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Bericht

Name des Laufes:48. Nachtlauf
mehr zum Lauf: VID3280
Datum des Laufes:9.6.2006 (Fri)
Ort:Biel / Bienne
Plz:CH
Homepage:www.100km.ch
Strecken:100km
Beschaffenheit:Asphalt, Feldwege und Trampelpfade
Profil:hügelig
Wetter:Nachts ca. 10° und klar, vormittags ca. 20° und sonnig,
Teilnehmer:1425 im Ziel
Name des Berichtenden: Guenther LID1514
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Bericht vom 13.6.2006 (Tue)
Jaja, erklärt mich für verrückt! Ich konnte es einfach nicht lassen – die Läufer am „Langen Kanten“ (Rennsteig) hatten mir den Mund zu wässrig gemacht: „... wenn es eine klare und warme Nacht ist, dann musst du da mitlaufen. Die Stimmung ist dort unbeschreiblich. Sollte dann auch noch Vollmond sein, dann ist das der absolut geilste Lauf...“ uswusf. Ich sehe mir also am Dienstag den Wetterbericht an: nachts 11°C und am Tag bis 26°C – hört sich gut an. Wolkenlos: noch besser! Ein Tag vor Vollmond: nein, jetzt reichts – bitte lasst mich da mitlaufen... :-)


Vor dem Lauf:
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Am Donnerstag gab ich noch schnell meinem Chef Bescheid, dass ich wieder einen meiner Anfälle habe und den Freitag frei nehmen werde. Auf den Hinweis, dass es diesmal 100km sein werden, sieht er mich nur verstört an...

Am Freitagmorgen schnell Penntüte, LuMa und Zelt ins Auto gepackt und dann ging es ab in Richtung französische Schweiz. Sogar für mich, der Autofahren hasst, ist die Strecke in Ordnung. Obwohl ich für die Autobahnvignetten über 30 Fragezeichen abdrücken muss, kann nichts meine gute Laune trüben. Nach knapp 5 Stunden bin in Biel. Finde relativ schnell einen Parkplatz bei der Massenunterkunft und gehe erstmal zum Nachmelden. Funktioniert alles reibungslos und nach einer halben Stunde bin ich zwar 75 Fragezeichen ärmer, dafür aber stolz wie Oskar mit der Startnummer 1380 in der Hand.

Die Hotels waren mir zu teuer – als Alternative standen der Zeltplatz neben dem Start-/Zielbereich und eine Massenunterkunft in einem Zivilschutz-„Bunker“ zur Verfügung. Ich entschied mich für die Massenunterkunft: da gibt es wenigstens ein richtiges Bett und Toilette/Dusche in ein paar Metern Entfernung. Nach dem Einchecken breite ich erstmal meinen Schlafsack aus und lege mich für zwei Stunden schlafen. Obwohl ich vor Aufregung nicht richtig einschlafen kann, kommt doch ein wenig Erholung auf. Gegen 19 Uhr gehe ich zum Festzelt und verdrücke einen großen Teller Pasta Pomodoro mit einem Liter Mineralwasser, dann geht es zurück in die Unterkunft, wo ich mich umziehe für den Lauf. Ich wähle ein Funktionsunterhemd, kurze Tights und ein kurzes Funktionsshirt aus. Wie immer vor meinen Läufen läuft meine Verdauung zur Höchstform auf. Wenn meine Zeiten auch diese Steigerungen zeigen würden, wäre ich froh. Jedenfalls begebe ich nach mehreren „Einheiten ;-)“ erleichtert Richtung Startbereich.

Es ist jetzt 21:30 Uhr: überall sind aufgeregte Läufer unterwegs, die sich teilweise noch mit ihren Fahrradbegleitern absprechen. Karten werden begutachtet usw. Ich stelle mich im hinteren Drittel des Bereichs auf und komme gleich mit einer Französin ins Gespräch. O.k., Gespräch ist vielleicht zuviel. Ich verstehe sie ganz gut, aber ich habe einfach zu viele Vokabeln vergessen und stottere mich so durch. Sie will etwas zwischen 11 und 12 Stunden laufen. Bei einer Marathon-PB von 3:30h traut sie sich das zu, obwohl sie noch nie etwas längeres gelaufen ist. Ich rate ihr, es ganz langsam anzugehen, was aber auf nicht viel Verständnis stößt. Da fängt die Menge auch schon an, den Countdown in Französisch runterzuzählen und ich kriege eine Gänsehaut und die obligatorische Träne ins Auge.


