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25.04.2024, der 4. Tag der KW 17

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Bericht

Name des Laufes:21. Conergy-Marathon Hamburg
mehr zum Lauf: VID2619
Datum des Laufes:23.4.2006 (Sun)
Ort:Hamburg
Plz:D2
Homepage:http://www.marathon-hamburg.de/
Strecken:MA
Beschaffenheit:Asphalt
Profil:eben
Wetter:optimal: um die 8 Grad, trocken, bedeckt
Teilnehmer:ca. 17.000 Finisher
Name des Berichtenden:Thomas Pape
(Autor-LID zuordnen: Login und [Edit])

Bericht vom 25.4.2006 (Tue)
"Manchmal muss man auch etwas riskieren."

Diesen fachmännischen Rat habe ich noch am Freitag am Bierstand erhalten. Jetzt bin ich am Fischmarkt, eine Shanty-Gruppe spielt "Äppel klau'n" - ich habe diesen Marathon sehr vernünftig begonnen, für die ersten 10km habe ich gute 47 Minuten gebraucht. Ich bin mir ein bißchen unsicher, was mein Zeitziel von 3:15 angeht. Aber gerade eben, mit Blick auf den Hafen – der Kurs ist immer gut :-) - ist die Unsicherheit von mir abgefallen. Die Gedanken sind gewandert, es rollt (es geht ja auch bergab) – und nur noch widerstrebend bremse ich ein, wenn mein Garmin mich warnt, daß ich die mir selbst gesetzte Höchstgeschwindigkeit überschreite. Der Shanty beschwingt mich auf seltsame Weise. Ich wehre mich nicht mehr dagegen, daß meine Beine einen 4:30er Schnitt laufen wollen.

"Das is'n Klacks für'n Hamburger Jung'"

Bald drauf bin ich an den Landungsbrücken, und nichts scheint mehr unmöglich. Scheiß drauf, ich habe gut trainiert. Manchmal muss man auch was riskieren. Das is' 'n Klacks für'n Hamburger Jung'. Heimspiel. Ich rede mich stark, und doch - der Gedanke an das Unausweichliche, die Schmerzen auf den letzten Kilometern, sind ebenfalls da. Trotzdem, ich bin mir sicher, am Ende werde ich sagen "So ein Marathon ist schließlich kein Kindergeburtstag". Ich werde abends nach zwei Bier angenehm betrunken auf dem Sofa sitzen, die Erinnerung an den Schmerz wird verblassen und ich werde von Berlin träumen, von einer 3:05 und davon, vielleicht noch am realistischten, dort meine Handschuhe zurück zu bekommen. Was mir jetzt als noch als idiotisches Himmelfahrtskommando erscheint, wird sich rückblickend zu wahrem Heldentum verklären. Ich bin auf einer Mission.

Kilometer vierzehn, ich passiere meine Dienststelle. Meine Kollegen haben sich nicht an die Straße bequemt und vor mir läuft Pia. Pia kennt 'nen Haufen Leute, viele jubeln ihr zu.Ich bleibe lange in Pias Nähe und irgendwann fällt mir wieder ein, daß ja ihr Name auf der Startnummer steht. Hmm. Da waren wohl die Gehirnwindungen ein bißchen zu sehr mit Bestzeitenträumereien beschäftigt.

Kilometer 20, letzte zehn in 45:xx. Halbmarathon 1:38. Das ist okay, letztes Jahr hatte ich hier 1:35 stehen, aber trotzdem bedeutet das, daß ich für eine 3:15 eine schnellere zweite Hälft laufen müsste, was ich bereits jetzt für sehr schwer halte. Allmählich schwindet die Lockerheit und ich muss sehr konzentriert laufen. Bekannte an der Saarlandstraße müssen mich sprichwörtlich an den Schultern packen und durchschütteln, um mich persönlich zu supporten. Ich beginne jetzt auch, meine Kleiderwahl zu bedauern. Eine Frau singt -leise, leider, da niemand entsprechend gewandetes in Sichtweite- "Come on, you boys in brown". Na gut. Feuere ich mich eben selbst an. "Come on you boys in brown" wird für eine Weile mein Mantra.

