht wieder über den Kopf - trinken bringt bei dem Tempo sowieso nichts, erfrischen muss reichen. In den Vortagen habe ich mich durch literweise Wasser gut hydriert. Jetzt lässt Jannis sich hinter mich zurückfallen und ich führe uns zum zweiten Mal in die Fußgängerzone zurück – die Zuschauer brüllen, als sie mein gelbes Trikot sehen. Überhaupt sind rund um die Strecke immer wieder Leute, die meinen Namen brüllen. Heimspiel. :-) Durchlauf nach 5:43 – das ist jetzt wenigstens „nur noch“ im Bereich meiner 10.000 Meter-Bestzeit. Aber die Strecke ist 10,4 km und es ist 30 Grad… auweia.

In Runde drei bei der Wasserstation (ca. Kilometer 4) lässt Jannis abreißen! Auch, wenn er vorher meinte „Formtestlauf, weil ich krank war“ – Läufer bluffen ja gerne mal ;-) Aber zum ersten Mal glaube ich daran, dass ich ihn besiegen kann. Und wer weiß, was noch alles passiert – diese Bedingungen sind unberechenbar. Ende der Runde in 5:53. Ich befürchte, jetzt kommt die Rache für den Tempofrevel in Runde eins.

Beginn von Runde 4. Ich kämpfe mit meinen Beinen, als ich plötzlich Knut Höhler am Straßenrand sehe. Vor Schreck vergesse ich an der Wasserstation meinen Becher zu nehmen und denke nur noch „das ist hier heute ein bedingungsloses Ausscheidungsrennen“. Wo Jannis liegt, kann ich nicht mehr sagen. Die Überrundungen beginnen, die Zuschauer jubeln sowieso ständig. Aber ich höre keine schnellen Schritte mehr hinter mir. Runde vier 5:56. Das ist gut, das ist verdammt gut, rede ich mir selber ein – noch immer aktuell 3:22/km. Und jetzt die letzte Runde.

Wasserstation. Zwei Kurven, zwei Geraden und dann der schockierte Blick zur Uhr, die erst knapp über 27 Minuten zeigt. Sch…. Da kommt ja noch eine sechste Runde! Wie in Trance laufe ich die Fußgängerzone hoch. Der Ansager faselt irgendwas von „Konzentration auf die Plätze 3 bis 6, wo es richtig spannend wird“. Verdammt. Das heißt, dass sie von hinten näher kommen. Kein Wunder - 6:04 für die letzten 1,74 km, ich werde einfach langsamer! Und jetzt noch einmal rum. Zähne zusammenbeißen. Vorbereiten auf einen Kampf gegen den eigenen Körper bis zum letzten Atemzug. Diesen dritten Platz *will* ich nicht mehr hergeben, egal was da von hinten kommt!

Mein Trainingspartner Christian steht kurz hinter der Wasserstation und ruft mir rein „ganz sicherer Platz drei“. „Is klar“, denke ich mir. Zu gut kenne ich diese Methode der Mutzusprechung… und zu oft haben wir das schon praktiziert, so einen mithörenden Gegner zu demoralisieren. Das letzte Mal Papendieck, das letzte Mal Münzenstraße. Stumpfebiel. Noch immer keiner von hinten dran. Vielleicht hat Christian ja doch recht? Die letzte Kurve – 400m Zielgerade. „Oh nein. Jetzt nicht mehr“ denke ich und gebe Gas. 50 Meter vor der Ziellinie blicke ich mich das erste Mal im Rennen um – das habe ich mir die ganze Zeit verboten, um niemanden hinter mir künstlich stark zu machen. Ich habe es. Verdammt, ich habe habe habe es!!! Mein Mitstudi Florian fotografiert für die Zeitung auf der Ziellinie, wie ich die Faust balle und meinen ersten Treppchenplatz bei einem Heimspiel vollende. 6:13 für die letzte Runde – das Rennen hätte keinen Meter länger sein dürfen! 35:18 (3:23/km). Das wird mir alles erst später klar und ist erst einmal völlig egal – jetzt habe ich erstmal meinen Traum: Platz drei beim Heimspiel!

Freunde, Lauf“gegner“, Teamkameraden – in den nächsten Minuten klopfen mir viele Leute auf die Schulter und gratulieren – einfach nur ein Freudentaumel. Dann läuft noch Coline als schnellste Frau ins Ziel und macht den schwarz-gelben-Triumph unter dem tosenden Applaus der Zuschauer komplett. Endlich mal ein Ansager, der auf die erste Frau hinweist! Leider musste unsere schnellste Langstrecklerin Susanne mit Kreislaufproblemen aufgeben - ich sehe sie völlig geknickt kurz im Zielbereich. Aber Coline füllt diese Lücke aus – es kann eben leider doch nicht alles perfekt sein!

Etwas Austraben, zwischendurch immer wieder Hände schütteln und dann eine Siegerehrung, die ich niemals vergessen werde! Ein gefeierter dritter Platz auf einer Bühne vor der Tribüne mit heimischem Publikum – das ist geiler als viele, viele, viel Siege! Bestzeiten sind Leistungshighlights, Meisterschaften die Dinger für den Lebenslauf.
Das hier, das ist für die Seele!
Heimspiel.


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