Der Lauf:
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Peng! „Bonne chance“ und es geht los. Ich versuche mich zurückzuhalten – es ist ja kein 10er , der vor mir liegt. Die Französin zieht mit einem 5:30er Schnitt davon. Ich habe sie nicht mehr gesehen. Da ich mir ihre Startnummer in der Aufregung nicht gemerkt habe, weiß ich jetzt nicht, ob sie es geschafft hat. Die ersten Kilometer gehen durch Biel und wir werden überall angefeuert. Einfach toll. Es ist inzwischen dunkel und die beleuchtete Stadt ist schon ein Erlebnis. Irgendwo höre ich zwei Mädels jemand anfeuern: „Puma, Puma! Du packst es!“. Es dauert einen Weile, bis ich realisiere, dass sie mich meinen (hatte mein Puma-Shirt an). Die Zeiten pendeln sich knapp über 6 min/km ein. Noch zu schnell. Mein Ziel ist es, vor 12 Uhr wieder da zu sein. Schön wäre es, wenn noch eine 12 vor der Zielzeit stehen würde. Aber wie schon beim Rennsteig möchte ich den lauf einfach genießen und mich nicht von irgendwelchen Zeiten hetzen lassen. Ankommen ist das Ziel!

Kaum sind wir aus Biel raus, geht es auch schon einen Berg hoch. Das verstehen Schweizer also unter einem flachen Kurs ;-). Die gröbsten Steigungen walke ich flott mit etwa 8min/km hoch. Das hatte sich schon am Rennsteig bewährt. Den Rest laufe ich schon aus Prinzip und versuche mich bei knappen 7 min/km einzupendeln. Ich fühle mich ziemlich bescheiden: mein Puls ist fast bei 80% und ich schwitze wie ein Schwein. Das kann doch nicht sein! Dies geht ziemlich auf meine Motivation, obwohl ich weiß, dass es natürlich an der Uhrzeit liegt. Normalerweise liege ich jetzt schon im Bett und bin nicht auf einem 100km Rundkurs unterwegs durch die Nacht. Die tolle Stimmung in den Dörfern, die wir durchlaufen, bringt mich wieder auf andere Gedanken und mit der Zeit gibt mein Körper nach und stellt sich auf die Belastung ein. Ich versuche den Puls bei etwas über 70% zu halten, was bei der Geschwindigkeit auch gut gelingt.

Inzwischen bin ich fast vier Stunden unterwegs. Trotz der fortgeschrittenen Stunde ist in den Dörfern immer noch der Bär los (darf ich das in Bayern jetzt eigentlich noch schreiben?). Mittlerweile sind die Rad-Coaches dazu gestoßen (die das erste Stück nicht begleiten durften) und das Feld besteht aus Radfahrern und Läufern. Ab und zu überholt uns ein Marathon Läufer oder ein Staffelläufer. Die Läufer ohne Begleitung sind nun sehr ruhig geworden. Jeder ist in sich gegangen. Es kommt mir vor, wie eine Art Meditation: der Kopf ist frei und die Beine laufen von alleine. Zwischendurch genieße ich immer wieder die absolut unbeschreibliche Stimmung. Die Landschaft ist durch das Mondlicht ausgeleuchtet und die Sterne funkeln. Die Strecke führt über Straßen oder Feldwege und immer wieder durch kleine Dörfer.

Gegen vier Uhr frage ich mich, was eigentlich in den letzten beiden Stunden los war: irgendwie muss ich da einen Blackout haben. Mir fällt nichts ein. Am Horizont geht der Mond fast blutrot unter (unbeschreiblich!) und es wird kurz dunkel. Wie schon auf einigen Teilstücken in Wald vorher, brauche ich jetzt meine Stirnlampe, um den Weg zu erkennen. Einfall toll, wie sich die Läufer mit ihren Lampen einer Prozession ähnlich durch die Landschaft schlängeln. Nach einer knappen Stunde beginnt es zu dämmern und die ersten Vögel beginnen zu zwitschern. Im Wald steigert sich dies langsam zu einem Konzert, dass ich das Gefühl habe, in einer Volière zu laufen. Ich bin total glücklich. An jeder der zahlreichen Verpflegungsstellen (die allesamt spitze waren) nehme ich mir stehend oder sitzend die Zeit drei Becher zu trinken (Tee, Wasser und Iso) und esse dazu ein paar Stücke trockenes Brot. Ein kurzer Plausch mit anderen Läufern und dann geht es nach etwa zwei Minuten weiter.

Jetzt liegt vor uns der so genannte „Ho Chi Minh“-Pfad, vor dem immer wieder gewarnt und ehrfürchtig gesprochen wird. Gut er ist ein Trampelpfad und besteht aus Wurzeln, Steinen und Kies, aber wer den Rennsteig gelaufen ist, dem entlockt er nur ein müdes Lächeln. Auch mit Stirnlampe empfinde ich ihn nicht als problematisch. Das ausweichen der Hindernisse ist eine willkommene Unterbrechung des ansonsten monotonen Schlappschritts. Ich genieße ihn richtig, da der Laubwald wirklich romantisch ist und überall die Vögel zwitschern. Nach zwei Stunden ist auch er vorbei und es geht wieder auf Straßen und Feldwege. Interessanterweise bin ich immer noch nicht müde, obwohl es bereits 7 Uhr morgens ist. Nun ist es hell und ich spüre die Temperatur ansteigen.