In der City Nord erfahre ich, daß Julio Rey mit Streckenrekord im Ziel ist. Schön für ihn. Warum mich daß so demotiviert, läßt sich vom Kopf her nicht erklären. Jetzt geht es auf Kilometer 30 zu und ahne das dicke Ende nicht mehr nur, nein es ist fast körperlich spürbar. Fast? Vermutlich ist es ein taktischer Fehler. Aber schon vor Kilometer 30 rechne ich mir aus, daß ein Fünferschnitt für eine 3:19 reicht. 3:19. Hört sich doch auch gut an. Die 3:19 habe ich früher schon mal (für 2005) prophezeit bekommen und so freunde ich mich mit dem Gedanken an eine 3:19 an. Nach jedem vollem Kilometer überprüfe ich meine Rechnung, ja, 3:19, das wird was. Allmählich wird die Strecke etwas öde. Bei km 35, da kann ich noch ein bißchen aufmachen. Als km 35 sich nähert, verschiebe ich mein Vorhaben auf Kilometer 38. :-\

Dann aber, als ich mich Kilometer 38 nähere, werden meine Seitenstiche besonders schlimm. Ich habe sie zeitweise schon während des Rennens gehabt – am Anfang dachte ich noch, fein, Marathonlaufen ist das Thema nicht, die wahre Schwierigkeit ist es, aus dem Becher zu trinken- und bis jetzt gelang mir immer, sie zu ignorieren. Jetzt aber zwingen sie mich zum gehen. Scheiße. Ausgerechnet hier, an einer Zuschauerhochburg. Nützt nix. Ich gehe solange es nötig erscheint und keine 500m später nochmal, um in Ruhe zu trinken. Laut Aussage eines Kollegen hat mich ausgerechnet dabei eine Fernsehkamera eingefangen. :-( Hier verliere ich dann auch den Löwenanteil der drei Minuten, die mir am Ende auf mein, im Verlauf des Rennens mit meinem inneren Schweinehund ausgehandeltes, neues Minimalziel fehlen werden.

Es beginnen die Krämpfe. Fluch und Segen der Vornamen auf den Startnummern: ein fieser, spontaner Krampf schießt mir in den Oberschenkel, hinten links. Mitten im Schritt falle ich vom Laufen ins Gehen, wobei es wie durch ein Wunder zu keinem Auffahrunfall kommt. Anderthalb Schritte später ruft mir ein Zuschauer zu: "Los, Thomas, nicht schlappmachen". Ich schaue ihn böse an, laufe aber sofort wieder an. Nach fast zweiundfünfzig Minuten ist das schlimmste vorbei. 3:19 sind längst abgehakt, wenn es pB wird, wird es äußerst knapp, jetzt gilt es nur noch, das Ding in Würde heimzuschaukeln. Den Punkt über die Zeit retten, sozusagen. Die letzten 2,2km laufe ich tatsächlich durch, in gut zehneinhalb Minuten. Ich halte meine Uhr an und nulle sie sofort, ohne meine Endzeit wirklich zur Kenntnis genommen zu haben. Später, als mich die lokale Presse anruft, um meine Zeit zu erfragen, kann ich nicht mal mit Sicherheit sagen, ob es noch ein 3:22 oder schon eine 3:23 war.

Jetzt aber hänge ich erstmal maßlos enttäuscht über einem Absperrgitter. Minuten vergehen, bis ich mich aufraffen kann, meinen Kleiderbeutel zu holen, aber auch nur, weil ich friere. Der IKS entgehe ich nur knapp und das Umziehen ist dieses Mal auch sehr schwierig: ich winkle beim Schuhanziehen meinen Fuß an, es schießt in die Wade und die Wade ist fest. Der Fuß geht nicht mehr vor und nicht mehr zurück. Ich bin zum ersten Mal kurz davor, die Sanis zu rufen, kann den Krampf dann aber selbst lösen.

Da das Flüssigkeitsdefizit mehr als offensichtlich ist, verbringe ich die gute Stunde bis ich Uwe, Marcus und Jan Tim wiedertreffe, mit Trinken. Ein Red Bull, einen Tee und ein Bier – genau eine Stunde, schnelleres Trinken ließ mein Magen nicht zu. Danach bringe ich meinen ganzen Charme auf, um dem Mädel am Erdingerstand noch ein zweites Bier abzuschnacken... oops, dabei habe ich versprochen, das nicht weiterzusagen. ;-)

Doch, Hamburg '06 war schon schön. Die Kilometersplits auf der Soforturkunde beruhigen mich später wieder halbwegs: nichts falschgemacht, das Zeitziel nur einfach nicht draufgehabt. Auch ohne mich betrinken zu müssen, freue ich mich schon am Abend auf Berlin; hole ich einfach da die 3:15 nach. Um auf den Shanty zurückzukommen: nein, ich bin kein Quiddje – und was die Boys in brown angeht, wenn man zu Hause nur punktet, muss man eben auswärts siegen. Aux armes!

Danke für's Lesen.






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