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Bericht

Name des Laufes: 34. GutsMuths - Rennsteiglauf
mehr zum Lauf: VID2940
Datum des Laufes:20.5.2006 (Sat)
Ort:Schmiedefeld
Plz:D9
Homepage:http://www.rennsteiglauf.de
Strecken:HM, MA, SM
Beschaffenheit:Asphalt, gekieste Forstwege und matschige Waldwege mit Wurzeln
Profil:bergig
Wetter:Heiter, in der zweiten Hälfte Regen und kräftiger Wind
Teilnehmer:ca. 1650
Name des Berichtenden: Guenther LID1514
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Bericht vom 22.5.2006 (Mon)
Jetzt sitze ich hier in einer Trattoria in Eisenach, trinke einen wohltemperierten Chianti und denke, daß ich euch nicht länger auf die Folter spannen sollte. Also Tréo ausgepackt und in die Tasten gegriffen.

VWGKJ fällt aus, da Training und der Rest einfach super lief.

Der Abend davor oder \"Drei Thüringer Klöße passen schon rein...\":
Nach ca. 5 Stunden Anfahrt mit etwas verspäteter Abfahrt war ich um 18 Uhr im Hotel. Der \"Eisenacher Hof\" war eine sehr gute Wahl: mein Zimmer lag im Nebenhaus, das absolut ruhig und idyllisch etwa 300m den Berg rauf am Ende einer Sackgasse lag. Zum Start bzw. der Klosparty waren es von hier aus etwa 8 Gehminuten. Schon während der Anfahrt sprach ich mit Frank und Matthias einen neuen Zeitpunkt für das Treffen ab, da keiner von uns pünktlich war ;-).
Gegen halb 8 hatten wir dann die Startunterlagen abgeholt und uns zusammen mit Jörg vor den Festzelt getroffen. Die Kloßparty war etwas enttäuschend - Oberhof und Neuhaus boten meiner Meinung nach mehr. Die drei Thüringer Knödel (ich weiß, daß die dort Klöße heissen ;-) waren allerdings wie immer gut und zusammen mit dem Blaukraut und dem Gulasch ausreichend, um satt zu werden. Gegen 21 Uhr brach jeder zu seinem Quartier auf. Habe ich schon erwähnt, daß ich wieder mal vor lauter Aufregung fast nicht geschlafen habe?