Noch ca. 30km! Das ist doch ein Klacks – nicht mehr als ein LSD am Sonntagmorgen. Knappe vier Stunden und ich bin im Ziel. Die Wärme ist schon spürbar und ich trinke jetzt etwas mehr. Die Menge scheint richtig zu sein, denn ich musste bis jetzt erst zweimal austreten. Nach der 76,5km Kontrollstelle geht noch mal sehr steil den Berg hoch und danach für ca. 20 Minuten wieder mit teilweise starken Gefälle runter. Der lange Abstieg geht mir ein wenig auf die Knie, aber ich laufe trotzdem durch und auf der Geraden verschwinden die Beschwerden auch wieder. Die herunterbrennende Sonne und die gut 10 Stunden Laufen drücken ein wenig auf die Motivation, aber mit ein paar Tricks lassen sich die nächsten Kilometer doch überbrücken.

Das KM90 Schild ist da: mein Gott, nur noch 10km, dann bin im Ziel! Das beflügelt mich und ich „beschleunige“ noch ein wenig. Wie schon seit mehreren Stunden sammle ich immer wieder Läufer ein, die sich das Rennen falsch eingeteilt haben. Meine Rechnung scheint aufzugehen. Während die meisten jetzt gehen bzw. abwechselnd walken oder laufen, laufe ich immer noch konstant mein Tempo durch. Mit jedem Kilometer hebt sich meine Stimmung noch mehr und ich muss schon wieder kämpfen, nicht bereits auf der Strecke schluchzend in Freudenstränen auszubrechen. Ab KM 95 werden nun die Schilder wieder im 1 Km Abstand angezeigt und die Freude wird immer größer. Selbst wenn ich jetzt noch gehen müsste, die 100km schaffe ich.

Ich höre schon die Lautsprecherdurchsagen: es kann nicht mehr weit sein. Jemand feuert mich an und ruft: „nur noch 300m“. Ich korrigiere noch mal den Sitz meiner Kappe und Kleidung (man will ja auf dem Zielfoto gut aussehen) und steuere auf die Zielgerade zu. Noch 100m, ich höre meine Nummer und „...hier kommt Günther Erhard aus München...“ und setze zu einem kleinen Endspurt an. „Fiep“ und ich bin im Ziel. Mein erster 100er. Ich fühle mich nicht mal erschöpft, grinse wie ein Honigkuchenpferd und schon kommen die Freudenstränen. Jemand hängt mir die Medallie um, reißt den Barcode von meiner Startnummer ab und stempelt meine Startnummer noch ab. Ja, bei den Schweizer geht alles genau zu ;-). Irgendwann fällt mir ein, meine Uhr zu stoppen. Muss eine Zeit um 12:50h gewesen sein (12:50:33h offiziell). Also sogar mein Traumziel erreicht!


Nach dem Lauf:
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Ich gehe gleich in der Halle, um mir gegen Abgabe des Chips meine Urkunde und das Finisher-Shirt abzuholen. Danach etwas essen und trinken. Langsam werde ich müde und ich begebe mich zur Unterkunft, dusche mich ausgiebig und lege mich dann für ca. 6 Stunden auf’s Ohr. Am Abend gehe ich die 3 Kilometer in die Altstadt, verwöhne mich beim Edel-Italiener (das habe ich mir verdient) und gehe die Strecke auch wieder zurück. Tut den Oberschenkeln richtig gut, dass sie noch mal sanft bewegt werden. Anschließend ging’s es wieder ins Bett und ich schlafe durch bis zu Morgen. Auf dem Weg zur Dusche und zum Frühstück begegnen mir ständig Leute, die sich ziemlich eckig und steif bewegen. Müssen wohl Läufer sein ... ;-). Wie schon beim Rennsteig habe ich fast keinen Muskelkater. Nur beim Treppenabsteigen merke ich meine Oberschenkel etwas.


Fazit:
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Ein gut organisierter Lauf. Tolle Stimmung und Strecke. Top Verpflegungsstellen. Die Massenunterkunft „Sahligut“ ist absolut top: sauber und günstig. Kann ich nur empfehlen. Auf der Urkunde sind auch meine Zwischenzeiten und Ränge aufgedruckt: von 4:39h (Rang 864) bei KM38.5, 6:56h (Rang 793) bei KM56 über 9:48h (Rang 760) bei KM76.5 lief ich dann auf Rang 710 ins Ziel ein. Die Renneinteilung war also richtig. Dies war sicher nicht das letzte mal, dass in Biel gelaufen bin.


Diese Seite ist zu erreichen unter www.kmspiel.de/?bericht=1559


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