Der Lauf oder \"Gibt es einen multiplen Runners High?\":
Nachdem ich seit etwa 3 Uhr die Minuten auf dem Wecker mitgezählt hatte, stand ich dann um 4 Uhr auf. Als Kleidung wählte ich kurze Tights und kurzes T-Shirt. Da der Wetterbericht von kräftigem Wind sprach, zog ich noch ein Funtions-Unterhemd darunter an. Die Wahl fiel mir aber leicht: hatte eh nichts anderes dabei. Nach einem appetitlosem Frühstück und drei aufregungsbedingten Besuchen auf dem Örtchen, ging es dann zum Start. Erst kurz vor dem Startschuss entdeckte ich Frank im Getümmel. Der Bürgermeister sprach noch ein paar Worte und dann kam der Startschuss. Mit \"Time to say goodbye\" aus den Lautsprechern ging es über die Startlinie. Die Stimmung und die Musik ließen gleich eine Träne die Wangen runterkullern. Mein Gott: kaum bin ich 40, schon werde ich sentimental.
Wir laufen durch die Fußgägerzone dieser wunderschönen Stadt und nach 1 km geht es bereits bergauf. Das wird auch so bleiben für die nächsten 25km. Da ich mein eigenes Tempo laufen wollte, war Frank ziemlich schnell auf und davon. Beim 5km Schild drückte ich ab und war total enttäuscht: 41 min. So langsam hätte ich nicht gerechnet. Mein Plan war einen 7er Schnitt die ersten 30km zu laufen und dann etwas schneller zu werden. Gut, meine 8 Stunden als Ziel hatte ich damit beerdigt und traf die Entscheidung, den Lauf zu genießen und einfach gemütlich weiterzulaufen. Das Km 10 Schild kam und ich stoppte 1:08h. Oha, das 5er Schild lag wohl falsch. Eigentlich war ich genau im Zielkorridor, aber ich blieb bei meiner Genußlaufentscheidung. Das war mein Glück - doch dazu später mehr.
An den Verpflegungstellen labte ich am Schleim (in verschiedenen Ausführungen von rosafarben bis natur) und trank warmem süßen Tee ohne irgendwelchen Stress. Ich ließ die Landschaft und die Stimmung auf mich wirken. Gesprochen habe ich auf den ersten 30km nicht viel, da das Tempo der Läufer noch zu stark varierte und man immer nur kurze Gespräche führen konnte. Die Verpflegungsstellen waren alle toll und teilweise spielte sogar Musik. Einmal kam ein uralter deutscher Ohrwurm, den ich noch aus Kinderzeiten von der Hitparade kannte: \"Wenn du denkst, daß du denkst, ein Mädchen kann das nicht\" oder so ähnlich. Meine Füße fingen tatsächlich ein wenig zu tanzen an und das obwohl ich schon 30km in den Beinen hatte und eigentlich total unmusikalisch bin.
An den Steigungen ging ich den größten Teil, um den Puls niedrig zu halten. Insgesamt empfand ich das Profil als viel anspruchsvoller wie bei der Marathonstrecke. Dort lief ich bis auf zwei Stellen alles durch. Die Bergabpassagen waren aber relativ entspannt, bis auf den Inselberg. Hier ging es sehr steil bergab und der Weg war nass und glatt. Meine Laufhaltung sah aus, als ob ich in die Hose gemacht hätte ;-).
Nachdem ich mein Ziel auf Genußlaufen geändert hatte und dadurch ohne Druck lief, kam ich immer mehr in ein Glücksgefühl und nahm mir an den Verpflegungsstellen die Zeit ein wenig ratschen (obwohl ich anfangs noch ein schlechtes Gewissen dabei hatte). Ich sah es aber als gute Übung an, vom üblichen Leistungsdruck wegzukommen. Dies funktionierte zunehmend besser und ich lief ohne Anstrengung dauernd mit einem Lächeln im Gesicht. Da war ich wohl schon im Runners High. Ich spürte jedenfalls keine Anstrengung und war einfach nur glücklich.
Kurz nach der 37,5km Verpflegungstelle (der einzige Schleim, der mir nicht schmeckte) kam ich mit einem gleichaltrigem Mädel ins Gespräch und die Chemie stimmte von Anfang an. Susanne wollte 9:15h laufen - also entschied ich mich spontan dazu, gemeinsam mit ihr zu ins Ziel zu kommen. Im Laufe des Gesprächs stellten wir vieles Gemeinsames fest und auch Kurioses: z.B. der Freund ihrer Mutter lebte wie ich in Pasing. Die Zeit verging einfach wie im Flug.
Ab ca. Km 45 setzte dann der Regen ein, der immer stärker wurde. Hinzu kam noch ein kräftiger Wind, der auf den offenen Streckenabschnitten den Regen waagrecht vor sich hertrieb. Es war zwar kalt, aber außer an den Händen konnten wir es gut aushalten. Auf dem Beerberg standen wir dann plötzlich im Nebel bzw. tiefhängenden Wolken und es wurde noch ein wenig kälter (Jörg erwähnte später etwas von 3 Grad). Es machte uns aber irgendwie nichts aus - im Gegenteil es war irgendwie sogar romantisch (ich weiß: wir Läufer haben alle einen Sprung in der Schüssel ;-).
Am Grenzadler legten wir eine 10min Pause für Essen, Trinken und Dixie ein. Hier hätte die Möglichkeit bestanden, aus dem Rennen auszusteigen. Wir fühlten uns aber einfach spitze (wohlgemerkt, nach 54km!) und liefen natürlich weiter. Ein paar hundert Meter weiter rutscht dann Susanne auf einem glatten Stein aus und überschlägt sich. Ich hatte das Gefühl, daß mein Herz vor Schreck stehen bleibt (obwohl der Pulser später eine Erhöhung registrierte :-). Sie hatte unheimliches Glück: nicht mal eine Abschürfung. Nach kurzem Check ging es weiter. Einen kleinen Berg gab es noch zu bewältigen, dann ging es hauptsächlich nur noch bergab (mit der Strecke - nicht mit uns ;-). Noch kurz den leckersten Schleim der Strecke am Verpflegungspunkt Schmücke genossen und dann starteten wir zu letzten Kilometern. Als wir lächelnd und quasselnd eine Straße überquerten, meinte der Streckenposten, ob wir unter Drogen wären - 5km vor dem Ziel immer so frisch und glücklich zu wirken, daß wäre nicht normal. Er hatte Recht: ich hatte echt das Gefühl die letzten 6 Stunden im Runners High zu sein. War es jetzt einer durchgehender oder doch multiple Runners Highs?
Dem Ziel immer näher liefen wir die Gefälle teilweise mit einem 5er Tempo. Trotzdem waren meine Oberschenkel völlig locker. Kurz durch den Ort Schmiedefeld und die Lautsprecherdurchsagen drangen uns ins Ohr. Schon waren wir auf der Zielgeraden. Ich reisse vor Freude die Arme hoch und grinse wie ein Honigkuchenpferd. Die Ansagerin ruft noch: \"...da kommt aber einer, der sich richtig freut\" und im nächsten Moment waren wir über der Ziellinie. Nicht im geringsten erschöpft (ohne zu lügen - ich hätte locker noch eine Stunde oder mehr weiterlaufen können) stehe ich im Zielbereich, bekomme meine Medallie umgehängt und kann es nicht glauben: jetzt bin ich ein richtiger Ultra!
Nach der Verabschiedung von Susanne holte ich meine Tasche vom Feld (zum Glück hatte ich alles gut in Mülltüten eingepackt) und begebe mich fröstelnd im strömenden Regen zur Dusche. Meine Hände sind so klamm, dann ich nicht einmal meine Schnürsenkel aufmachen kann. Trotz langen Duschen und warmer Kleidung habe ich eine halbe Stunde später immer noch leichten Schüttelfrost. Im Festzelt treffe ich später Frank und Jörg und wir genießen die tolle Stimmung. Leider müssen wir kurz vor halb 7 los, da um 19 Uhr der letzte Bus nach Eisenach zurück fährt. Nächstes Mal werde ich mir ein Quartier in Schmiedefeld suchen.

Der Tag danach oder \"Läufer haben einen in der Waffel\":
Ich wache auf und fühle in mich hinein: hat mich einer ans Bett getackert? Nein, nur ein ganz leichtes Ziehen in den Oberschenkeln. Also Aufstehen, Duschen und dann ausgiebig frühstücken. Ich war vor 12 Jahren ständig beruflich in Eisenach - hatte aber nie die Zeit, die Stadt anzusehen. Deshalb hatte ich einen zusätzlichen Tag gebucht und wollte dies heute nachholen. Gestärkt wanderte ich erstmal zur Wartburg hoch, erklomm die Stufen zum Verliesturm und sah mir dann noch die Stadt mit ihren historischen Gebäuden wie z.B. dem Bachhaus oder dem Lutherhaus an. Insgesamt war ich etwa 6 Stunden zu Fuß unterwegs und hatte so gut wie keine Beschwerden in den Beinen. Wie es morgen aussieht, kann ich allerdings noch nicht sagen...

Fazit:
Dies war eindeutig der schönste Lauf meines Lebens. Die Stimmung und die Strecke sind einfach unbeschreiblich. Ich schwebe immer noch ein paar Meter über dem Boden und habe mir fest vorgenommen, längere Wettkämpfe nur noch auf Genuß zu laufen.

Ach ja - fast hätte ich es vergessen, die Statistiker brauchen auch ihr Futter: die Endzeit war 8:51h und der Durchschnittspuls lag bei 75%.

Puh - jetzt ist der Wein alle und ich habe einen halben Roman geschrieben. Ich hoffe, ich habt durchgehalten...

Gruß Günther


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